schwerer Schritt, den sie jetzt thun muß, die Sache vor der Welt zu braviren.
November 87. Julie hat den Namen einer Gräfin In- genheim bekommen.
Sie war nun Gräfin Ingenheim. Aber es war dadurch wenig für sie gewonnen, trotzdem man sie, dem Könige zu Liebe, mit Auszeichnungen überschüttete. Bitterkeiten gingen nebenher. "Die Arme schreibt mir: sie fühle sich sehr unglücklich. Die Enke thut ihr tausend Herzleid an und hat denselben Einfluß wie früher auf den König."
December 87. Julie ist unwohl und kann das Bett nicht verlassen, die Prinzessin Friederike und die Prinzessin von Braun- schweig haben mit dem König in ihrem Zimmer an ihrem Bett gegessen. Das ist doch stark! --
1788.
Januar 88. Ball beim König, wo der Kronprinz Julie zum ersten Mal als Gräfin Ingenheim sah, was für Beide ein sehr unangenehmer Augenblick war. Die Unglückliche, welche peinliche Stellung für sie. -- Alle Höfe (es gaben deren, außer dem eigentlichen, wenigstens noch vier: den der alten Königin, der regierenden Königin, des Prinzen Heinrich, des Prinzen Ferdinand) sehen sie. Sie ist überall. Ich begreife das nicht.
Februar 88. Die alte Königin hatte großes Diner und frug den König, ob sie die Ingenheim einladen solle? Natürlich sagte er ja, und so kam sie zum Diner. Ich find es höchst un- recht von der Königin, sie einzuladen, blos um dem Könige damit zu schmeicheln. Abends aber spielte sie doch nicht Lotto mit den Herrschaften, sondern mit dem Hofstaat im vorderen Zimmer. Bei Tafel wurde sie dem König gegenübergesetzt. -- Die alte Königin lud wieder die Ingenheim ein. Ich finde, sie benimmt sich in dieser Sache so unwürdig und schwach wie nur möglich.
In den letzten Tagen des Jahres (am 21. December 88) heißt es: "Die Ingenheim bat mich sehr, ihr in der nun nahen Stunde beizustehn. Auch der König bat mich den folgenden Tag darum, und ich brachte es nicht übers Herz nein zu sagen."
ſchwerer Schritt, den ſie jetzt thun muß, die Sache vor der Welt zu braviren.
November 87. Julie hat den Namen einer Gräfin In- genheim bekommen.
Sie war nun Gräfin Ingenheim. Aber es war dadurch wenig für ſie gewonnen, trotzdem man ſie, dem Könige zu Liebe, mit Auszeichnungen überſchüttete. Bitterkeiten gingen nebenher. „Die Arme ſchreibt mir: ſie fühle ſich ſehr unglücklich. Die Enke thut ihr tauſend Herzleid an und hat denſelben Einfluß wie früher auf den König.“
December 87. Julie iſt unwohl und kann das Bett nicht verlaſſen, die Prinzeſſin Friederike und die Prinzeſſin von Braun- ſchweig haben mit dem König in ihrem Zimmer an ihrem Bett gegeſſen. Das iſt doch ſtark! —
1788.
Januar 88. Ball beim König, wo der Kronprinz Julie zum erſten Mal als Gräfin Ingenheim ſah, was für Beide ein ſehr unangenehmer Augenblick war. Die Unglückliche, welche peinliche Stellung für ſie. — Alle Höfe (es gaben deren, außer dem eigentlichen, wenigſtens noch vier: den der alten Königin, der regierenden Königin, des Prinzen Heinrich, des Prinzen Ferdinand) ſehen ſie. Sie iſt überall. Ich begreife das nicht.
Februar 88. Die alte Königin hatte großes Diner und frug den König, ob ſie die Ingenheim einladen ſolle? Natürlich ſagte er ja, und ſo kam ſie zum Diner. Ich find es höchſt un- recht von der Königin, ſie einzuladen, blos um dem Könige damit zu ſchmeicheln. Abends aber ſpielte ſie doch nicht Lotto mit den Herrſchaften, ſondern mit dem Hofſtaat im vorderen Zimmer. Bei Tafel wurde ſie dem König gegenübergeſetzt. — Die alte Königin lud wieder die Ingenheim ein. Ich finde, ſie benimmt ſich in dieſer Sache ſo unwürdig und ſchwach wie nur möglich.
In den letzten Tagen des Jahres (am 21. December 88) heißt es: „Die Ingenheim bat mich ſehr, ihr in der nun nahen Stunde beizuſtehn. Auch der König bat mich den folgenden Tag darum, und ich brachte es nicht übers Herz nein zu ſagen.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><hirendition="#et"><pbfacs="#f0200"n="184"/>ſchwerer Schritt, den ſie jetzt thun muß, die Sache vor der Welt<lb/>
zu braviren.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">November</hi> 87. Julie hat den Namen einer Gräfin <hirendition="#g">In-<lb/>
genheim</hi> bekommen.</hi></p><lb/><p>Sie war nun Gräfin <hirendition="#g">Ingenheim</hi>. Aber es war dadurch<lb/>
wenig für ſie gewonnen, trotzdem man ſie, dem Könige zu Liebe,<lb/>
mit Auszeichnungen überſchüttete. Bitterkeiten gingen nebenher.<lb/>„Die Arme ſchreibt mir: ſie fühle ſich ſehr unglücklich. Die Enke<lb/>
thut ihr tauſend Herzleid an und hat denſelben Einfluß wie früher<lb/>
auf den König.“</p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">December</hi> 87. Julie iſt unwohl und kann das Bett nicht<lb/>
verlaſſen, die Prinzeſſin Friederike und die Prinzeſſin von Braun-<lb/>ſchweig haben mit dem König in ihrem Zimmer an ihrem Bett<lb/>
gegeſſen. Das iſt doch ſtark! —</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>1788.</head><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Januar</hi> 88. Ball beim König, wo der Kronprinz Julie<lb/>
zum erſten Mal als Gräfin Ingenheim ſah, was für Beide ein<lb/>ſehr unangenehmer Augenblick war. Die Unglückliche, welche<lb/>
peinliche Stellung für ſie. — Alle Höfe (es gaben deren, außer<lb/>
dem eigentlichen, wenigſtens noch vier: den der alten Königin,<lb/>
der regierenden Königin, des Prinzen Heinrich, des Prinzen<lb/>
Ferdinand) ſehen ſie. Sie iſt überall. Ich begreife das nicht.</hi></p><lb/><p><hirendition="#et"><hirendition="#g">Februar</hi> 88. Die alte Königin hatte großes Diner und<lb/>
frug den König, ob ſie die Ingenheim einladen ſolle? Natürlich<lb/>ſagte er ja, und ſo kam ſie zum Diner. Ich find es höchſt un-<lb/>
recht von der Königin, ſie einzuladen, blos um dem Könige<lb/>
damit zu ſchmeicheln. Abends aber ſpielte ſie doch nicht Lotto<lb/>
mit den Herrſchaften, ſondern mit dem Hofſtaat im vorderen<lb/>
Zimmer. Bei Tafel wurde ſie dem König gegenübergeſetzt. —<lb/>
Die alte Königin lud <hirendition="#g">wieder</hi> die Ingenheim ein. Ich finde,<lb/>ſie benimmt ſich in dieſer Sache ſo unwürdig und ſchwach wie<lb/>
nur möglich.</hi></p><lb/><p>In den letzten Tagen des Jahres (am 21. December 88) heißt<lb/>
es: „Die Ingenheim bat mich ſehr, ihr in der nun nahen Stunde<lb/>
beizuſtehn. Auch der König bat mich den folgenden Tag darum,<lb/>
und ich brachte es nicht übers Herz nein zu ſagen.“</p></div><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[184/0200]
ſchwerer Schritt, den ſie jetzt thun muß, die Sache vor der Welt
zu braviren.
November 87. Julie hat den Namen einer Gräfin In-
genheim bekommen.
Sie war nun Gräfin Ingenheim. Aber es war dadurch
wenig für ſie gewonnen, trotzdem man ſie, dem Könige zu Liebe,
mit Auszeichnungen überſchüttete. Bitterkeiten gingen nebenher.
„Die Arme ſchreibt mir: ſie fühle ſich ſehr unglücklich. Die Enke
thut ihr tauſend Herzleid an und hat denſelben Einfluß wie früher
auf den König.“
December 87. Julie iſt unwohl und kann das Bett nicht
verlaſſen, die Prinzeſſin Friederike und die Prinzeſſin von Braun-
ſchweig haben mit dem König in ihrem Zimmer an ihrem Bett
gegeſſen. Das iſt doch ſtark! —
1788.
Januar 88. Ball beim König, wo der Kronprinz Julie
zum erſten Mal als Gräfin Ingenheim ſah, was für Beide ein
ſehr unangenehmer Augenblick war. Die Unglückliche, welche
peinliche Stellung für ſie. — Alle Höfe (es gaben deren, außer
dem eigentlichen, wenigſtens noch vier: den der alten Königin,
der regierenden Königin, des Prinzen Heinrich, des Prinzen
Ferdinand) ſehen ſie. Sie iſt überall. Ich begreife das nicht.
Februar 88. Die alte Königin hatte großes Diner und
frug den König, ob ſie die Ingenheim einladen ſolle? Natürlich
ſagte er ja, und ſo kam ſie zum Diner. Ich find es höchſt un-
recht von der Königin, ſie einzuladen, blos um dem Könige
damit zu ſchmeicheln. Abends aber ſpielte ſie doch nicht Lotto
mit den Herrſchaften, ſondern mit dem Hofſtaat im vorderen
Zimmer. Bei Tafel wurde ſie dem König gegenübergeſetzt. —
Die alte Königin lud wieder die Ingenheim ein. Ich finde,
ſie benimmt ſich in dieſer Sache ſo unwürdig und ſchwach wie
nur möglich.
In den letzten Tagen des Jahres (am 21. December 88) heißt
es: „Die Ingenheim bat mich ſehr, ihr in der nun nahen Stunde
beizuſtehn. Auch der König bat mich den folgenden Tag darum,
und ich brachte es nicht übers Herz nein zu ſagen.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/200>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.