Wie reizend sind, du schönes Dörfchen Uetz, Heut' deiner Gärten Aepfelblütenreiser, Dein gothisch Kirchlein, deiner Fischer Kietz, Dein Pfarrgehöfte, deine Bauerhäuser ... Die Pferde sind zur Rückfahrt angespannt, Vom Felde treibt der Kuhhirt durch die Gassen, - Du schönster Ort im ganzen Havelland, Wer könnte je dich ungerührt verlassen!
"Du schönster Ort im ganzen Havelland," unter diesem Anruf nimmt unser märkischer Poet par excellence, unser vielbespöt- telter Schmidt von Werneuchen, von jenem stillen Haveldorfe Abschied, dessen etwas seltsam klingenden Namen wir an die Spitze dieses Kapitels gestellt haben.
"Du schönster Ort" -- wir wollen es, auf die Autorität unseres Freundes hin, glauben; aber ob der schönste oder nicht, der stillste gewiß. Die Natur hat es so gewollt.
Die Havel, die auf ihrem Mittellaufe überall Seen und Buchten bildet, streckt an dieser Stelle eine sackgassenartige Ab- zweigung, die "Wublitz," tief in's Land hinein und bildet dadurch eine Wassergabel, die das von drei Seiten her umschlos- sene Stück Land zu einer Halbinsel macht. Auf dieser Halb- insel, tief innerhalb der Gabel, liegt unser Uetz, das, um eben dieser Lage willen, nur mit Hülfe einer Fähre, oder aber auf weiten Umwegen erreicht werden kann. Beides ein Hinderniß im Verkehr.
Eine kurze Zeit hindurch schien es, als sollte das stille Dorf mit in die Welt, von der es sonst abgeschlossen liegt, hinein gezogen werden. Das war zu Ende des vorigen und zu Anfang dieses Jahrhunderts, wo das eine halbe Meile von
Uetz.
Wie reizend ſind, du ſchönes Dörfchen Uetz, Heut’ deiner Gärten Aepfelblütenreiſer, Dein gothiſch Kirchlein, deiner Fiſcher Kietz, Dein Pfarrgehöfte, deine Bauerhäuſer … Die Pferde ſind zur Rückfahrt angeſpannt, Vom Felde treibt der Kuhhirt durch die Gaſſen, ‒ Du ſchönſter Ort im ganzen Havelland, Wer könnte je dich ungerührt verlaſſen!
„Du ſchönſter Ort im ganzen Havelland,“ unter dieſem Anruf nimmt unſer märkiſcher Poet par excellence, unſer vielbeſpöt- telter Schmidt von Werneuchen, von jenem ſtillen Haveldorfe Abſchied, deſſen etwas ſeltſam klingenden Namen wir an die Spitze dieſes Kapitels geſtellt haben.
„Du ſchönſter Ort“ — wir wollen es, auf die Autorität unſeres Freundes hin, glauben; aber ob der ſchönſte oder nicht, der ſtillſte gewiß. Die Natur hat es ſo gewollt.
Die Havel, die auf ihrem Mittellaufe überall Seen und Buchten bildet, ſtreckt an dieſer Stelle eine ſackgaſſenartige Ab- zweigung, die „Wublitz,“ tief in’s Land hinein und bildet dadurch eine Waſſergabel, die das von drei Seiten her umſchloſ- ſene Stück Land zu einer Halbinſel macht. Auf dieſer Halb- inſel, tief innerhalb der Gabel, liegt unſer Uetz, das, um eben dieſer Lage willen, nur mit Hülfe einer Fähre, oder aber auf weiten Umwegen erreicht werden kann. Beides ein Hinderniß im Verkehr.
Eine kurze Zeit hindurch ſchien es, als ſollte das ſtille Dorf mit in die Welt, von der es ſonſt abgeſchloſſen liegt, hinein gezogen werden. Das war zu Ende des vorigen und zu Anfang dieſes Jahrhunderts, wo das eine halbe Meile von
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Uetz.
Wie reizend ſind, du ſchönes Dörfchen Uetz,
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Dein gothiſch Kirchlein, deiner Fiſcher Kietz,
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Die Pferde ſind zur Rückfahrt angeſpannt,
Vom Felde treibt der Kuhhirt durch die Gaſſen, ‒
Du ſchönſter Ort im ganzen Havelland,
Wer könnte je dich ungerührt verlaſſen!
„Du ſchönſter Ort im ganzen Havelland,“ unter dieſem Anruf
nimmt unſer märkiſcher Poet par excellence, unſer vielbeſpöt-
telter Schmidt von Werneuchen, von jenem ſtillen Haveldorfe
Abſchied, deſſen etwas ſeltſam klingenden Namen wir an die
Spitze dieſes Kapitels geſtellt haben.
„Du ſchönſter Ort“ — wir wollen es, auf die Autorität
unſeres Freundes hin, glauben; aber ob der ſchönſte oder nicht,
der ſtillſte gewiß. Die Natur hat es ſo gewollt.
Die Havel, die auf ihrem Mittellaufe überall Seen und
Buchten bildet, ſtreckt an dieſer Stelle eine ſackgaſſenartige Ab-
zweigung, die „Wublitz,“ tief in’s Land hinein und bildet
dadurch eine Waſſergabel, die das von drei Seiten her umſchloſ-
ſene Stück Land zu einer Halbinſel macht. Auf dieſer Halb-
inſel, tief innerhalb der Gabel, liegt unſer Uetz, das, um eben
dieſer Lage willen, nur mit Hülfe einer Fähre, oder aber auf
weiten Umwegen erreicht werden kann. Beides ein Hinderniß
im Verkehr.
Eine kurze Zeit hindurch ſchien es, als ſollte das ſtille
Dorf mit in die Welt, von der es ſonſt abgeſchloſſen liegt,
hinein gezogen werden. Das war zu Ende des vorigen und
zu Anfang dieſes Jahrhunderts, wo das eine halbe Meile von
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [318]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/336>, abgerufen am 03.03.2025.
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