"Na, denn tauschen wir. Ich hab es gern, wenn er mir so prall aufs Deckbett scheint."
4. Blossin.
In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter- schiede, daß wir statt um die Nordspitze des Schermützel um seine Südspitze herum fuhren.
Es waren dieselben Bilder, und Wagen und Gespräche mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigste, weil Moll ein Mittel angab, wie diesem Urfeinde der Menschheit bei- zukommen sei. Man müsse sich nämlich alle Morgen beim Waschen erst die Hände trocknen und dann das Gesicht; das sei probat und er wenigstens habe seitdem Ruhe.
Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden Hauptstädte dieser Gegenden, und fuhren eine Stunde später um den großen Wolziger See herum, an dessen Westufer ich in einiger Entfernung unser eigentliches Reiseziel erkannte: Dorf Blossin.
Dieses, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders- dorf ist, ist doch nichtsdestoweniger als der Punkt im Beeskow- Storkowschen anzusehn, dem der Ruhm einer eminent historischen Oertlichkeit in erster Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte Fehde des Nickel Minckwitz ihren Ursprung nahm, ein Fehde, die mit der derselben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas eine gewisse Verwandtschaft hat.
Ich schildre nunmehr diese Minckwitz-Fehde nach den Auf- zeichnungen Wohlbrücks und Engels.
„Na, denn tauſchen wir. Ich hab es gern, wenn er mir ſo prall aufs Deckbett ſcheint.“
4. Bloſſin.
In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter- ſchiede, daß wir ſtatt um die Nordſpitze des Schermützel um ſeine Südſpitze herum fuhren.
Es waren dieſelben Bilder, und Wagen und Geſpräche mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigſte, weil Moll ein Mittel angab, wie dieſem Urfeinde der Menſchheit bei- zukommen ſei. Man müſſe ſich nämlich alle Morgen beim Waſchen erſt die Hände trocknen und dann das Geſicht; das ſei probat und er wenigſtens habe ſeitdem Ruhe.
Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden Hauptſtädte dieſer Gegenden, und fuhren eine Stunde ſpäter um den großen Wolziger See herum, an deſſen Weſtufer ich in einiger Entfernung unſer eigentliches Reiſeziel erkannte: Dorf Bloſſin.
Dieſes, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders- dorf iſt, iſt doch nichtsdeſtoweniger als der Punkt im Beeskow- Storkowſchen anzuſehn, dem der Ruhm einer eminent hiſtoriſchen Oertlichkeit in erſter Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte Fehde des Nickel Minckwitz ihren Urſprung nahm, ein Fehde, die mit der derſelben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas eine gewiſſe Verwandtſchaft hat.
Ich ſchildre nunmehr dieſe Minckwitz-Fehde nach den Auf- zeichnungen Wohlbrücks und Engels.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0059"n="43"/><p>„Na, denn tauſchen wir. Ich hab es gern, wenn er mir ſo<lb/>
prall aufs Deckbett ſcheint.“</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>4.<lb/><hirendition="#g">Bloſſin</hi>.</head><lb/><p>In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom<lb/>
Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter-<lb/>ſchiede, daß wir ſtatt um die Nordſpitze des Schermützel um ſeine<lb/>
Südſpitze herum fuhren.</p><lb/><p>Es waren dieſelben Bilder, und Wagen und Geſpräche<lb/>
mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der<lb/>
letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigſte, weil<lb/>
Moll ein Mittel angab, wie dieſem Urfeinde der Menſchheit bei-<lb/>
zukommen ſei. Man müſſe ſich nämlich alle Morgen beim<lb/>
Waſchen <hirendition="#g">erſt</hi> die Hände trocknen und <hirendition="#g">dann</hi> das Geſicht; das ſei<lb/>
probat und <hirendition="#g">er</hi> wenigſtens habe ſeitdem Ruhe.</p><lb/><p>Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden<lb/>
Hauptſtädte dieſer Gegenden, und fuhren eine Stunde ſpäter um<lb/>
den großen Wolziger See herum, an deſſen Weſtufer ich in<lb/>
einiger Entfernung unſer eigentliches Reiſeziel erkannte: Dorf<lb/><hirendition="#g">Bloſſin</hi>.</p><lb/><p>Dieſes, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders-<lb/>
dorf iſt, iſt doch nichtsdeſtoweniger als <hirendition="#g">der</hi> Punkt im Beeskow-<lb/>
Storkowſchen anzuſehn, dem der Ruhm einer eminent hiſtoriſchen<lb/>
Oertlichkeit in erſter Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich<lb/>
die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte<lb/>
Fehde des <hirendition="#g">Nickel Minckwitz</hi> ihren Urſprung nahm, ein Fehde,<lb/>
die mit der derſelben Epoche zugehörigen des <hirendition="#g">Michel Kohlhaas</hi><lb/>
eine gewiſſe Verwandtſchaft hat.</p><lb/><p>Ich ſchildre nunmehr dieſe Minckwitz-Fehde nach den Auf-<lb/>
zeichnungen Wohlbrücks und Engels.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[43/0059]
„Na, denn tauſchen wir. Ich hab es gern, wenn er mir ſo
prall aufs Deckbett ſcheint.“
4.
Bloſſin.
In aller Frühe brachen wir auf und machten den Weg vom
Tage vorher wieder zurück, einzig und allein mit dem Unter-
ſchiede, daß wir ſtatt um die Nordſpitze des Schermützel um ſeine
Südſpitze herum fuhren.
Es waren dieſelben Bilder, und Wagen und Geſpräche
mahlten ruhig und unverändert weiter. Aus der Reihe der
letztern war eins über Zahnweh unbedingt das wichtigſte, weil
Moll ein Mittel angab, wie dieſem Urfeinde der Menſchheit bei-
zukommen ſei. Man müſſe ſich nämlich alle Morgen beim
Waſchen erſt die Hände trocknen und dann das Geſicht; das ſei
probat und er wenigſtens habe ſeitdem Ruhe.
Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der beiden
Hauptſtädte dieſer Gegenden, und fuhren eine Stunde ſpäter um
den großen Wolziger See herum, an deſſen Weſtufer ich in
einiger Entfernung unſer eigentliches Reiſeziel erkannte: Dorf
Bloſſin.
Dieſes, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu Frieders-
dorf iſt, iſt doch nichtsdeſtoweniger als der Punkt im Beeskow-
Storkowſchen anzuſehn, dem der Ruhm einer eminent hiſtoriſchen
Oertlichkeit in erſter Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich
die Queiße, von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte
Fehde des Nickel Minckwitz ihren Urſprung nahm, ein Fehde,
die mit der derſelben Epoche zugehörigen des Michel Kohlhaas
eine gewiſſe Verwandtſchaft hat.
Ich ſchildre nunmehr dieſe Minckwitz-Fehde nach den Auf-
zeichnungen Wohlbrücks und Engels.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/59>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.