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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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von Blumen eingefaßt, eine kleine Fontäne plätscherte.
Rechts daneben lief ein sogenannter Poetensteig, an
dessen Ausgang ein ziemlich hoher, aus allerlei Gebälk
zusammengezimmerter Aussichtsturm aufragte. Ganz
oben eine Plattform mit Fahnenstange, daran die
preußische Flagge wehte, schwarz und weiß, alles schon
ziemlich verschlissen.

Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen an¬
nähen wollen, war aber mit seinem Vorschlag nicht
durchgedrungen. "Laß. Ich bin nicht dafür. Das alte
Schwarz und Weiß hält gerade noch; aber wenn du
was rotes dran nähst, dann reißt es gewiß."

Die Pfeife war ausgegangen, und Dubslav wollte
sich eben von seinem Platz erheben und nach Engelke
rufen, als dieser vom Gartensaal her auf die Veranda
heraustrat.

"Das ist recht, Engelke, daß du kommst ...
Aber du hast da ja was wie 'n Telegramm in der
Hand. Ich kann Telegramms nicht leiden. Immer is
einer dod, oder es kommt wer, der besser zu Hause
geblieben wäre."

Engelke griente. "Der junge Herr kommt."

"Und das weißt du schon?"

"Ja, Brose hat es mir gesagt."

"So, so. Dienstgeheimnis. Na, gieb her."

Und unter diesen Worten brach er das Telegramm
auf und las: "Lieber Papa. Bin sechs Uhr bei dir.
Rex und von Czako begleiten mich. Dein Woldemar."

Engelke stand und wartete.

"Ja, was da thun, Engelke?" sagte Dubslav und
drehte das Telegramm hin und her. "Und aus Cremmen
und von heute früh," fuhr er fort. "Da müssen sie
also die Nacht über schon in Cremmen gewesen sein. Auch
kein Spaß."

"Aber Cremmen is doch so weit ganz gut."

von Blumen eingefaßt, eine kleine Fontäne plätſcherte.
Rechts daneben lief ein ſogenannter Poetenſteig, an
deſſen Ausgang ein ziemlich hoher, aus allerlei Gebälk
zuſammengezimmerter Ausſichtsturm aufragte. Ganz
oben eine Plattform mit Fahnenſtange, daran die
preußiſche Flagge wehte, ſchwarz und weiß, alles ſchon
ziemlich verſchliſſen.

Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen an¬
nähen wollen, war aber mit ſeinem Vorſchlag nicht
durchgedrungen. „Laß. Ich bin nicht dafür. Das alte
Schwarz und Weiß hält gerade noch; aber wenn du
was rotes dran nähſt, dann reißt es gewiß.“

Die Pfeife war ausgegangen, und Dubslav wollte
ſich eben von ſeinem Platz erheben und nach Engelke
rufen, als dieſer vom Gartenſaal her auf die Veranda
heraustrat.

„Das iſt recht, Engelke, daß du kommſt ...
Aber du haſt da ja was wie 'n Telegramm in der
Hand. Ich kann Telegramms nicht leiden. Immer is
einer dod, oder es kommt wer, der beſſer zu Hauſe
geblieben wäre.“

Engelke griente. „Der junge Herr kommt.“

„Und das weißt du ſchon?“

„Ja, Broſe hat es mir geſagt.“

„So, ſo. Dienſtgeheimnis. Na, gieb her.“

Und unter dieſen Worten brach er das Telegramm
auf und las: „Lieber Papa. Bin ſechs Uhr bei dir.
Rex und von Czako begleiten mich. Dein Woldemar.“

Engelke ſtand und wartete.

„Ja, was da thun, Engelke?“ ſagte Dubslav und
drehte das Telegramm hin und her. „Und aus Cremmen
und von heute früh,“ fuhr er fort. „Da müſſen ſie
alſo die Nacht über ſchon in Cremmen geweſen ſein. Auch
kein Spaß.“

„Aber Cremmen is doch ſo weit ganz gut.“

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[13/0020] von Blumen eingefaßt, eine kleine Fontäne plätſcherte. Rechts daneben lief ein ſogenannter Poetenſteig, an deſſen Ausgang ein ziemlich hoher, aus allerlei Gebälk zuſammengezimmerter Ausſichtsturm aufragte. Ganz oben eine Plattform mit Fahnenſtange, daran die preußiſche Flagge wehte, ſchwarz und weiß, alles ſchon ziemlich verſchliſſen. Engelke hatte vor kurzem einen roten Streifen an¬ nähen wollen, war aber mit ſeinem Vorſchlag nicht durchgedrungen. „Laß. Ich bin nicht dafür. Das alte Schwarz und Weiß hält gerade noch; aber wenn du was rotes dran nähſt, dann reißt es gewiß.“ Die Pfeife war ausgegangen, und Dubslav wollte ſich eben von ſeinem Platz erheben und nach Engelke rufen, als dieſer vom Gartenſaal her auf die Veranda heraustrat. „Das iſt recht, Engelke, daß du kommſt ... Aber du haſt da ja was wie 'n Telegramm in der Hand. Ich kann Telegramms nicht leiden. Immer is einer dod, oder es kommt wer, der beſſer zu Hauſe geblieben wäre.“ Engelke griente. „Der junge Herr kommt.“ „Und das weißt du ſchon?“ „Ja, Broſe hat es mir geſagt.“ „So, ſo. Dienſtgeheimnis. Na, gieb her.“ Und unter dieſen Worten brach er das Telegramm auf und las: „Lieber Papa. Bin ſechs Uhr bei dir. Rex und von Czako begleiten mich. Dein Woldemar.“ Engelke ſtand und wartete. „Ja, was da thun, Engelke?“ ſagte Dubslav und drehte das Telegramm hin und her. „Und aus Cremmen und von heute früh,“ fuhr er fort. „Da müſſen ſie alſo die Nacht über ſchon in Cremmen geweſen ſein. Auch kein Spaß.“ „Aber Cremmen is doch ſo weit ganz gut.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/20>, abgerufen am 26.04.2024.