Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Du doch gewiß ein Anrecht, es zu wissen. Auch möchte ich nicht wieder der Verliebtheit beschuldigt werden, ich habe ganz anderes im Kopf. Also lache nicht, sondern höre: Ich will mein Lehrerinnen-Examen machen, dann eine Stelle suchen und Geld verdienen, und wenn ich genug habe, nach Zürich gehen und studiren. Aber sag es nun um Himmels willen nicht weiter, lieber Axel; wenn es Jemand anders erfährt als Du, schäme ich mich todt. Ich fühle mich auch selbst durchaus nicht würdig dazu - aber nicht wahr, Du wirst mich nicht verdammen? Die Anderen werden es gewiß thun; ja, ich werde noch viel zu kämpfen haben. Deine Cousine Lisbeth mit der inferioren Intelligenz. P.S. Und hier hast Du auch mein Bild, ich habe es richtig gegrapst, damit Du mich nicht wieder feige schiltst. Was ich Mama antworten soll, wenn sie es vermißt, wissen nur die Götter. Ich werde immer so roth, wenn ich zu lügen versuche. Am meisten Angst habe ich vor Frieda, das ist unser enfant terrible, ganz wie ich früher! Die Obige. Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort. Kopenhagen, 8. Oktober 1892. Mein liebes Cousinchen! Sag doch, wie konntest Du nur meinen harmlosen Brief so übel nehmen, mir Du doch gewiß ein Anrecht, es zu wissen. Auch möchte ich nicht wieder der Verliebtheit beschuldigt werden, ich habe ganz anderes im Kopf. Also lache nicht, sondern höre: Ich will mein Lehrerinnen-Examen machen, dann eine Stelle suchen und Geld verdienen, und wenn ich genug habe, nach Zürich gehen und studiren. Aber sag es nun um Himmels willen nicht weiter, lieber Axel; wenn es Jemand anders erfährt als Du, schäme ich mich todt. Ich fühle mich auch selbst durchaus nicht würdig dazu – aber nicht wahr, Du wirst mich nicht verdammen? Die Anderen werden es gewiß thun; ja, ich werde noch viel zu kämpfen haben. Deine Cousine Lisbeth mit der inferioren Intelligenz. P.S. Und hier hast Du auch mein Bild, ich habe es richtig gegrapst, damit Du mich nicht wieder feige schiltst. Was ich Mama antworten soll, wenn sie es vermißt, wissen nur die Götter. Ich werde immer so roth, wenn ich zu lügen versuche. Am meisten Angst habe ich vor Frieda, das ist unser enfant terrible, ganz wie ich früher! Die Obige. Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort. Kopenhagen, 8. Oktober 1892. Mein liebes Cousinchen! Sag doch, wie konntest Du nur meinen harmlosen Brief so übel nehmen, mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0329" n="321"/> Du doch gewiß ein Anrecht, es zu wissen. Auch möchte ich nicht wieder der Verliebtheit beschuldigt werden, ich habe ganz anderes im Kopf. Also lache nicht, sondern höre: Ich will mein Lehrerinnen-Examen machen, dann eine Stelle suchen und Geld verdienen, und wenn ich genug habe, nach Zürich gehen und studiren.</p> <p>Aber sag es nun um Himmels willen nicht weiter, lieber Axel; wenn es Jemand anders erfährt als Du, schäme ich mich todt. Ich fühle mich auch selbst durchaus nicht würdig dazu – aber nicht wahr, Du wirst mich nicht verdammen? Die Anderen werden es gewiß thun; ja, ich werde noch viel zu kämpfen haben.</p> <salute> <hi rendition="#right">Deine Cousine Lisbeth<lb/> mit der inferioren Intelligenz.</hi> </salute> <postscript> <p><hi rendition="#aq">P.S.</hi> Und hier hast Du auch mein Bild, ich habe es richtig gegrapst, damit Du mich nicht wieder feige schiltst. Was ich Mama antworten soll, wenn sie es vermißt, wissen nur die Götter. Ich werde immer so roth, wenn ich zu lügen versuche. Am meisten Angst habe ich vor Frieda, das ist unser <hi rendition="#aq">enfant terrible,</hi> ganz wie ich früher!</p> </postscript> <salute> <hi rendition="#right">Die Obige.</hi> </salute> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="letter" n="2"> <head>Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort.</head> <dateline> <hi rendition="#right">Kopenhagen, 8. Oktober 1892.</hi> </dateline> <p>Mein liebes Cousinchen! Sag doch, wie konntest Du nur meinen harmlosen Brief so übel nehmen, mir </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [321/0329]
Du doch gewiß ein Anrecht, es zu wissen. Auch möchte ich nicht wieder der Verliebtheit beschuldigt werden, ich habe ganz anderes im Kopf. Also lache nicht, sondern höre: Ich will mein Lehrerinnen-Examen machen, dann eine Stelle suchen und Geld verdienen, und wenn ich genug habe, nach Zürich gehen und studiren.
Aber sag es nun um Himmels willen nicht weiter, lieber Axel; wenn es Jemand anders erfährt als Du, schäme ich mich todt. Ich fühle mich auch selbst durchaus nicht würdig dazu – aber nicht wahr, Du wirst mich nicht verdammen? Die Anderen werden es gewiß thun; ja, ich werde noch viel zu kämpfen haben.
Deine Cousine Lisbeth
mit der inferioren Intelligenz. P.S. Und hier hast Du auch mein Bild, ich habe es richtig gegrapst, damit Du mich nicht wieder feige schiltst. Was ich Mama antworten soll, wenn sie es vermißt, wissen nur die Götter. Ich werde immer so roth, wenn ich zu lügen versuche. Am meisten Angst habe ich vor Frieda, das ist unser enfant terrible, ganz wie ich früher!
Die Obige.
Axel Lorenzen an Lisbeth Markwort. Kopenhagen, 8. Oktober 1892. Mein liebes Cousinchen! Sag doch, wie konntest Du nur meinen harmlosen Brief so übel nehmen, mir
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