Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898.Erstes Kapitel. Der achtzehnte März. Die Jung'sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den "18. März" erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, - damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel - und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten. Erstes Kapitel. Der achtzehnte März. Die Jung’sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den „18. März“ erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, – damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel – und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0582" n="573"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Erstes Kapitel.</hi> </hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c #g">Der achtzehnte März.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Die Jung’sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den „18. März“ erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, – damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel – und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen <choice><sic>Lente</sic><corr>Leute</corr></choice> gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [573/0582]
Erstes Kapitel.
Der achtzehnte März.
Die Jung’sche Apotheke, Ecke der Neuen Königs- und Georgenkirchstraße, darin ich den „18. März“ erleben sollte, war ein glänzend fundiertes Geschäft, aber von vorstädtischem Charakter, so daß das Publikum vorwiegend aus mittlerer Kaufmannschaft und kleineren Handwerkern bestand. Dazu viel Proletariat mit vielen Kindern. Für letztere wurde seitens der Armenärzte meist Leberthran verschrieben, – damals, vielleicht auch jetzt noch, ein bevorzugtes Heilmittel – und ich habe, während meiner ganzen pharmazeutischen Laufbahn, nicht halb so viel Leberthran in Flaschen gefüllt, wie dort innerhalb weniger Monate. Dieser Massenkonsum erklärt sich dadurch, daß die durch Freimedizin bevorzugten armen Leute gar nicht daran dachten, diesen Leberthran ihren mehr oder weniger verskrofelten Kindern einzutrichtern, sondern ihn gut wirtschaftlich als Lampenbrennmaterial benutzten.
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(2018-07-25T10:02:20Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T10:02:20Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von Zwanzig bis Dreißig. Autobiographisches. Hrsg. von der Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Universität Göttingen. Bandbearbeiter: Wolfgang Rasch. Berlin 2014 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das autobiographische Werk, Bd. 3]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).
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