Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.Im Sommer 1805 hielten sich der König und die Köni- Paretz 20. Mai 1810. Im Spätsommer des nächsten Jahres (1806) standen be- Der Winter verging, der schöne Frühling des Jahres 1810 General, einem leidenschaftlichen Raucher, von der Königin präsentirt
wurden. Wir übergehen diese Anekdote nicht nur deshalb, weil sie oft erzählt worden ist, sondern viel mehr noch aus ästhetischen Beden- ken, weil sie einen Hergang festzuhalten trachtet, der als Erlebniß rei- zend, als Plauder-Anekdote, über den Tisch hin, annehmbar, aber als gedruckte Geschichte mindestens entbehrlich ist. Schwarz auf weiß macht schwerfällig und entzaubert Manches. Man kann dreist behaupten, die Helden, die durch solche oder ähnliche Anekdoten glorifizirt werden sollen, haben unter ihnen zu leiden, wie unter einer Jugendthorheit. Es gilt hier fein zu unterscheiden. Dieselbe Geschichte, die, auf einem jungen Damen-Kaffee vorgetragen, ein ungetheiltes und berechtigtes Entzücken weckt, wird sich in einem Zeitungsblatt etwas insipide ausnehmen, und die bejubeltste, als unbedingt "bester Witz der Neuzeit" proklamirte Jagd- und Portwein-Anekdote wird am besten thun, auf Darstellung in Typen ganz zu verzichten. Im Sommer 1805 hielten ſich der König und die Köni- Paretz 20. Mai 1810. Im Spätſommer des nächſten Jahres (1806) ſtanden be- Der Winter verging, der ſchöne Frühling des Jahres 1810 General, einem leidenſchaftlichen Raucher, von der Königin präſentirt
wurden. Wir übergehen dieſe Anekdote nicht nur deshalb, weil ſie oft erzählt worden iſt, ſondern viel mehr noch aus äſthetiſchen Beden- ken, weil ſie einen Hergang feſtzuhalten trachtet, der als Erlebniß rei- zend, als Plauder-Anekdote, über den Tiſch hin, annehmbar, aber als gedruckte Geſchichte mindeſtens entbehrlich iſt. Schwarz auf weiß macht ſchwerfällig und entzaubert Manches. Man kann dreiſt behaupten, die Helden, die durch ſolche oder ähnliche Anekdoten glorifizirt werden ſollen, haben unter ihnen zu leiden, wie unter einer Jugendthorheit. Es gilt hier fein zu unterſcheiden. Dieſelbe Geſchichte, die, auf einem jungen Damen-Kaffee vorgetragen, ein ungetheiltes und berechtigtes Entzücken weckt, wird ſich in einem Zeitungsblatt etwas inſipide ausnehmen, und die bejubeltſte, als unbedingt „beſter Witz der Neuzeit“ proklamirte Jagd- und Portwein-Anekdote wird am beſten thun, auf Darſtellung in Typen ganz zu verzichten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0346" n="328"/> <p>Im Sommer 1805 hielten ſich der König und die Köni-<lb/> gin länger in Paretz auf als gewöhnlich. Wie in einem Vor-<lb/> gefühl kommender Stürme, genoſſen ſie das Glück, das dieſer<lb/> ſtille Hafen bot, noch einmal in vollen Zügen. Man blieb bis<lb/> zum 15. October, dem Geburtstage des nunmehr zehnjährigen<lb/> Kronprinzen. Er empfing, nach der Sitte des königlichen Hau-<lb/> ſes, den Degen und die Offiziers-Uniform, und trat in die<lb/> Armee. Die Königin ſprach ermahnende Worte. Dann ſchied<lb/> ſie von ihrem lieben Paretz, das ſie nur noch einmal auf wenige<lb/> Stunden wiederſehen ſollte.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Paretz 20. Mai 1810</hi>.</head><lb/> <p>Im Spätſommer des nächſten Jahres (1806) ſtanden be-<lb/> reits die großen Wetter über Thron und Land; am 14. Oktober<lb/> wurde das alte Preußen begraben; der folgende Tag war der<lb/> Geburtstag des Kronprinzen, — keinen unglücklicheren hat er<lb/> erlebt. Der Hof ging nach Königsberg; erſt im Jahre 1809<lb/> kehrte das durch Jahre der Prüfung gegangene Königspaar nach<lb/> Berlin zurück.</p><lb/> <p>Der Winter verging, der ſchöne Frühling des Jahres 1810<lb/> kam; die Königin empfand eine tiefe Sehnſucht, ihr geliebtes<lb/><note xml:id="note-0346" prev="#note-0345" place="foot" n="*)">General, einem leidenſchaftlichen Raucher, von der Königin präſentirt<lb/> wurden. Wir übergehen dieſe Anekdote nicht nur deshalb, weil ſie<lb/> oft erzählt worden iſt, ſondern viel mehr noch aus äſthetiſchen Beden-<lb/> ken, weil ſie einen Hergang feſtzuhalten trachtet, der als Erlebniß rei-<lb/> zend, als Plauder-Anekdote, über den Tiſch hin, annehmbar, aber als<lb/> gedruckte Geſchichte mindeſtens entbehrlich iſt. Schwarz auf weiß macht<lb/> ſchwerfällig und entzaubert Manches. Man kann dreiſt behaupten, die<lb/> Helden, die durch ſolche oder ähnliche Anekdoten glorifizirt werden ſollen,<lb/> haben unter ihnen zu leiden, wie unter einer Jugendthorheit. Es gilt<lb/> hier fein zu unterſcheiden. Dieſelbe Geſchichte, die, auf einem jungen<lb/> Damen-Kaffee vorgetragen, ein ungetheiltes und berechtigtes Entzücken<lb/> weckt, wird ſich in einem Zeitungsblatt etwas inſipide ausnehmen, und<lb/> die bejubeltſte, als unbedingt „beſter Witz der Neuzeit“ proklamirte<lb/> Jagd- und Portwein-Anekdote wird am beſten thun, auf Darſtellung<lb/> in Typen ganz zu verzichten.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [328/0346]
Im Sommer 1805 hielten ſich der König und die Köni-
gin länger in Paretz auf als gewöhnlich. Wie in einem Vor-
gefühl kommender Stürme, genoſſen ſie das Glück, das dieſer
ſtille Hafen bot, noch einmal in vollen Zügen. Man blieb bis
zum 15. October, dem Geburtstage des nunmehr zehnjährigen
Kronprinzen. Er empfing, nach der Sitte des königlichen Hau-
ſes, den Degen und die Offiziers-Uniform, und trat in die
Armee. Die Königin ſprach ermahnende Worte. Dann ſchied
ſie von ihrem lieben Paretz, das ſie nur noch einmal auf wenige
Stunden wiederſehen ſollte.
Paretz 20. Mai 1810.
Im Spätſommer des nächſten Jahres (1806) ſtanden be-
reits die großen Wetter über Thron und Land; am 14. Oktober
wurde das alte Preußen begraben; der folgende Tag war der
Geburtstag des Kronprinzen, — keinen unglücklicheren hat er
erlebt. Der Hof ging nach Königsberg; erſt im Jahre 1809
kehrte das durch Jahre der Prüfung gegangene Königspaar nach
Berlin zurück.
Der Winter verging, der ſchöne Frühling des Jahres 1810
kam; die Königin empfand eine tiefe Sehnſucht, ihr geliebtes
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*) General, einem leidenſchaftlichen Raucher, von der Königin präſentirt
wurden. Wir übergehen dieſe Anekdote nicht nur deshalb, weil ſie
oft erzählt worden iſt, ſondern viel mehr noch aus äſthetiſchen Beden-
ken, weil ſie einen Hergang feſtzuhalten trachtet, der als Erlebniß rei-
zend, als Plauder-Anekdote, über den Tiſch hin, annehmbar, aber als
gedruckte Geſchichte mindeſtens entbehrlich iſt. Schwarz auf weiß macht
ſchwerfällig und entzaubert Manches. Man kann dreiſt behaupten, die
Helden, die durch ſolche oder ähnliche Anekdoten glorifizirt werden ſollen,
haben unter ihnen zu leiden, wie unter einer Jugendthorheit. Es gilt
hier fein zu unterſcheiden. Dieſelbe Geſchichte, die, auf einem jungen
Damen-Kaffee vorgetragen, ein ungetheiltes und berechtigtes Entzücken
weckt, wird ſich in einem Zeitungsblatt etwas inſipide ausnehmen, und
die bejubeltſte, als unbedingt „beſter Witz der Neuzeit“ proklamirte
Jagd- und Portwein-Anekdote wird am beſten thun, auf Darſtellung
in Typen ganz zu verzichten.
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