Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Brettern geschnitten und ein Theil derselben für seinen Sarg bei
Seite gelegt werde. Lächelnd gab er diese Weisung und er durft'
es wie Wenige, denn er sah auf das Ende der Dinge mit jener
Ruhe, die nur das gute Gewissen giebt. Und wie von seltner
Integrität des Charakters, so war er auch von seltner Reinheit
der Sitten und von noch seltnerem Edelmuth. Ein Beispiel für
viele. Bei Kauf und Uebernahme von Groeben war ein armes
Fräulein, das der Vorbesitzer als Erbin eingesetzt hatte, leer aus-
gegangen. Es waren eben, wie hervorgehoben, nur Schulden da.
Den Grafen rührte das harte Loos der Armen, und er gab ihr
aus freien Stücken 6000 Thaler als ein Geschenk, was in jener
geldarmen Zeit als eine große Summe gelten konnte.

Dazu war er heiter und humoristisch. Als die Brennerei,
zu der man sich um besserer Gutserträge willen endlich hatte be-
quemen müssen, unter Dach und Fach war, erhielt sie die Ber-
liner Bibliothek-Inschrift: Nutrimentum Spiritus.

Und diese gute Laune zeigte sich ganz besonders auch, als er
in seine letzte Krankheit eintrat. Es fehlte selbstverständlich nicht
an Aufforderungen, es, ärztlicher Behandlung halber, mit einem
Berliner Aufenthalte versuchen zu wollen, aber er antwortete blos:
"Ihr wißt ja, ich bin für Groeben bestimmt; ich war es im
Leben und will es auch im Tode sein".

Und er hatte Recht gesprochen. Eine Woche später und
Meister Schreiner hobelte schon die Lindenbretter, wie's Graf Leo
gewollt, und am 27. Juli 1851 stand sein Sarg an derselben
Stelle, wo damals, als die große Kutsche von Groß-Beeren her
zurückgeschwankt war, seine Wiege gestanden hatte.

Viele Freunde kamen, und sie begruben ihn auf dem Groe-
bener Kirchhof und gaben dem Platz ein Gitter. Eine Stelle da-
neben aber ließen sie leer: eine Ruhestätte für seine Wittwe.


Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb. v. Ryssel.

Diese Wittwe war Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb.
v. Ryssel. An sie ging jetzt Groeben über, in dem ihr noch, durch
volle sieben Jahre hin, ein segensreiches Wirken gestattet war.

Brettern geſchnitten und ein Theil derſelben für ſeinen Sarg bei
Seite gelegt werde. Lächelnd gab er dieſe Weiſung und er durft
es wie Wenige, denn er ſah auf das Ende der Dinge mit jener
Ruhe, die nur das gute Gewiſſen giebt. Und wie von ſeltner
Integrität des Charakters, ſo war er auch von ſeltner Reinheit
der Sitten und von noch ſeltnerem Edelmuth. Ein Beiſpiel für
viele. Bei Kauf und Uebernahme von Groeben war ein armes
Fräulein, das der Vorbeſitzer als Erbin eingeſetzt hatte, leer aus-
gegangen. Es waren eben, wie hervorgehoben, nur Schulden da.
Den Grafen rührte das harte Loos der Armen, und er gab ihr
aus freien Stücken 6000 Thaler als ein Geſchenk, was in jener
geldarmen Zeit als eine große Summe gelten konnte.

Dazu war er heiter und humoriſtiſch. Als die Brennerei,
zu der man ſich um beſſerer Gutserträge willen endlich hatte be-
quemen müſſen, unter Dach und Fach war, erhielt ſie die Ber-
liner Bibliothek-Inſchrift: Nutrimentum Spiritus.

Und dieſe gute Laune zeigte ſich ganz beſonders auch, als er
in ſeine letzte Krankheit eintrat. Es fehlte ſelbſtverſtändlich nicht
an Aufforderungen, es, ärztlicher Behandlung halber, mit einem
Berliner Aufenthalte verſuchen zu wollen, aber er antwortete blos:
„Ihr wißt ja, ich bin für Groeben beſtimmt; ich war es im
Leben und will es auch im Tode ſein“.

Und er hatte Recht geſprochen. Eine Woche ſpäter und
Meiſter Schreiner hobelte ſchon die Lindenbretter, wie’s Graf Leo
gewollt, und am 27. Juli 1851 ſtand ſein Sarg an derſelben
Stelle, wo damals, als die große Kutſche von Groß-Beeren her
zurückgeſchwankt war, ſeine Wiege geſtanden hatte.

Viele Freunde kamen, und ſie begruben ihn auf dem Groe-
bener Kirchhof und gaben dem Platz ein Gitter. Eine Stelle da-
neben aber ließen ſie leer: eine Ruheſtätte für ſeine Wittwe.


Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb. v. Ryſſel.

Dieſe Wittwe war Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb.
v. Ryſſel. An ſie ging jetzt Groeben über, in dem ihr noch, durch
volle ſieben Jahre hin, ein ſegensreiches Wirken geſtattet war.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0396" n="380"/>
Brettern ge&#x017F;chnitten und ein Theil der&#x017F;elben für &#x017F;einen Sarg bei<lb/>
Seite gelegt werde. Lächelnd gab er die&#x017F;e Wei&#x017F;ung und er <hi rendition="#g">durft</hi>&#x2019;<lb/>
es wie Wenige, denn er &#x017F;ah auf das Ende der Dinge mit jener<lb/>
Ruhe, die nur das gute Gewi&#x017F;&#x017F;en giebt. Und wie von &#x017F;eltner<lb/>
Integrität des Charakters, &#x017F;o war er auch von &#x017F;eltner Reinheit<lb/>
der Sitten und von noch &#x017F;eltnerem Edelmuth. <hi rendition="#g">Ein</hi> Bei&#x017F;piel für<lb/>
viele. Bei Kauf und Uebernahme von Groeben war ein armes<lb/>
Fräulein, das der Vorbe&#x017F;itzer als Erbin einge&#x017F;etzt hatte, leer aus-<lb/>
gegangen. Es waren eben, wie hervorgehoben, nur Schulden da.<lb/>
Den Grafen rührte das harte Loos der Armen, und er gab ihr<lb/>
aus freien Stücken 6000 Thaler als ein Ge&#x017F;chenk, was in jener<lb/>
geldarmen Zeit als eine große Summe gelten konnte.</p><lb/>
              <p>Dazu war er heiter und humori&#x017F;ti&#x017F;ch. Als die Brennerei,<lb/>
zu der man &#x017F;ich um be&#x017F;&#x017F;erer Gutserträge willen endlich hatte be-<lb/>
quemen mü&#x017F;&#x017F;en, unter Dach und Fach war, erhielt &#x017F;ie die Ber-<lb/>
liner Bibliothek-In&#x017F;chrift: <hi rendition="#aq">Nutrimentum Spiritus.</hi></p><lb/>
              <p>Und die&#x017F;e gute Laune zeigte &#x017F;ich ganz be&#x017F;onders auch, als er<lb/>
in &#x017F;eine letzte Krankheit eintrat. Es fehlte &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich nicht<lb/>
an Aufforderungen, es, ärztlicher Behandlung halber, mit einem<lb/>
Berliner Aufenthalte ver&#x017F;uchen zu wollen, aber er antwortete blos:<lb/>
&#x201E;Ihr wißt ja, <hi rendition="#g">ich bin für Groeben be&#x017F;timmt;</hi> ich war es im<lb/>
Leben und will es auch im Tode &#x017F;ein&#x201C;.</p><lb/>
              <p>Und er hatte Recht ge&#x017F;prochen. Eine Woche &#x017F;päter und<lb/>
Mei&#x017F;ter Schreiner hobelte &#x017F;chon die Lindenbretter, wie&#x2019;s Graf Leo<lb/>
gewollt, und am 27. Juli 1851 &#x017F;tand &#x017F;ein Sarg an der&#x017F;elben<lb/>
Stelle, wo damals, als die große Kut&#x017F;che von Groß-Beeren her<lb/>
zurückge&#x017F;chwankt war, &#x017F;eine Wiege ge&#x017F;tanden hatte.</p><lb/>
              <p>Viele Freunde kamen, und &#x017F;ie begruben ihn auf dem Groe-<lb/>
bener Kirchhof und gaben dem Platz ein Gitter. Eine Stelle da-<lb/>
neben aber ließen &#x017F;ie leer: eine Ruhe&#x017F;tätte für &#x017F;eine Wittwe.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb. v. Ry&#x017F;&#x017F;el.</hi> </head><lb/>
              <p>Die&#x017F;e Wittwe war Gräfin <hi rendition="#g">Emilie</hi> v. Schlabrendorf geb.<lb/>
v. Ry&#x017F;&#x017F;el. An &#x017F;ie ging jetzt Groeben über, in dem ihr noch, durch<lb/>
volle &#x017F;ieben Jahre hin, ein &#x017F;egensreiches Wirken ge&#x017F;tattet war.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0396] Brettern geſchnitten und ein Theil derſelben für ſeinen Sarg bei Seite gelegt werde. Lächelnd gab er dieſe Weiſung und er durft’ es wie Wenige, denn er ſah auf das Ende der Dinge mit jener Ruhe, die nur das gute Gewiſſen giebt. Und wie von ſeltner Integrität des Charakters, ſo war er auch von ſeltner Reinheit der Sitten und von noch ſeltnerem Edelmuth. Ein Beiſpiel für viele. Bei Kauf und Uebernahme von Groeben war ein armes Fräulein, das der Vorbeſitzer als Erbin eingeſetzt hatte, leer aus- gegangen. Es waren eben, wie hervorgehoben, nur Schulden da. Den Grafen rührte das harte Loos der Armen, und er gab ihr aus freien Stücken 6000 Thaler als ein Geſchenk, was in jener geldarmen Zeit als eine große Summe gelten konnte. Dazu war er heiter und humoriſtiſch. Als die Brennerei, zu der man ſich um beſſerer Gutserträge willen endlich hatte be- quemen müſſen, unter Dach und Fach war, erhielt ſie die Ber- liner Bibliothek-Inſchrift: Nutrimentum Spiritus. Und dieſe gute Laune zeigte ſich ganz beſonders auch, als er in ſeine letzte Krankheit eintrat. Es fehlte ſelbſtverſtändlich nicht an Aufforderungen, es, ärztlicher Behandlung halber, mit einem Berliner Aufenthalte verſuchen zu wollen, aber er antwortete blos: „Ihr wißt ja, ich bin für Groeben beſtimmt; ich war es im Leben und will es auch im Tode ſein“. Und er hatte Recht geſprochen. Eine Woche ſpäter und Meiſter Schreiner hobelte ſchon die Lindenbretter, wie’s Graf Leo gewollt, und am 27. Juli 1851 ſtand ſein Sarg an derſelben Stelle, wo damals, als die große Kutſche von Groß-Beeren her zurückgeſchwankt war, ſeine Wiege geſtanden hatte. Viele Freunde kamen, und ſie begruben ihn auf dem Groe- bener Kirchhof und gaben dem Platz ein Gitter. Eine Stelle da- neben aber ließen ſie leer: eine Ruheſtätte für ſeine Wittwe. Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb. v. Ryſſel. Dieſe Wittwe war Gräfin Emilie v. Schlabrendorf geb. v. Ryſſel. An ſie ging jetzt Groeben über, in dem ihr noch, durch volle ſieben Jahre hin, ein ſegensreiches Wirken geſtattet war.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/396
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/396>, abgerufen am 30.12.2024.