Die Jung'sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den "18. März" erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, - damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel - und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten.
Erstes Kapitel.
Der achtzehnte März.
Die Jung’sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den „18. März“ erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, – damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel – und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten.
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Erstes Kapitel.
Der achtzehnte März.
Die Jung’sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den „18. März“ erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, – damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel – und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten.
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Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/582>, abgerufen am 03.03.2025.
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