Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

4 Instrumente und 4 Spieler dazu zusammen zu bringen. Daß es aber vortrefflich gearbeitet sey, läßt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stimmen sehen.

III. Orgelsachen.

Das Pedal ist ein wesentliches Stück der Orgel; durch dieses allein wird sie über alle andere Instrumente erhoben, indem das Prachtvolle, Große und Majestätische derselben davon abhängt. Ohne Pedal ist dieses große Instrument nicht mehr groß, sondern nähert sich den kleinen Positiven, die in den Augen des Kenners keinen Werth haben. Aber die große, mit dem Pedal versehene Orgel muß so behandelt werden, daß ihr Umfang erschöpft wird, das heißt: der Spieler und Componist muß alles von ihr fordern, was sie leisten kann. Noch Niemand hat dieß mehr gethan, als J. S. Bach, nicht bloß durch seine reiche, dem Instrumente angemessene Melodie und Harmonie, sondern auch dadurch, daß er dem Pedal seine eigene Stimme gab. Dieß that er schon in seinen frühern Compositionen. Er wurde aber dieser Art von Behandlung des Pedals erst mit der Zeit recht mächtig, so daß seine ganz vollendeten Meisterstücke hierin ebenfalls erst in den Zeitpunct fallen, in welchem seine Clavierarbeiten anfingen, Meisterwerke zu werden. Seiner Vorarbeiten, durch welche er zu diesem Ziel gelangen mußte, sind eine große Menge in der Welt verbreitet. Sobald ein Künstler anfängt, sich auszuzeichnen, will jedermann etwas von ihm besitzen. Ehe er aber seine Laufbahn ganz vollenden kann, ist die Neugierde des Publicum's gewöhnlich schon gestillt, besonders wenn er sich durch ungewöhnliche Vervollkommnung von den Begriffen desselben allzusehr entfernt. Dieß scheint mit Bach der Fall gewesen zu seyn. Daher kommt es, daß gerade seine vollendetsten Werke weit weniger verbreitet sind, als seine frühern Vorübungen. Da diese letztern auf keine Weise in einer kritischcorrecten Ausgabe seiner Werke aufgenommen werden können, so verzeichne ich auch hier nur diejenigen Werke, welchen eine solche Aufnahme gebührt, so wie ich in den vorhergehenden Artikeln gethan habe.

Die besten Orgelcompositionen Joh. Seb. Bachs theilen sich demnach in drey Classen, in welchen enthalten sind:

1) Große Präludien und Fugen mit obligatem Pedal. Die Anzahl derselben läßt sich nicht genau bestimmen; doch glaube ich, daß sie nicht über ein Dutzend steigen wird.

4 Instrumente und 4 Spieler dazu zusammen zu bringen. Daß es aber vortrefflich gearbeitet sey, läßt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stimmen sehen.

III. Orgelsachen.

Das Pedal ist ein wesentliches Stück der Orgel; durch dieses allein wird sie über alle andere Instrumente erhoben, indem das Prachtvolle, Große und Majestätische derselben davon abhängt. Ohne Pedal ist dieses große Instrument nicht mehr groß, sondern nähert sich den kleinen Positiven, die in den Augen des Kenners keinen Werth haben. Aber die große, mit dem Pedal versehene Orgel muß so behandelt werden, daß ihr Umfang erschöpft wird, das heißt: der Spieler und Componist muß alles von ihr fordern, was sie leisten kann. Noch Niemand hat dieß mehr gethan, als J. S. Bach, nicht bloß durch seine reiche, dem Instrumente angemessene Melodie und Harmonie, sondern auch dadurch, daß er dem Pedal seine eigene Stimme gab. Dieß that er schon in seinen frühern Compositionen. Er wurde aber dieser Art von Behandlung des Pedals erst mit der Zeit recht mächtig, so daß seine ganz vollendeten Meisterstücke hierin ebenfalls erst in den Zeitpunct fallen, in welchem seine Clavierarbeiten anfingen, Meisterwerke zu werden. Seiner Vorarbeiten, durch welche er zu diesem Ziel gelangen mußte, sind eine große Menge in der Welt verbreitet. Sobald ein Künstler anfängt, sich auszuzeichnen, will jedermann etwas von ihm besitzen. Ehe er aber seine Laufbahn ganz vollenden kann, ist die Neugierde des Publicum's gewöhnlich schon gestillt, besonders wenn er sich durch ungewöhnliche Vervollkommnung von den Begriffen desselben allzusehr entfernt. Dieß scheint mit Bach der Fall gewesen zu seyn. Daher kommt es, daß gerade seine vollendetsten Werke weit weniger verbreitet sind, als seine frühern Vorübungen. Da diese letztern auf keine Weise in einer kritischcorrecten Ausgabe seiner Werke aufgenommen werden können, so verzeichne ich auch hier nur diejenigen Werke, welchen eine solche Aufnahme gebührt, so wie ich in den vorhergehenden Artikeln gethan habe.

Die besten Orgelcompositionen Joh. Seb. Bachs theilen sich demnach in drey Classen, in welchen enthalten sind:

1) Große Präludien und Fugen mit obligatem Pedal. Die Anzahl derselben läßt sich nicht genau bestimmen; doch glaube ich, daß sie nicht über ein Dutzend steigen wird.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="59"/>
4 Instrumente und 4 Spieler dazu zusammen zu bringen. Daß es aber vortrefflich gearbeitet sey, läßt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stimmen sehen.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">III. Orgelsachen</hi>.</head><lb/>
          <p>Das Pedal ist ein wesentliches Stück der Orgel; durch dieses allein wird sie über alle andere Instrumente erhoben, indem das Prachtvolle, Große und Majestätische derselben davon abhängt. Ohne Pedal ist dieses große Instrument nicht mehr groß, sondern nähert sich den kleinen Positiven, die in den Augen des Kenners keinen Werth haben. Aber die große, mit dem Pedal versehene Orgel muß so behandelt werden, daß ihr Umfang erschöpft wird, das heißt: der Spieler und Componist muß alles von ihr fordern, was sie leisten kann. Noch Niemand hat dieß mehr gethan, als <hi rendition="#g">J. S. Bach</hi>, nicht bloß durch seine reiche, dem Instrumente angemessene Melodie und Harmonie, sondern auch dadurch, daß er dem Pedal seine eigene Stimme gab. Dieß that er schon in seinen frühern Compositionen. Er wurde aber dieser Art von Behandlung des Pedals erst mit der Zeit recht mächtig, so daß seine ganz vollendeten Meisterstücke hierin ebenfalls erst in den Zeitpunct fallen, in welchem seine Clavierarbeiten anfingen, Meisterwerke zu werden. Seiner Vorarbeiten, durch welche er zu diesem Ziel gelangen mußte, sind eine große Menge in der Welt verbreitet. Sobald ein Künstler anfängt, sich auszuzeichnen, will jedermann etwas von ihm besitzen. Ehe er aber seine Laufbahn ganz vollenden kann, ist die Neugierde des Publicum's gewöhnlich schon gestillt, besonders wenn er sich durch ungewöhnliche Vervollkommnung von den Begriffen desselben allzusehr entfernt. Dieß scheint mit Bach der Fall gewesen zu seyn. Daher kommt es, daß gerade seine vollendetsten Werke weit weniger verbreitet sind, als seine frühern Vorübungen. Da diese letztern auf keine Weise in einer kritischcorrecten Ausgabe seiner Werke aufgenommen werden können, so verzeichne ich auch hier nur diejenigen Werke, welchen eine solche Aufnahme gebührt, so wie ich in den vorhergehenden Artikeln gethan habe.</p>
          <p>Die besten Orgelcompositionen <hi rendition="#g">Joh. Seb. Bachs</hi> theilen sich demnach in drey Classen, in welchen enthalten sind:</p>
          <p>1) Große Präludien und Fugen mit obligatem Pedal. Die Anzahl derselben läßt sich nicht genau bestimmen; doch glaube ich, daß sie nicht über ein Dutzend steigen wird.
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0069] 4 Instrumente und 4 Spieler dazu zusammen zu bringen. Daß es aber vortrefflich gearbeitet sey, läßt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stimmen sehen. III. Orgelsachen. Das Pedal ist ein wesentliches Stück der Orgel; durch dieses allein wird sie über alle andere Instrumente erhoben, indem das Prachtvolle, Große und Majestätische derselben davon abhängt. Ohne Pedal ist dieses große Instrument nicht mehr groß, sondern nähert sich den kleinen Positiven, die in den Augen des Kenners keinen Werth haben. Aber die große, mit dem Pedal versehene Orgel muß so behandelt werden, daß ihr Umfang erschöpft wird, das heißt: der Spieler und Componist muß alles von ihr fordern, was sie leisten kann. Noch Niemand hat dieß mehr gethan, als J. S. Bach, nicht bloß durch seine reiche, dem Instrumente angemessene Melodie und Harmonie, sondern auch dadurch, daß er dem Pedal seine eigene Stimme gab. Dieß that er schon in seinen frühern Compositionen. Er wurde aber dieser Art von Behandlung des Pedals erst mit der Zeit recht mächtig, so daß seine ganz vollendeten Meisterstücke hierin ebenfalls erst in den Zeitpunct fallen, in welchem seine Clavierarbeiten anfingen, Meisterwerke zu werden. Seiner Vorarbeiten, durch welche er zu diesem Ziel gelangen mußte, sind eine große Menge in der Welt verbreitet. Sobald ein Künstler anfängt, sich auszuzeichnen, will jedermann etwas von ihm besitzen. Ehe er aber seine Laufbahn ganz vollenden kann, ist die Neugierde des Publicum's gewöhnlich schon gestillt, besonders wenn er sich durch ungewöhnliche Vervollkommnung von den Begriffen desselben allzusehr entfernt. Dieß scheint mit Bach der Fall gewesen zu seyn. Daher kommt es, daß gerade seine vollendetsten Werke weit weniger verbreitet sind, als seine frühern Vorübungen. Da diese letztern auf keine Weise in einer kritischcorrecten Ausgabe seiner Werke aufgenommen werden können, so verzeichne ich auch hier nur diejenigen Werke, welchen eine solche Aufnahme gebührt, so wie ich in den vorhergehenden Artikeln gethan habe. Die besten Orgelcompositionen Joh. Seb. Bachs theilen sich demnach in drey Classen, in welchen enthalten sind: 1) Große Präludien und Fugen mit obligatem Pedal. Die Anzahl derselben läßt sich nicht genau bestimmen; doch glaube ich, daß sie nicht über ein Dutzend steigen wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-04T13:34:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T13:34:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T13:34:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/69
Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/69>, abgerufen am 22.12.2024.