Es war so, wie die Tante geschrieben: Dubslav hatte sich als konservativen Kandidaten aufstellen lassen, und wenn für Woldemar noch Zweifel darüber gewesen wären, so hätten einige am Tage darauf von Lorenzen eintreffende Zeilen diese Zweifel beseitigt. Es hieß in Lorenzens Brief:
"Seit deinem letzten Besuch hat sich hier allerlei Großes zugetragen. Noch am selben Abend erschienen Gundermann und Koseleger und drangen in deinen Vater, zu kandidieren. Er lehnte zunächst natürlich ab; er sei weltfremd und verstehe nichts davon. Aber damit kam er nicht weit. Koseleger, der -- was ihm auch später noch von Nutzen sein wird -- immer ein paar Anekdoten auf der Pfanne hat, erzählte ihm sofort, daß vor Jahren schon, als ein von Bismarck zum Finanz¬ minister Ausersehener sich in gleicher Weise mit einem ,Ich verstehe nichts davon', aus der Affaire ziehen wollte, der bismarckisch-prompten Antwort begegnet sei: ,Darum wähle ich Sie ja gerade, mein Lieber,' -- eine Geschichte, der dein Vater natürlich nicht widerstehen konnte. Kurzum, er hat eingewilligt. Von Herumreisen ist selbstverständlich Abstand genommen worden, ebenso vom Redenhalten. Schon nächsten Sonnabend haben wir Wahl. In Rheinsberg, wie immer, fallen die Würfel. Ich glaube, daß er siegt. Nur die Fortschrittler können
Fontane, Der Stechlin. 14
Siebzehntes Kapitel.
Es war ſo, wie die Tante geſchrieben: Dubslav hatte ſich als konſervativen Kandidaten aufſtellen laſſen, und wenn für Woldemar noch Zweifel darüber geweſen wären, ſo hätten einige am Tage darauf von Lorenzen eintreffende Zeilen dieſe Zweifel beſeitigt. Es hieß in Lorenzens Brief:
„Seit deinem letzten Beſuch hat ſich hier allerlei Großes zugetragen. Noch am ſelben Abend erſchienen Gundermann und Koſeleger und drangen in deinen Vater, zu kandidieren. Er lehnte zunächſt natürlich ab; er ſei weltfremd und verſtehe nichts davon. Aber damit kam er nicht weit. Koſeleger, der — was ihm auch ſpäter noch von Nutzen ſein wird — immer ein paar Anekdoten auf der Pfanne hat, erzählte ihm ſofort, daß vor Jahren ſchon, als ein von Bismarck zum Finanz¬ miniſter Auserſehener ſich in gleicher Weiſe mit einem ,Ich verſtehe nichts davon‘, aus der Affaire ziehen wollte, der bismarckiſch-prompten Antwort begegnet ſei: ,Darum wähle ich Sie ja gerade, mein Lieber,‘ — eine Geſchichte, der dein Vater natürlich nicht widerſtehen konnte. Kurzum, er hat eingewilligt. Von Herumreiſen iſt ſelbſtverſtändlich Abſtand genommen worden, ebenſo vom Redenhalten. Schon nächſten Sonnabend haben wir Wahl. In Rheinsberg, wie immer, fallen die Würfel. Ich glaube, daß er ſiegt. Nur die Fortſchrittler können
Fontane, Der Stechlin. 14
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Siebzehntes Kapitel.
Es war ſo, wie die Tante geſchrieben: Dubslav
hatte ſich als konſervativen Kandidaten aufſtellen laſſen,
und wenn für Woldemar noch Zweifel darüber geweſen
wären, ſo hätten einige am Tage darauf von Lorenzen
eintreffende Zeilen dieſe Zweifel beſeitigt. Es hieß in
Lorenzens Brief:
„Seit deinem letzten Beſuch hat ſich hier allerlei
Großes zugetragen. Noch am ſelben Abend erſchienen
Gundermann und Koſeleger und drangen in deinen Vater,
zu kandidieren. Er lehnte zunächſt natürlich ab; er ſei
weltfremd und verſtehe nichts davon. Aber damit kam
er nicht weit. Koſeleger, der — was ihm auch ſpäter
noch von Nutzen ſein wird — immer ein paar Anekdoten
auf der Pfanne hat, erzählte ihm ſofort, daß vor
Jahren ſchon, als ein von Bismarck zum Finanz¬
miniſter Auserſehener ſich in gleicher Weiſe mit einem
,Ich verſtehe nichts davon‘, aus der Affaire ziehen
wollte, der bismarckiſch-prompten Antwort begegnet ſei:
,Darum wähle ich Sie ja gerade, mein Lieber,‘ — eine
Geſchichte, der dein Vater natürlich nicht widerſtehen
konnte. Kurzum, er hat eingewilligt. Von Herumreiſen
iſt ſelbſtverſtändlich Abſtand genommen worden, ebenſo
vom Redenhalten. Schon nächſten Sonnabend haben wir
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [209]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/216>, abgerufen am 19.11.2024.
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