Fest gefeiert werden sollte, hielten einen Umzug und begannen das Mahl. Man hatte zwar kein Licht auf die Tafel gestellt, doch war das Zimmer so erhellt, daß man jeden Gegenstand ganz deutlich erkennen konnte, und es schien, als ob die Helle den Geräthen entströmte. Die Wöchnerin sah dies Alles mit pochendem Herzen an, denn sie wußte wohl, was man sich erzählte, daß häufig Kinder, besonders Säuglinge, verschwunden waren, von denen es hieß, daß die "Unnererdschken" sie geraubt hätten. Ein Raub ihres Säuglings erschien ihr um so unvermeidlicher, als das Kind eben jetzt zu schreien anfing. Die Unnererdschken horchten auf, beriethen sich und schienen in Zank zu gerathen, wahrscheinlich, weil eine Partei das Kind entführen, die andere es dagegen der Mutter belassen wollte. Endlich be- ruhigten sie sich wieder und speisten weiter. Inzwischen war eine geraume Zeit verflossen, so daß die Kirchgänger zurückkehrten. Die Zwerge vernah- men ihre Annäherung und dachten an Rückzug. Einige aber eilten nun an das Himmelbett und wollten die Gardinen auseinanderziehen, um, während die andern die Sachen einpackten, das Kind zu rauben und mitzunehmen. Die Frau hielt aber die Gardinen fest zusammen. Endlich waren alle hin- ter dem Ofen verschwunden; nur einige leere Schüsseln hatten sie in der Eile stehen lassen, die man viele Jahre lang in dem Hause aufbewahrte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts ließen die Hausbewohner eine Ofenthür daraus machen, die noch jetzt vorhanden ist.
Moeglin.
Benutzt: Koerte's Albrecht Thaer, sein Leben und Wirken. Mündliche und briefliche Mittheilungen.
Freienwalde.
Benutzt: Thomas Philipp von der Hagen Beschreibung der Stadt Freienwalde. Dr.Heydecker's Beschreibung des Gesundbrun- nens und Bades zu Freienwalde. Bekmann's Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg. Freien- walde und seine Umgegend (Berlin, bei Schropp). von Rei- chenbach Statistisch-topographische Alterthumskunde der Stadt Freienwalde. Mündliche und briefliche Mittheilungen.
Ein Hexen-Prozeß in Freienwalde. (1644.)
Freienwalde hatte im 17. Jahrhundert eine ganze Anzahl von Hexen- prozessen. Von vieren wissen wir mit Bestimmtheit. 1) Kurz vor 1628
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Feſt gefeiert werden ſollte, hielten einen Umzug und begannen das Mahl. Man hatte zwar kein Licht auf die Tafel geſtellt, doch war das Zimmer ſo erhellt, daß man jeden Gegenſtand ganz deutlich erkennen konnte, und es ſchien, als ob die Helle den Geräthen entſtrömte. Die Wöchnerin ſah dies Alles mit pochendem Herzen an, denn ſie wußte wohl, was man ſich erzählte, daß häufig Kinder, beſonders Säuglinge, verſchwunden waren, von denen es hieß, daß die „Unnererdſchken“ ſie geraubt hätten. Ein Raub ihres Säuglings erſchien ihr um ſo unvermeidlicher, als das Kind eben jetzt zu ſchreien anfing. Die Unnererdſchken horchten auf, beriethen ſich und ſchienen in Zank zu gerathen, wahrſcheinlich, weil eine Partei das Kind entführen, die andere es dagegen der Mutter belaſſen wollte. Endlich be- ruhigten ſie ſich wieder und ſpeiſten weiter. Inzwiſchen war eine geraume Zeit verfloſſen, ſo daß die Kirchgänger zurückkehrten. Die Zwerge vernah- men ihre Annäherung und dachten an Rückzug. Einige aber eilten nun an das Himmelbett und wollten die Gardinen auseinanderziehen, um, während die andern die Sachen einpackten, das Kind zu rauben und mitzunehmen. Die Frau hielt aber die Gardinen feſt zuſammen. Endlich waren alle hin- ter dem Ofen verſchwunden; nur einige leere Schüſſeln hatten ſie in der Eile ſtehen laſſen, die man viele Jahre lang in dem Hauſe aufbewahrte. Zu Anfang dieſes Jahrhunderts ließen die Hausbewohner eine Ofenthür daraus machen, die noch jetzt vorhanden iſt.
Moeglin.
Benutzt: Koerte’s Albrecht Thaer, ſein Leben und Wirken. Mündliche und briefliche Mittheilungen.
Freienwalde.
Benutzt: Thomas Philipp von der Hagen Beſchreibung der Stadt Freienwalde. Dr.Heydecker’s Beſchreibung des Geſundbrun- nens und Bades zu Freienwalde. Bekmann’s Hiſtoriſche Beſchreibung der Chur und Mark Brandenburg. Freien- walde und ſeine Umgegend (Berlin, bei Schropp). von Rei- chenbach Statiſtiſch-topographiſche Alterthumskunde der Stadt Freienwalde. Mündliche und briefliche Mittheilungen.
Ein Hexen-Prozeß in Freienwalde. (1644.)
Freienwalde hatte im 17. Jahrhundert eine ganze Anzahl von Hexen- prozeſſen. Von vieren wiſſen wir mit Beſtimmtheit. 1) Kurz vor 1628
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Feſt gefeiert werden ſollte, hielten einen Umzug und begannen das Mahl.
Man hatte zwar kein Licht auf die Tafel geſtellt, doch war das Zimmer
ſo erhellt, daß man jeden Gegenſtand ganz deutlich erkennen konnte, und
es ſchien, als ob die Helle den Geräthen entſtrömte. Die Wöchnerin ſah
dies Alles mit pochendem Herzen an, denn ſie wußte wohl, was man ſich
erzählte, daß häufig Kinder, beſonders Säuglinge, verſchwunden waren,
von denen es hieß, daß die „Unnererdſchken“ ſie geraubt hätten. Ein Raub
ihres Säuglings erſchien ihr um ſo unvermeidlicher, als das Kind eben
jetzt zu ſchreien anfing. Die Unnererdſchken horchten auf, beriethen ſich und
ſchienen in Zank zu gerathen, wahrſcheinlich, weil eine Partei das Kind
entführen, die andere es dagegen der Mutter belaſſen wollte. Endlich be-
ruhigten ſie ſich wieder und ſpeiſten weiter. Inzwiſchen war eine geraume
Zeit verfloſſen, ſo daß die Kirchgänger zurückkehrten. Die Zwerge vernah-
men ihre Annäherung und dachten an Rückzug. Einige aber eilten nun an
das Himmelbett und wollten die Gardinen auseinanderziehen, um, während
die andern die Sachen einpackten, das Kind zu rauben und mitzunehmen.
Die Frau hielt aber die Gardinen feſt zuſammen. Endlich waren alle hin-
ter dem Ofen verſchwunden; nur einige leere Schüſſeln hatten ſie in der
Eile ſtehen laſſen, die man viele Jahre lang in dem Hauſe aufbewahrte.
Zu Anfang dieſes Jahrhunderts ließen die Hausbewohner eine Ofenthür
daraus machen, die noch jetzt vorhanden iſt.
Moeglin.
Benutzt: Koerte’s Albrecht Thaer, ſein Leben und Wirken. Mündliche
und briefliche Mittheilungen.
Freienwalde.
Benutzt: Thomas Philipp von der Hagen Beſchreibung der Stadt
Freienwalde. Dr. Heydecker’s Beſchreibung des Geſundbrun-
nens und Bades zu Freienwalde. Bekmann’s Hiſtoriſche
Beſchreibung der Chur und Mark Brandenburg. Freien-
walde und ſeine Umgegend (Berlin, bei Schropp). von Rei-
chenbach Statiſtiſch-topographiſche Alterthumskunde der
Stadt Freienwalde. Mündliche und briefliche Mittheilungen.
Ein Hexen-Prozeß in Freienwalde.
(1644.)
Freienwalde hatte im 17. Jahrhundert eine ganze Anzahl von Hexen-
prozeſſen. Von vieren wiſſen wir mit Beſtimmtheit. 1) Kurz vor 1628
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/543>, abgerufen am 22.02.2025.
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