Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Es war im Hochsommer, als ich in Beantwortung eines an einen gutsbesitzenden Freund gerichteten Briefes folgende Zeilen empfing: "Insleben a. Harz, den 20. Juli. Lieber Freund! Es freut sich alles hier, Dich wieder zu sehen, am meisten meine Frau, die nun mal von den großstädtischen Neigungen und Gewohnheiten nicht lassen kann. Du wirst auf der Veranda die herkömmlichen Dreistunden-Gespräche mit ihr führen und neben Litteratur und Theater vielleicht auch die kirchliche Controverse mit bekannter Unparteilichkeit beleuchten. Aber sei nicht zu gerecht. Frauen sind für Parteinahme, versteht sich, wenn es ihrer Partei zu gute kommt. Um diese Plaudereien, so denk' ich mir, wirst Du nicht herum kommen, auch kaum herum kommen wollen, wenn Du nicht inzwischen ein anderer geworden bist. Im übrigen, und dies ist die Haupt- Es war im Hochsommer, als ich in Beantwortung eines an einen gutsbesitzenden Freund gerichteten Briefes folgende Zeilen empfing: „Insleben a. Harz, den 20. Juli. Lieber Freund! Es freut sich alles hier, Dich wieder zu sehen, am meisten meine Frau, die nun mal von den großstädtischen Neigungen und Gewohnheiten nicht lassen kann. Du wirst auf der Veranda die herkömmlichen Dreistunden-Gespräche mit ihr führen und neben Litteratur und Theater vielleicht auch die kirchliche Controverse mit bekannter Unparteilichkeit beleuchten. Aber sei nicht zu gerecht. Frauen sind für Parteinahme, versteht sich, wenn es ihrer Partei zu gute kommt. Um diese Plaudereien, so denk’ ich mir, wirst Du nicht herum kommen, auch kaum herum kommen wollen, wenn Du nicht inzwischen ein anderer geworden bist. Im übrigen, und dies ist die Haupt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="83"/> <p>Es war im Hochsommer, als ich in Beantwortung eines an einen gutsbesitzenden Freund gerichteten Briefes folgende Zeilen empfing:</p><lb/> <floatingText> <body> <div n="1" type="letter"> <opener> <dateline> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#right">„<hi rendition="#g">Insleben</hi> a. Harz, den 20. Juli.</hi> </hi> </dateline> </opener><lb/> <p>Lieber Freund! Es freut sich alles hier, Dich wieder zu sehen, am meisten meine Frau, die nun mal von den großstädtischen Neigungen und Gewohnheiten nicht lassen kann. Du wirst auf der Veranda die herkömmlichen Dreistunden-Gespräche mit ihr führen und neben Litteratur und Theater vielleicht auch die kirchliche Controverse mit bekannter Unparteilichkeit beleuchten. Aber sei nicht zu gerecht. Frauen sind für Parteinahme, versteht sich, wenn es ihrer Partei zu gute kommt. Um diese Plaudereien, so denk’ ich mir, wirst Du nicht herum kommen, auch kaum herum kommen <hi rendition="#g">wollen</hi>, wenn Du nicht inzwischen ein anderer geworden bist. Im übrigen, und dies ist die Haupt- </p> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [83/0085]
Es war im Hochsommer, als ich in Beantwortung eines an einen gutsbesitzenden Freund gerichteten Briefes folgende Zeilen empfing:
„Insleben a. Harz, den 20. Juli.
Lieber Freund! Es freut sich alles hier, Dich wieder zu sehen, am meisten meine Frau, die nun mal von den großstädtischen Neigungen und Gewohnheiten nicht lassen kann. Du wirst auf der Veranda die herkömmlichen Dreistunden-Gespräche mit ihr führen und neben Litteratur und Theater vielleicht auch die kirchliche Controverse mit bekannter Unparteilichkeit beleuchten. Aber sei nicht zu gerecht. Frauen sind für Parteinahme, versteht sich, wenn es ihrer Partei zu gute kommt. Um diese Plaudereien, so denk’ ich mir, wirst Du nicht herum kommen, auch kaum herum kommen wollen, wenn Du nicht inzwischen ein anderer geworden bist. Im übrigen, und dies ist die Haupt-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/85>, abgerufen am 03.03.2025. |