Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

populär, weil er herablassend und wohlwollend war und die Haupt-
sache nicht zu vergessen, ihnen viel zu verdienen gab. Der zahl-
reiche Besuch, der untergebracht werden mußte, schaffte den Bauern
eine gute Einnahme; dazu die Berliner, die Sonntags aus purer
Neugier in Schaaren herbeiströmten.

Ihren Hauptvortheil aber zogen die Bauern aus den vielen
Holz-Fuhren, die sie leisteten, und aus der Stallung, die sie ver-
mietheten. Tag um Tag wurd' ein Haufen Holz im Schloß ver-
brannt, und der königliche Marstall befand sich, gespannweise,
auf den einzelnen Bauerhöfen.


Friedrichsfelde seit 1816.

Am 22. Februar 1815 verließ der sächsische Hof Friedrichs-
felde; ein Jahr später gingen Schloß und Gut in den Besitz von
Carl Sigismund v. Treskow über. Eine ganz neue Zeit brach
jetzt für Friedrichsfelde an: aus dem Lustschloß, das es bis dahin
gewesen war, wurd' ein Gut. Es handelte sich nicht mehr um ein
dolce far niente, das hier ein Jahrhundert lang seine Stätte ge-
habt hatte, sondern um Arbeit, nicht mehr um Zurückgezogenheit
und Stille, sondern um Heraustreten, um Verkehr und Concurrenz.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, insonderheit unter dem gegenwär-
tigen Besitzer (Carl v. Treskow) wuchs die Complicirtheit der Auf-
gabe. Beständige Meliorationen, auch Ankäufe, steigerten den
Werth, was aber vor allem das Gut auf seine jetzige Höhe hob,
das war die Erkenntniß, daß mit Rücksicht einerseits auf die
Bedürfnisse der Hauptstadt, andererseits auf die Betriebs-
Erleichterungen
, die dieselbe gewährt, eine ganz aparte Art
der Wirthschaftsführung eingeleitet werden müsse. Hier galt
es nicht, Lehrbücher zu befragen und Regeln zu befolgen, son-
dern der beständig wechselnden Situation ein neues System
immer neu anzupassen. In irgendwelche Details an dieser Stelle
einzugehen, würde weit über unsere Aufgabe hinausführen, daher
nur so viel, daß Milchwirthschaft und Gartenculturen mehr
und mehr die frühere Felderbestellung zurückdrängten. Der Sieg
des Spargelbeets über das Roggen- und Kartoffelfeld!

So haben Eifer, Wissen, Intelligenz, aus dem Sommerhause

populär, weil er herablaſſend und wohlwollend war und die Haupt-
ſache nicht zu vergeſſen, ihnen viel zu verdienen gab. Der zahl-
reiche Beſuch, der untergebracht werden mußte, ſchaffte den Bauern
eine gute Einnahme; dazu die Berliner, die Sonntags aus purer
Neugier in Schaaren herbeiſtrömten.

Ihren Hauptvortheil aber zogen die Bauern aus den vielen
Holz-Fuhren, die ſie leiſteten, und aus der Stallung, die ſie ver-
mietheten. Tag um Tag wurd’ ein Haufen Holz im Schloß ver-
brannt, und der königliche Marſtall befand ſich, geſpannweiſe,
auf den einzelnen Bauerhöfen.


Friedrichsfelde ſeit 1816.

Am 22. Februar 1815 verließ der ſächſiſche Hof Friedrichs-
felde; ein Jahr ſpäter gingen Schloß und Gut in den Beſitz von
Carl Sigismund v. Treskow über. Eine ganz neue Zeit brach
jetzt für Friedrichsfelde an: aus dem Luſtſchloß, das es bis dahin
geweſen war, wurd’ ein Gut. Es handelte ſich nicht mehr um ein
dolce far niente, das hier ein Jahrhundert lang ſeine Stätte ge-
habt hatte, ſondern um Arbeit, nicht mehr um Zurückgezogenheit
und Stille, ſondern um Heraustreten, um Verkehr und Concurrenz.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, inſonderheit unter dem gegenwär-
tigen Beſitzer (Carl v. Treskow) wuchs die Complicirtheit der Auf-
gabe. Beſtändige Meliorationen, auch Ankäufe, ſteigerten den
Werth, was aber vor allem das Gut auf ſeine jetzige Höhe hob,
das war die Erkenntniß, daß mit Rückſicht einerſeits auf die
Bedürfniſſe der Hauptſtadt, andererſeits auf die Betriebs-
Erleichterungen
, die dieſelbe gewährt, eine ganz aparte Art
der Wirthſchaftsführung eingeleitet werden müſſe. Hier galt
es nicht, Lehrbücher zu befragen und Regeln zu befolgen, ſon-
dern der beſtändig wechſelnden Situation ein neues Syſtem
immer neu anzupaſſen. In irgendwelche Details an dieſer Stelle
einzugehen, würde weit über unſere Aufgabe hinausführen, daher
nur ſo viel, daß Milchwirthſchaft und Gartenculturen mehr
und mehr die frühere Felderbeſtellung zurückdrängten. Der Sieg
des Spargelbeets über das Roggen- und Kartoffelfeld!

So haben Eifer, Wiſſen, Intelligenz, aus dem Sommerhauſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0164" n="148"/>
populär, weil er herabla&#x017F;&#x017F;end und wohlwollend war und die Haupt-<lb/>
&#x017F;ache nicht zu verge&#x017F;&#x017F;en, ihnen viel zu verdienen gab. Der zahl-<lb/>
reiche Be&#x017F;uch, der untergebracht werden mußte, &#x017F;chaffte den Bauern<lb/>
eine gute Einnahme; dazu die Berliner, die Sonntags aus purer<lb/>
Neugier in Schaaren herbei&#x017F;trömten.</p><lb/>
            <p>Ihren Hauptvortheil aber zogen die Bauern aus den vielen<lb/>
Holz-Fuhren, die &#x017F;ie lei&#x017F;teten, und aus der Stallung, die &#x017F;ie ver-<lb/>
mietheten. Tag um Tag wurd&#x2019; ein Haufen Holz im Schloß ver-<lb/>
brannt, und der königliche Mar&#x017F;tall befand &#x017F;ich, ge&#x017F;pannwei&#x017F;e,<lb/>
auf den einzelnen Bauerhöfen.</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Friedrichsfelde &#x017F;eit 1816.</hi> </head><lb/>
            <p>Am 22. Februar 1815 verließ der &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;che Hof Friedrichs-<lb/>
felde; ein Jahr &#x017F;päter gingen Schloß und Gut in den Be&#x017F;itz von<lb/>
Carl Sigismund v. Treskow über. Eine ganz neue Zeit brach<lb/>
jetzt für Friedrichsfelde an: aus dem Lu&#x017F;t&#x017F;chloß, das es bis dahin<lb/>
gewe&#x017F;en war, wurd&#x2019; ein <hi rendition="#g">Gut</hi>. Es handelte &#x017F;ich nicht mehr um ein<lb/><hi rendition="#aq">dolce far niente,</hi> das hier ein Jahrhundert lang &#x017F;eine Stätte ge-<lb/>
habt hatte, &#x017F;ondern um <hi rendition="#g">Arbeit</hi>, nicht mehr um Zurückgezogenheit<lb/>
und Stille, &#x017F;ondern um Heraustreten, um Verkehr und Concurrenz.<lb/>
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, in&#x017F;onderheit unter dem gegenwär-<lb/>
tigen Be&#x017F;itzer (Carl v. Treskow) wuchs die Complicirtheit der Auf-<lb/>
gabe. Be&#x017F;tändige Meliorationen, auch Ankäufe, &#x017F;teigerten den<lb/>
Werth, was aber vor allem das Gut auf &#x017F;eine jetzige Höhe hob,<lb/>
das war die Erkenntniß, daß mit Rück&#x017F;icht einer&#x017F;eits auf die<lb/><hi rendition="#g">Bedürfni&#x017F;&#x017F;e</hi> der Haupt&#x017F;tadt, anderer&#x017F;eits auf die <hi rendition="#g">Betriebs-<lb/>
Erleichterungen</hi>, die die&#x017F;elbe gewährt, eine ganz aparte Art<lb/>
der Wirth&#x017F;chaftsführung eingeleitet werden mü&#x017F;&#x017F;e. Hier galt<lb/>
es nicht, Lehrbücher zu befragen und Regeln zu befolgen, &#x017F;on-<lb/>
dern der be&#x017F;tändig wech&#x017F;elnden Situation ein neues Sy&#x017F;tem<lb/>
immer neu anzupa&#x017F;&#x017F;en. In irgendwelche Details an die&#x017F;er Stelle<lb/>
einzugehen, würde weit über un&#x017F;ere Aufgabe hinausführen, daher<lb/>
nur &#x017F;o viel, daß Milchwirth&#x017F;chaft und <hi rendition="#g">Gartenculturen</hi> mehr<lb/>
und mehr die frühere Felderbe&#x017F;tellung zurückdrängten. Der Sieg<lb/>
des Spargelbeets über das Roggen- und Kartoffelfeld!</p><lb/>
            <p>So haben Eifer, Wi&#x017F;&#x017F;en, Intelligenz, aus dem Sommerhau&#x017F;e<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0164] populär, weil er herablaſſend und wohlwollend war und die Haupt- ſache nicht zu vergeſſen, ihnen viel zu verdienen gab. Der zahl- reiche Beſuch, der untergebracht werden mußte, ſchaffte den Bauern eine gute Einnahme; dazu die Berliner, die Sonntags aus purer Neugier in Schaaren herbeiſtrömten. Ihren Hauptvortheil aber zogen die Bauern aus den vielen Holz-Fuhren, die ſie leiſteten, und aus der Stallung, die ſie ver- mietheten. Tag um Tag wurd’ ein Haufen Holz im Schloß ver- brannt, und der königliche Marſtall befand ſich, geſpannweiſe, auf den einzelnen Bauerhöfen. Friedrichsfelde ſeit 1816. Am 22. Februar 1815 verließ der ſächſiſche Hof Friedrichs- felde; ein Jahr ſpäter gingen Schloß und Gut in den Beſitz von Carl Sigismund v. Treskow über. Eine ganz neue Zeit brach jetzt für Friedrichsfelde an: aus dem Luſtſchloß, das es bis dahin geweſen war, wurd’ ein Gut. Es handelte ſich nicht mehr um ein dolce far niente, das hier ein Jahrhundert lang ſeine Stätte ge- habt hatte, ſondern um Arbeit, nicht mehr um Zurückgezogenheit und Stille, ſondern um Heraustreten, um Verkehr und Concurrenz. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, inſonderheit unter dem gegenwär- tigen Beſitzer (Carl v. Treskow) wuchs die Complicirtheit der Auf- gabe. Beſtändige Meliorationen, auch Ankäufe, ſteigerten den Werth, was aber vor allem das Gut auf ſeine jetzige Höhe hob, das war die Erkenntniß, daß mit Rückſicht einerſeits auf die Bedürfniſſe der Hauptſtadt, andererſeits auf die Betriebs- Erleichterungen, die dieſelbe gewährt, eine ganz aparte Art der Wirthſchaftsführung eingeleitet werden müſſe. Hier galt es nicht, Lehrbücher zu befragen und Regeln zu befolgen, ſon- dern der beſtändig wechſelnden Situation ein neues Syſtem immer neu anzupaſſen. In irgendwelche Details an dieſer Stelle einzugehen, würde weit über unſere Aufgabe hinausführen, daher nur ſo viel, daß Milchwirthſchaft und Gartenculturen mehr und mehr die frühere Felderbeſtellung zurückdrängten. Der Sieg des Spargelbeets über das Roggen- und Kartoffelfeld! So haben Eifer, Wiſſen, Intelligenz, aus dem Sommerhauſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/164
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/164>, abgerufen am 21.11.2024.