Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.I. Wenn es je eine Familie gegeben hat, in welcher eine ausgezeichnete Anlage zu einer und eben derselben Kunst gleichsam erblich zu seyn schien, so war es gewiß die Bachische. Durch sechs Generationen hindurch haben sich kaum zwey oder drey Glieder derselben gefunden, die nicht die Gabe eines vorzüglichen Talents zur Musik von der Natur erhalten hatten, und die Ausübung dieser Kunst zu der Hauptbeschäftigung ihres Lebens machten. Der Stammvater dieser in musikalischer Hinsicht so merkwürdig gewordenen Familie hieß Veit Bach. Er war ein Bäcker zu Presburg in Ungarn. Beym Ausbruch der Religions-Unruhen im sechszehnten Jahrhundert wurde er aber genöthigt, sich einen andern Wohnort aufzusuchen. Er rettete von seinem Vermögen, was er konnte, und zog damit nach Thüringen, wo er Ruhe und Sicherheit zu finden hoffte. Der Ort, an welchem er sich in dieser Gegend niederließ, ist Wechmar, ein nahe bey Gotha liegendes Dorf. Er fing hier bald an, sich wieder mit seiner Bäcker-Profession zu beschäftigen, vergnügte sich aber nebenher bey müßigen Stunden sehr gerne mit der Cyther, die er sogar mit in die Mühle nahm, und während dem Mahlen unter allem Getöse und Geklapper der Mühle darauf spielte. Diese Neigung zur Musik pflanzte er auf seine beyden Söhne, diese wieder auf die ihrigen fort, bis nach und nach eine sehr ausgebreitete Familie entstand, die in allen ihren Zweigen nicht nur musikalisch war, sondern auch ihr Hauptgeschäft aus der Musik machte, und bald die meisten Cantor-, Organisten- und Stadtmusikanten-Stellen der Thüringischen Gegenden in ihrem Besitz hatte. Alle diese Bache können unmöglich große Meister gewesen seyn; jedoch zeichneten sich in jeder Generation wenigstens einige Glieder vorzüglich aus. Dieß thaten schon im ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts drey Enkel des Stammvaters so merklich, I. Wenn es je eine Familie gegeben hat, in welcher eine ausgezeichnete Anlage zu einer und eben derselben Kunst gleichsam erblich zu seyn schien, so war es gewiß die Bachische. Durch sechs Generationen hindurch haben sich kaum zwey oder drey Glieder derselben gefunden, die nicht die Gabe eines vorzüglichen Talents zur Musik von der Natur erhalten hatten, und die Ausübung dieser Kunst zu der Hauptbeschäftigung ihres Lebens machten. Der Stammvater dieser in musikalischer Hinsicht so merkwürdig gewordenen Familie hieß Veit Bach. Er war ein Bäcker zu Presburg in Ungarn. Beym Ausbruch der Religions-Unruhen im sechszehnten Jahrhundert wurde er aber genöthigt, sich einen andern Wohnort aufzusuchen. Er rettete von seinem Vermögen, was er konnte, und zog damit nach Thüringen, wo er Ruhe und Sicherheit zu finden hoffte. Der Ort, an welchem er sich in dieser Gegend niederließ, ist Wechmar, ein nahe bey Gotha liegendes Dorf. Er fing hier bald an, sich wieder mit seiner Bäcker-Profession zu beschäftigen, vergnügte sich aber nebenher bey müßigen Stunden sehr gerne mit der Cyther, die er sogar mit in die Mühle nahm, und während dem Mahlen unter allem Getöse und Geklapper der Mühle darauf spielte. Diese Neigung zur Musik pflanzte er auf seine beyden Söhne, diese wieder auf die ihrigen fort, bis nach und nach eine sehr ausgebreitete Familie entstand, die in allen ihren Zweigen nicht nur musikalisch war, sondern auch ihr Hauptgeschäft aus der Musik machte, und bald die meisten Cantor-, Organisten- und Stadtmusikanten-Stellen der Thüringischen Gegenden in ihrem Besitz hatte. Alle diese Bache können unmöglich große Meister gewesen seyn; jedoch zeichneten sich in jeder Generation wenigstens einige Glieder vorzüglich aus. 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Diese Neigung zur Musik pflanzte er auf seine beyden Söhne, diese wieder auf die ihrigen fort, bis nach und nach eine sehr ausgebreitete Familie entstand, die in allen ihren Zweigen nicht nur musikalisch war, sondern auch ihr Hauptgeschäft aus der Musik machte, und bald die meisten Cantor-, Organisten- und Stadtmusikanten-Stellen der Thüringischen Gegenden in ihrem Besitz hatte.</p> <p>Alle diese Bache können unmöglich große Meister gewesen seyn; jedoch zeichneten sich in jeder Generation wenigstens einige Glieder vorzüglich aus. Dieß thaten schon im ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts drey Enkel des Stammvaters so merklich, </p> </div> </body> </text> </TEI> [1/0011]
I.
Wenn es je eine Familie gegeben hat, in welcher eine ausgezeichnete Anlage zu einer und eben derselben Kunst gleichsam erblich zu seyn schien, so war es gewiß die Bachische. Durch sechs Generationen hindurch haben sich kaum zwey oder drey Glieder derselben gefunden, die nicht die Gabe eines vorzüglichen Talents zur Musik von der Natur erhalten hatten, und die Ausübung dieser Kunst zu der Hauptbeschäftigung ihres Lebens machten.
Der Stammvater dieser in musikalischer Hinsicht so merkwürdig gewordenen Familie hieß Veit Bach. Er war ein Bäcker zu Presburg in Ungarn. Beym Ausbruch der Religions-Unruhen im sechszehnten Jahrhundert wurde er aber genöthigt, sich einen andern Wohnort aufzusuchen. Er rettete von seinem Vermögen, was er konnte, und zog damit nach Thüringen, wo er Ruhe und Sicherheit zu finden hoffte. Der Ort, an welchem er sich in dieser Gegend niederließ, ist Wechmar, ein nahe bey Gotha liegendes Dorf. Er fing hier bald an, sich wieder mit seiner Bäcker-Profession zu beschäftigen, vergnügte sich aber nebenher bey müßigen Stunden sehr gerne mit der Cyther, die er sogar mit in die Mühle nahm, und während dem Mahlen unter allem Getöse und Geklapper der Mühle darauf spielte. Diese Neigung zur Musik pflanzte er auf seine beyden Söhne, diese wieder auf die ihrigen fort, bis nach und nach eine sehr ausgebreitete Familie entstand, die in allen ihren Zweigen nicht nur musikalisch war, sondern auch ihr Hauptgeschäft aus der Musik machte, und bald die meisten Cantor-, Organisten- und Stadtmusikanten-Stellen der Thüringischen Gegenden in ihrem Besitz hatte.
Alle diese Bache können unmöglich große Meister gewesen seyn; jedoch zeichneten sich in jeder Generation wenigstens einige Glieder vorzüglich aus. Dieß thaten schon im ersten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts drey Enkel des Stammvaters so merklich,
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