Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.VII. Westbow; Graßmarket; ein paar Kapitel aus der Lynch-Justiz. Wir kommen von Canongate, steigen Highstreet hinan und haben Edinburg-Castle in nächster Nähe vor uns. Die letzte Querstraße, die sich, wenig Hundert Schritt von Edinburg-Castle entfernt, nach links hin abschwenkt, heißt West-Bow. Sie war früher länger und hatte fast die Form eines lateinischen S. Neubauten aber haben ihr Kopf und Füße genommen und nur ein gebogenes Mittelstück übrig gelassen. Das gegenwärtige West-Bow besteht kaum aus einem Dutzend Häuser an jeder Seite, wer aber Alt-Edinburg studiren will, der ist hier am rechten Platze. Die Häuser stammen noch aus einer Zeit, wo man das Holz als Baumaterial nicht verschmähte und die vier Steinwände mit Erkern und Giebeln, mit Treppen und Corridoren, wie mit allerhand phantastischem Schnitzwerk umhing. Diese Erker und Giebelchen, die auf den Dächern sitzen, die oft wunderlichen hölzernen Vorbauten, die weit in die Straße hineinragen, mögen diesen Häusern mal ein buntes, heitres VII. Westbow; Graßmarket; ein paar Kapitel aus der Lynch-Justiz. Wir kommen von Canongate, steigen Highstreet hinan und haben Edinburg-Castle in nächster Nähe vor uns. Die letzte Querstraße, die sich, wenig Hundert Schritt von Edinburg-Castle entfernt, nach links hin abschwenkt, heißt West-Bow. Sie war früher länger und hatte fast die Form eines lateinischen S. Neubauten aber haben ihr Kopf und Füße genommen und nur ein gebogenes Mittelstück übrig gelassen. Das gegenwärtige West-Bow besteht kaum aus einem Dutzend Häuser an jeder Seite, wer aber Alt-Edinburg studiren will, der ist hier am rechten Platze. Die Häuser stammen noch aus einer Zeit, wo man das Holz als Baumaterial nicht verschmähte und die vier Steinwände mit Erkern und Giebeln, mit Treppen und Corridoren, wie mit allerhand phantastischem Schnitzwerk umhing. Diese Erker und Giebelchen, die auf den Dächern sitzen, die oft wunderlichen hölzernen Vorbauten, die weit in die Straße hineinragen, mögen diesen Häusern mal ein buntes, heitres <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0099" n="85"/> <div> <head><hi rendition="#aq">VII</hi>.<lb/><hi rendition="#b">Westbow; Graßmarket; ein paar Kapitel aus<lb/> der Lynch-Justiz.</hi></head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Wir kommen von Canongate, steigen Highstreet hinan und haben Edinburg-Castle in nächster Nähe vor uns. Die letzte Querstraße, die sich, wenig Hundert Schritt von Edinburg-Castle entfernt, nach links hin abschwenkt, heißt <hi rendition="#g">West-Bow</hi>. Sie war früher länger und hatte fast die Form eines lateinischen <hi rendition="#aq">S.</hi> Neubauten aber haben ihr Kopf und Füße genommen und nur ein gebogenes Mittelstück übrig gelassen. Das gegenwärtige West-Bow besteht kaum aus einem Dutzend Häuser an jeder Seite, wer aber Alt-Edinburg studiren will, der ist hier am rechten Platze. Die Häuser stammen noch aus einer Zeit, wo man das Holz als Baumaterial nicht verschmähte und die vier Steinwände mit Erkern und Giebeln, mit Treppen und Corridoren, wie mit allerhand phantastischem Schnitzwerk umhing. Diese Erker und Giebelchen, die auf den Dächern sitzen, die oft wunderlichen hölzernen Vorbauten, die weit in die Straße hineinragen, mögen diesen Häusern mal ein buntes, heitres<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0099]
VII.
Westbow; Graßmarket; ein paar Kapitel aus
der Lynch-Justiz.
Wir kommen von Canongate, steigen Highstreet hinan und haben Edinburg-Castle in nächster Nähe vor uns. Die letzte Querstraße, die sich, wenig Hundert Schritt von Edinburg-Castle entfernt, nach links hin abschwenkt, heißt West-Bow. Sie war früher länger und hatte fast die Form eines lateinischen S. Neubauten aber haben ihr Kopf und Füße genommen und nur ein gebogenes Mittelstück übrig gelassen. Das gegenwärtige West-Bow besteht kaum aus einem Dutzend Häuser an jeder Seite, wer aber Alt-Edinburg studiren will, der ist hier am rechten Platze. Die Häuser stammen noch aus einer Zeit, wo man das Holz als Baumaterial nicht verschmähte und die vier Steinwände mit Erkern und Giebeln, mit Treppen und Corridoren, wie mit allerhand phantastischem Schnitzwerk umhing. Diese Erker und Giebelchen, die auf den Dächern sitzen, die oft wunderlichen hölzernen Vorbauten, die weit in die Straße hineinragen, mögen diesen Häusern mal ein buntes, heitres
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/99>, abgerufen am 03.03.2025. |