schaft verlangt vom einzelnen ein gewisses Aufgehen in den Ton, der eben herrscht, und wo dies Aufgehen ausbleibt, wo der berühmte - hier freilich nur drei Mitglieder zählende - "Staat im Staate" sich bildet, da kann von Einleben oder gar Intimität keine Rede sein. Ich komme darauf zurück.
Franz Kugler.
Franz Kugler, geboren 1808, war in seinen Tunneltagen erst ein angehender Vierziger. Warum wir ihn trotzdem den "alten Kugler" nannten, weiß ich nicht recht, denn stattlich, grad aufrecht, von blühender Gesichtsfarbe, war der Eindruck, den er machte, eher jugendlich. Vielleicht war sein Sokrateskopf Schuld, daß wir ihn an Jahren ohne weiteres erhöhten. Er hatte sehr früh Karriere gemacht und war zu der Zeit, von der ich hier spreche, schon vortragender Rat im Kultusministerium, wenn ich nicht irre als Nachfolger von Eichendorff. Immer artig, immer maßvoll, immer die Tragweite seiner Worte wägend, kam in seinem Wesen etwas spezifisch Geheimrätliches, etwa altfränkisches Goethisches zum Ausdruck, das dem Tunnelton widersprach und um so mehr Bedenken wachrief, als, der Altadligen ganz zu geschweigen, auch die verschiedentlich vorhandenen Minister- und Oberpräsidentensöhne -
schaft verlangt vom einzelnen ein gewisses Aufgehen in den Ton, der eben herrscht, und wo dies Aufgehen ausbleibt, wo der berühmte – hier freilich nur drei Mitglieder zählende – „Staat im Staate“ sich bildet, da kann von Einleben oder gar Intimität keine Rede sein. Ich komme darauf zurück.
Franz Kugler.
Franz Kugler, geboren 1808, war in seinen Tunneltagen erst ein angehender Vierziger. Warum wir ihn trotzdem den „alten Kugler“ nannten, weiß ich nicht recht, denn stattlich, grad aufrecht, von blühender Gesichtsfarbe, war der Eindruck, den er machte, eher jugendlich. Vielleicht war sein Sokrateskopf Schuld, daß wir ihn an Jahren ohne weiteres erhöhten. Er hatte sehr früh Karriere gemacht und war zu der Zeit, von der ich hier spreche, schon vortragender Rat im Kultusministerium, wenn ich nicht irre als Nachfolger von Eichendorff. Immer artig, immer maßvoll, immer die Tragweite seiner Worte wägend, kam in seinem Wesen etwas spezifisch Geheimrätliches, etwa altfränkisches Goethisches zum Ausdruck, das dem Tunnelton widersprach und um so mehr Bedenken wachrief, als, der Altadligen ganz zu geschweigen, auch die verschiedentlich vorhandenen Minister- und Oberpräsidentensöhne –
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0301"n="292"/>
schaft verlangt vom einzelnen ein gewisses Aufgehen in den Ton, der eben herrscht, und wo dies Aufgehen ausbleibt, wo der berühmte – hier freilich nur drei Mitglieder zählende –„Staat im Staate“ sich bildet, da kann von Einleben oder gar Intimität keine Rede sein. Ich komme darauf zurück.</p><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b #c">Franz Kugler.</hi></head><p><hirendition="#g">Franz Kugler</hi>, geboren 1808, war in seinen Tunneltagen erst ein angehender Vierziger. Warum wir ihn trotzdem den „alten Kugler“ nannten, weiß ich nicht recht, denn stattlich, grad aufrecht, von blühender Gesichtsfarbe, war der Eindruck, den er machte, eher jugendlich. Vielleicht war sein Sokrateskopf Schuld, daß wir ihn an Jahren ohne weiteres erhöhten. Er hatte sehr früh Karriere gemacht und war zu der Zeit, von der ich hier spreche, schon vortragender Rat im Kultusministerium, wenn ich nicht irre als Nachfolger von Eichendorff. Immer artig, immer maßvoll, immer die Tragweite seiner Worte wägend, kam in seinem Wesen etwas spezifisch Geheimrätliches, etwa altfränkisches Goethisches zum Ausdruck, das dem Tunnelton widersprach und um so mehr Bedenken wachrief, als, der Altadligen ganz zu geschweigen, auch die verschiedentlich vorhandenen Minister- und Oberpräsidentensöhne –<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[292/0301]
schaft verlangt vom einzelnen ein gewisses Aufgehen in den Ton, der eben herrscht, und wo dies Aufgehen ausbleibt, wo der berühmte – hier freilich nur drei Mitglieder zählende – „Staat im Staate“ sich bildet, da kann von Einleben oder gar Intimität keine Rede sein. Ich komme darauf zurück.
Franz Kugler.Franz Kugler, geboren 1808, war in seinen Tunneltagen erst ein angehender Vierziger. Warum wir ihn trotzdem den „alten Kugler“ nannten, weiß ich nicht recht, denn stattlich, grad aufrecht, von blühender Gesichtsfarbe, war der Eindruck, den er machte, eher jugendlich. Vielleicht war sein Sokrateskopf Schuld, daß wir ihn an Jahren ohne weiteres erhöhten. Er hatte sehr früh Karriere gemacht und war zu der Zeit, von der ich hier spreche, schon vortragender Rat im Kultusministerium, wenn ich nicht irre als Nachfolger von Eichendorff. Immer artig, immer maßvoll, immer die Tragweite seiner Worte wägend, kam in seinem Wesen etwas spezifisch Geheimrätliches, etwa altfränkisches Goethisches zum Ausdruck, das dem Tunnelton widersprach und um so mehr Bedenken wachrief, als, der Altadligen ganz zu geschweigen, auch die verschiedentlich vorhandenen Minister- und Oberpräsidentensöhne –
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fontane, Theodor: Von Zwanzig bis Dreißig. 1. Aufl. Berlin, 1898, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_zwanzig_1898/301>, abgerufen am 04.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.