An dem Schnittpunkte von Kurfürstendamm und Kurfürstenstraße, schräg gegenüber dem "Zoolo¬ gischen", befand sich in der Mitte der 70er Jahre noch eine große, feldeinwärts sich erstreckende Gärtnerei, deren kleines, dreifenstriges, in einem Vorgärtchen um etwa hundert Schritte zurückgelegenes Wohn¬ haus, trotz aller Kleinheit und Zurückgezogenheit, von der vorübergehenden Straße her sehr wohl erkannt werden konnte. Was aber sonst noch zu dem Ge¬ sammtgewese der Gärtnerei gehörte, ja die recht eigentliche Hauptsache derselben ausmachte, war durch eben dies kleine Wohnhaus wie durch eine Kulisse versteckt und nur ein roth und grün gestrichenes Holzthürmchen mit einem halb weggebrochenen Ziffer¬ blatt unter der Thurmspitze (von Uhr selbst keine Rede) ließ vermuthen, daß hinter dieser Kulisse noch etwas anderes verborgen sein müsse, welche Ver¬ muthung denn auch in einer von Zeit zu Zeit auf¬ steigenden, das Thürmchen umschwärmenden Tauben¬
Fontane, Irrungen. 1
Erſtes Kapitel.
An dem Schnittpunkte von Kurfürſtendamm und Kurfürſtenſtraße, ſchräg gegenüber dem „Zoolo¬ giſchen“, befand ſich in der Mitte der 70er Jahre noch eine große, feldeinwärts ſich erſtreckende Gärtnerei, deren kleines, dreifenſtriges, in einem Vorgärtchen um etwa hundert Schritte zurückgelegenes Wohn¬ haus, trotz aller Kleinheit und Zurückgezogenheit, von der vorübergehenden Straße her ſehr wohl erkannt werden konnte. Was aber ſonſt noch zu dem Ge¬ ſammtgeweſe der Gärtnerei gehörte, ja die recht eigentliche Hauptſache derſelben ausmachte, war durch eben dies kleine Wohnhaus wie durch eine Kuliſſe verſteckt und nur ein roth und grün geſtrichenes Holzthürmchen mit einem halb weggebrochenen Ziffer¬ blatt unter der Thurmſpitze (von Uhr ſelbſt keine Rede) ließ vermuthen, daß hinter dieſer Kuliſſe noch etwas anderes verborgen ſein müſſe, welche Ver¬ muthung denn auch in einer von Zeit zu Zeit auf¬ ſteigenden, das Thürmchen umſchwärmenden Tauben¬
Fontane, Irrungen. 1
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[[1]/0011]
Erſtes Kapitel.
An dem Schnittpunkte von Kurfürſtendamm
und Kurfürſtenſtraße, ſchräg gegenüber dem „Zoolo¬
giſchen“, befand ſich in der Mitte der 70er Jahre
noch eine große, feldeinwärts ſich erſtreckende Gärtnerei,
deren kleines, dreifenſtriges, in einem Vorgärtchen
um etwa hundert Schritte zurückgelegenes Wohn¬
haus, trotz aller Kleinheit und Zurückgezogenheit, von
der vorübergehenden Straße her ſehr wohl erkannt
werden konnte. Was aber ſonſt noch zu dem Ge¬
ſammtgeweſe der Gärtnerei gehörte, ja die recht
eigentliche Hauptſache derſelben ausmachte, war durch
eben dies kleine Wohnhaus wie durch eine Kuliſſe
verſteckt und nur ein roth und grün geſtrichenes
Holzthürmchen mit einem halb weggebrochenen Ziffer¬
blatt unter der Thurmſpitze (von Uhr ſelbſt keine
Rede) ließ vermuthen, daß hinter dieſer Kuliſſe noch
etwas anderes verborgen ſein müſſe, welche Ver¬
muthung denn auch in einer von Zeit zu Zeit auf¬
ſteigenden, das Thürmchen umſchwärmenden Tauben¬
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/11>, abgerufen am 21.11.2024.
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