Auch diese sechste und größte der "Eichen an der wilden Neiße" hat natürlich ihre Tafel und ihre Inschrift. Diese lautet:
Wohl mehr als 1000 Jahre zähl' ich schon; Ich sah dereinst das alte deutsche Reich entstehen, Ich sah im Jahre 6 es wiederum vergehen. Seitdem ich jüngst gesehn sein frisches kräftges Auferstehn, Möcht ich um keinen Preis es nochmals sehn im Untergehn. Das walte Gott auf seinem ewgen Thron!
Schönau, im August 1871.
Die älteste der alten Sechs.
Man mag über diese Dichtungen denken wie man will (es giebt jedenfalls schlimmere), unter allen Umständen zeigen sie die Liebe, mit der die ganze Umgegend an diesen schönen Bäumen hängt. Eine Fahrt zu den "sechs Eichen" zählt zu den Lieblingspartieen der Liegnitzer, die dann jedesmal mit einem Besuche des Katzbach-Schlachtfeldes -- das übrigens außerdem noch seine Denkmäler hat -- identisch ist.
Der Eibenbaum im Parkgarten des Herrenhauses.
Benutzt: "Ueber Eibenbäume" ein Aufsatz in der Neuen freien Presse. Mündliche Mittheilungen, besonders des Geh. Rath Metzel.
Eibenbäume.
In Niederösterreich findet man vereinzelte Eiben bei Buchberg, in der Prein und Ramsau, bei Lilienfeld, im Kremsthale, im Horner Walde und besonders alte Bäume im Gurhofgraben bei Aggstein. Einzelne tausendjährige Eiben kommen noch in Steiermark vor, und einen sehr alten Baum besitzt die Gegend von Brünn in Mäh- ren; er steht nicht gar weit von dem berühmten Erdfall "Macocha" ("Stiefmutter"). Krone und oberer Stammtheil sind abgebrochen, der hohle untere Stamm ist aber noch 3 Klafter hoch und benadelt und hat einen Umfang von beiläufig 8 Fuß (2.55 Pariser Metres). Das Alter dieses sehr merkwürdigen Exemplares wird auf nicht viel unter 2000 Jahre geschätzt. Zu den Palmsonntags-Sträußen, zu denen in Wien außer den Blüthenzweigen der Sahlweide -- den sogenannten Palmkätz- chen -- gewöhnlich auch Buxbaum- und Sebenbaum-Zweiglein ihres immergrünen Laubes wegen verwendet werden, während in den eigent- lichen Alpen-Gegenden die Stechpalme (Ilex aquifolium) hiezu dienen muß, benutzt man in England und Irland allgemein blühende Weiden- und grüne Eibenzweige. Und merkwürdigerweise begegnet man genau demselben Palmsonntagsschmuck wieder in Mähren. In der Gegend
Auch dieſe ſechste und größte der „Eichen an der wilden Neiße“ hat natürlich ihre Tafel und ihre Inſchrift. Dieſe lautet:
Wohl mehr als 1000 Jahre zähl’ ich ſchon; Ich ſah dereinſt das alte deutſche Reich entſtehen, Ich ſah im Jahre 6 es wiederum vergehen. Seitdem ich jüngſt geſehn ſein friſches kräftges Auferſtehn, Möcht ich um keinen Preis es nochmals ſehn im Untergehn. Das walte Gott auf ſeinem ewgen Thron!
Schönau, im Auguſt 1871.
Die älteſte der alten Sechs.
Man mag über dieſe Dichtungen denken wie man will (es giebt jedenfalls ſchlimmere), unter allen Umſtänden zeigen ſie die Liebe, mit der die ganze Umgegend an dieſen ſchönen Bäumen hängt. Eine Fahrt zu den „ſechs Eichen“ zählt zu den Lieblingspartieen der Liegnitzer, die dann jedesmal mit einem Beſuche des Katzbach-Schlachtfeldes — das übrigens außerdem noch ſeine Denkmäler hat — identiſch iſt.
Der Eibenbaum im Parkgarten des Herrenhauſes.
Benutzt: „Ueber Eibenbäume“ ein Aufſatz in der Neuen freien Preſſe. Mündliche Mittheilungen, beſonders des Geh. Rath Metzel.
Eibenbäume.
In Niederöſterreich findet man vereinzelte Eiben bei Buchberg, in der Prein und Ramſau, bei Lilienfeld, im Kremsthale, im Horner Walde und beſonders alte Bäume im Gurhofgraben bei Aggſtein. Einzelne tauſendjährige Eiben kommen noch in Steiermark vor, und einen ſehr alten Baum beſitzt die Gegend von Brünn in Mäh- ren; er ſteht nicht gar weit von dem berühmten Erdfall „Macocha“ („Stiefmutter“). Krone und oberer Stammtheil ſind abgebrochen, der hohle untere Stamm iſt aber noch 3 Klafter hoch und benadelt und hat einen Umfang von beiläufig 8 Fuß (2.55 Pariſer Metres). Das Alter dieſes ſehr merkwürdigen Exemplares wird auf nicht viel unter 2000 Jahre geſchätzt. Zu den Palmſonntags-Sträußen, zu denen in Wien außer den Blüthenzweigen der Sahlweide — den ſogenannten Palmkätz- chen — gewöhnlich auch Buxbaum- und Sebenbaum-Zweiglein ihres immergrünen Laubes wegen verwendet werden, während in den eigent- lichen Alpen-Gegenden die Stechpalme (Ilex aquifolium) hiezu dienen muß, benutzt man in England und Irland allgemein blühende Weiden- und grüne Eibenzweige. Und merkwürdigerweiſe begegnet man genau demſelben Palmſonntagsſchmuck wieder in Mähren. In der Gegend
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0452"n="434"/>
Auch dieſe ſechste und größte der „Eichen an der wilden Neiße“ hat<lb/>
natürlich ihre Tafel und ihre Inſchrift. Dieſe lautet:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Wohl mehr als 1000 Jahre zähl’ ich ſchon;</l><lb/><l>Ich ſah dereinſt das alte deutſche Reich entſtehen,</l><lb/><l>Ich ſah im Jahre 6 es wiederum vergehen.</l><lb/><l>Seitdem ich jüngſt geſehn ſein friſches kräftges Auferſtehn,</l><lb/><l>Möcht ich um keinen Preis es nochmals ſehn im Untergehn.</l><lb/><l>Das walte Gott auf ſeinem ewgen Thron!</l></lg><lb/><p>Schönau, im Auguſt 1871.</p><lb/><p><hirendition="#et">Die älteſte der alten Sechs.</hi></p><lb/><p>Man mag über dieſe Dichtungen denken wie man will (es giebt<lb/>
jedenfalls ſchlimmere), unter allen Umſtänden zeigen ſie die Liebe, mit<lb/>
der die ganze Umgegend an dieſen ſchönen Bäumen hängt. Eine Fahrt<lb/>
zu den „ſechs Eichen“ zählt zu den Lieblingspartieen der Liegnitzer, die<lb/>
dann jedesmal mit einem Beſuche des Katzbach-Schlachtfeldes — das<lb/>
übrigens außerdem noch ſeine Denkmäler hat — identiſch iſt.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Der Eibenbaum</hi><lb/>
im Parkgarten des Herrenhauſes.</head><lb/><list><item><hirendition="#g">Benutzt:</hi>„Ueber Eibenbäume“ ein Aufſatz in der Neuen freien Preſſe.<lb/>
Mündliche Mittheilungen, beſonders des Geh. Rath <hirendition="#g">Metzel</hi>.</item></list><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Eibenbäume.</hi></head><p>In Niederöſterreich findet man vereinzelte Eiben bei<lb/>
Buchberg, in der Prein und Ramſau, bei Lilienfeld, im Kremsthale,<lb/>
im Horner Walde und beſonders alte Bäume im Gurhofgraben bei<lb/>
Aggſtein. Einzelne tauſendjährige Eiben kommen noch in Steiermark<lb/>
vor, und einen ſehr alten Baum beſitzt die Gegend von Brünn in Mäh-<lb/>
ren; er ſteht nicht gar weit von dem berühmten Erdfall <hirendition="#aq">„Macocha“</hi><lb/>
(„Stiefmutter“). Krone und oberer Stammtheil ſind abgebrochen, der<lb/>
hohle untere Stamm iſt aber noch 3 Klafter hoch und benadelt und hat<lb/>
einen Umfang von beiläufig 8 Fuß (2.55 Pariſer Metres). Das Alter<lb/>
dieſes ſehr merkwürdigen Exemplares wird auf nicht viel unter 2000<lb/>
Jahre geſchätzt. Zu den Palmſonntags-Sträußen, zu denen in Wien<lb/>
außer den Blüthenzweigen der Sahlweide — den ſogenannten Palmkätz-<lb/>
chen — gewöhnlich auch Buxbaum- und Sebenbaum-Zweiglein ihres<lb/>
immergrünen Laubes wegen verwendet werden, während in den eigent-<lb/>
lichen Alpen-Gegenden die Stechpalme <hirendition="#aq">(Ilex aquifolium)</hi> hiezu dienen<lb/>
muß, benutzt man in England und Irland allgemein blühende Weiden-<lb/>
und grüne Eibenzweige. Und merkwürdigerweiſe begegnet man genau<lb/>
demſelben Palmſonntagsſchmuck wieder in Mähren. In der Gegend<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[434/0452]
Auch dieſe ſechste und größte der „Eichen an der wilden Neiße“ hat
natürlich ihre Tafel und ihre Inſchrift. Dieſe lautet:
Wohl mehr als 1000 Jahre zähl’ ich ſchon;
Ich ſah dereinſt das alte deutſche Reich entſtehen,
Ich ſah im Jahre 6 es wiederum vergehen.
Seitdem ich jüngſt geſehn ſein friſches kräftges Auferſtehn,
Möcht ich um keinen Preis es nochmals ſehn im Untergehn.
Das walte Gott auf ſeinem ewgen Thron!
Schönau, im Auguſt 1871.
Die älteſte der alten Sechs.
Man mag über dieſe Dichtungen denken wie man will (es giebt
jedenfalls ſchlimmere), unter allen Umſtänden zeigen ſie die Liebe, mit
der die ganze Umgegend an dieſen ſchönen Bäumen hängt. Eine Fahrt
zu den „ſechs Eichen“ zählt zu den Lieblingspartieen der Liegnitzer, die
dann jedesmal mit einem Beſuche des Katzbach-Schlachtfeldes — das
übrigens außerdem noch ſeine Denkmäler hat — identiſch iſt.
Der Eibenbaum
im Parkgarten des Herrenhauſes.
Benutzt: „Ueber Eibenbäume“ ein Aufſatz in der Neuen freien Preſſe.
Mündliche Mittheilungen, beſonders des Geh. Rath Metzel.
Eibenbäume. In Niederöſterreich findet man vereinzelte Eiben bei
Buchberg, in der Prein und Ramſau, bei Lilienfeld, im Kremsthale,
im Horner Walde und beſonders alte Bäume im Gurhofgraben bei
Aggſtein. Einzelne tauſendjährige Eiben kommen noch in Steiermark
vor, und einen ſehr alten Baum beſitzt die Gegend von Brünn in Mäh-
ren; er ſteht nicht gar weit von dem berühmten Erdfall „Macocha“
(„Stiefmutter“). Krone und oberer Stammtheil ſind abgebrochen, der
hohle untere Stamm iſt aber noch 3 Klafter hoch und benadelt und hat
einen Umfang von beiläufig 8 Fuß (2.55 Pariſer Metres). Das Alter
dieſes ſehr merkwürdigen Exemplares wird auf nicht viel unter 2000
Jahre geſchätzt. Zu den Palmſonntags-Sträußen, zu denen in Wien
außer den Blüthenzweigen der Sahlweide — den ſogenannten Palmkätz-
chen — gewöhnlich auch Buxbaum- und Sebenbaum-Zweiglein ihres
immergrünen Laubes wegen verwendet werden, während in den eigent-
lichen Alpen-Gegenden die Stechpalme (Ilex aquifolium) hiezu dienen
muß, benutzt man in England und Irland allgemein blühende Weiden-
und grüne Eibenzweige. Und merkwürdigerweiſe begegnet man genau
demſelben Palmſonntagsſchmuck wieder in Mähren. In der Gegend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/452>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.