Lebewohl und fahre meinem Sterne nach! Wohin er mich wohl schließlich führt? Ich bin begierig! Ob nach München? Oder nach Bethlehem? D. O.
Baronin Hechingen an Frau Selma Corrodi.
Gossensaß, 22. April.
Ja, was sagen Sie nur, liebste schönste Frau Selma, daß zu Ihrer Visit statt der dicken Hechingen in Person nur e Brieferl von ihr kommt! Gelt, Sie werden mich schön ausrichten! Die alte Ratschen, werden Sie sagen, wann man's emal braucht, um so e leidige Kaffeevisit e bisserl aufzumuntern, da kommt sie nit! Ja, wenn die Ax' nit brochen wär', gestern Abend an unserm Zug hier bei Gossensaß, so wär' die Hechingen schon kommen, aber 's ist ihr halt nicht geheuer gewesen, nachher in dem reparirten Wagen, wissen's, und so bin ich dablieben. Ach, was hab' ich erlebt; was hab' ich erlebt! Mein Herz hat geschlagen, mehr als das Ihrige, Frau Selma, bei Ihrem ersten Rendez-vous! Es ist zwar schon lang' her, aber vielleicht gedenkt's Ihnen doch noch! Also ich bin vom Regen in die Traufen hereinkommen. Wissen's, ich hab' die Reise hierher gemacht mit einer scharmanten Bekanntschaft von mir, Nize heißt er oder so was und ist ein Landrath, ein grober Kerl,
Lebewohl und fahre meinem Sterne nach! Wohin er mich wohl ſchließlich führt? Ich bin begierig! Ob nach München? Oder nach Bethlehem? D. O.
Baronin Hechingen an Frau Selma Corrodi.
Goſſenſaß, 22. April.
Ja, was ſagen Sie nur, liebſte ſchönſte Frau Selma, daß zu Ihrer Viſit ſtatt der dicken Hechingen in Perſon nur e Brieferl von ihr kommt! Gelt, Sie werden mich ſchön ausrichten! Die alte Ratſchen, werden Sie ſagen, wann man's emal braucht, um ſo e leidige Kaffeeviſit e biſſerl aufzumuntern, da kommt ſie nit! Ja, wenn die Ax' nit brochen wär', geſtern Abend an unſerm Zug hier bei Goſſenſaß, ſo wär' die Hechingen ſchon kommen, aber 's iſt ihr halt nicht geheuer geweſen, nachher in dem reparirten Wagen, wiſſen's, und ſo bin ich dablieben. Ach, was hab' ich erlebt; was hab' ich erlebt! Mein Herz hat geſchlagen, mehr als das Ihrige, Frau Selma, bei Ihrem erſten Rendez-vous! Es iſt zwar ſchon lang' her, aber vielleicht gedenkt's Ihnen doch noch! Alſo ich bin vom Regen in die Traufen hereinkommen. Wiſſen's, ich hab' die Reiſe hierher gemacht mit einer ſcharmanten Bekanntſchaft von mir, Nize heißt er oder ſo was und iſt ein Landrath, ein grober Kerl,
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Lebewohl und fahre meinem Sterne nach! Wohin er
mich wohl ſchließlich führt? Ich bin begierig! Ob
nach München? Oder nach Bethlehem? D. O.
Baronin Hechingen an Frau Selma Corrodi.
Goſſenſaß, 22. April.
Ja, was ſagen Sie nur, liebſte ſchönſte Frau
Selma, daß zu Ihrer Viſit ſtatt der dicken Hechingen
in Perſon nur e Brieferl von ihr kommt! Gelt, Sie
werden mich ſchön ausrichten! Die alte Ratſchen,
werden Sie ſagen, wann man's emal braucht, um ſo
e leidige Kaffeeviſit e biſſerl aufzumuntern, da kommt
ſie nit! Ja, wenn die Ax' nit brochen wär', geſtern
Abend an unſerm Zug hier bei Goſſenſaß, ſo wär'
die Hechingen ſchon kommen, aber 's iſt ihr halt
nicht geheuer geweſen, nachher in dem reparirten
Wagen, wiſſen's, und ſo bin ich dablieben. Ach, was
hab' ich erlebt; was hab' ich erlebt! Mein Herz hat
geſchlagen, mehr als das Ihrige, Frau Selma, bei
Ihrem erſten Rendez-vous! Es iſt zwar ſchon lang'
her, aber vielleicht gedenkt's Ihnen doch noch! Alſo
ich bin vom Regen in die Traufen hereinkommen.
Wiſſen's, ich hab' die Reiſe hierher gemacht mit einer
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oder ſo was und iſt ein Landrath, ein grober Kerl,
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/269>, abgerufen am 22.02.2025.
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