Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

väter und zwei Stiefſchwiegerväter hatte, alſo ſechs Väter im
Ganzen. Es war, als ob Alles was lebte, ſich einen Zuſtand der
Eheloſigkeit nicht wohl denken konnte. Man hielt das Trauerjahr
und war in aller Aufrichtigkeit ein tief betrübter Wittwer oder
eine „hochbetrübteſte Wittwe.“ Aber ſobald die Trauerkleider fielen,
gehörte man wieder dem Leben; das Blut, das voll zum Herzen
drang, forderte ſein Recht. Das ſinnliche Leben überwog noch das
geiſtige, und die Welt feinen Empfindens war noch wenig er-
ſchloſſen. Aber freilich auch die Irrwege nicht, zu denen die Fein-
heit der Empfindung ſo leicht verführt.

Wie von unſerem tapferen Obriſten ſelbſt, ſo findet ſich auch
von ſeiner betrübten Gattin ein Bildwerk im Anbau der Kirche
vor, aber kein Grabdenkmal, nichts von Senſenmann und Sarko-
phag, ſondern ihr Oelporträt in ganzer Figur, friſch, blühend,
voll. Es iſt ein durchaus intereſſantes Bild, einmal als künſtleriſche
Leiſtung überhaupt, ungleich mehr aber durch die ingeniöſe Art,
wie der Maler es verſtanden hat, die drei Ehemänner der noch
ſtattlichen Frau halb huldigend halb decorativ zu verwenden. Wie
Macbeth in der bekannten Hexenkeſſel-Scene die Könige Schottlands
an ſich vorüber ziehen ſieht und zwar ſo, daß die der Zeit nach
am weiteſten von ihm entfernten immer kleiner und blaſſer wer-
den, ſo hier die drei Ehemänner. Den noch lebenden hält ſie als
Medaillonporträt mit dem Ausdruck ruhigen Beſitzes feſt in ihrer
Rechten; der zweite, noch klar erkennbar, zieht ſich bereits in den
Hintergrund des Bildes zurück; unſer Freund der Oberſt aber,
deſſen ganze Schuld darin beſtand, einige 20 Jahre vor Entſtehung
dieſes Bildes den Heldentod geſtorben zu ſein, verliert ſich völlig
in nebelhafter Ferne und wirkt nur noch mit um das Enſemble
und die ſymmetriſche Anordnung des Ganzen nicht zu ſtören.
Möglich, daß ſolche Bilder öfter ſich vorfinden, mir war es das
erſte der Art.

Der alte Theil der Kirche. Johann v. Loeben und Frau
v. Burgsdorf
.

Der Anbau weiſt noch manches andere von Bildwerken und
Denkmälern auf, wir treten aber von dem Bildniß der ſtattlichen

Fontane, Wanderungen. IV. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/209
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/209>, abgerufen am 22.02.2025.