4. Prinz Heinrich. Der Rheinsberger Park. Herr v. Reitzen- stein und der verschluckte Diamant. Der Freundschafts- Tempel. Das Theater im Grünen. Das Grabmal des Prinzen.
Außer den im vorigen Kapitel beschriebenen Zimmern des Kron- prinzen und des Prinzen Heinrich enthält das Rheinsberger Schloß nichts, was der Erwähnung werth wäre. Wenn man wieder in's Freie tritt, um über den Schloßhof hin dem Park und den Seeufern zuzuschreiten, so kann man die Frage nicht ab- wehren, wie kommt es, daß dieser kluge, geistvolle Prinz Heinrich, dieser Feldherr sans peur et sans reproche, dies von den nobelsten Empfindungen inspirirte Menschenherz, so wenig populär geworden ist. Man mache die Probe in unseren Dorfschulen! Jedes Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seidlitz, den "Schwerin mit der Fahne" kennen; aber der Herr Lehrer selbst wird nur stotternd zu sagen wissen: wer denn eigentlich Prinz Heinrich gewesen sei. Selbst in Rheinsberg, das der Prinz 50 Jahre lang besessen und 40 Jahre lang bewohnt hat, ist er verhältnißmäßig ein Fremder. Natürlich man kennt ihn, man nennt seinen Namen; aber man weiß wenig von ihm. Einige Alte entsinnen sich seiner, erzählen dies und das, aber die lebende Generation lernt Geschichte, wie wir, d. h. liest lange Kapitel vom Kronprinzen Friedrich und seinem Rheinsberger Aufenthalt, und hat sich daran gewöhnt, den Concert-Saal und das Studirzimmer als die eigent- lichen Sehenswürdigkeiten des Schlosses anzusehen; die Zimmer
4. Prinz Heinrich. Der Rheinsberger Park. Herr v. Reitzen- ſtein und der verſchluckte Diamant. Der Freundſchafts- Tempel. Das Theater im Grünen. Das Grabmal des Prinzen.
Außer den im vorigen Kapitel beſchriebenen Zimmern des Kron- prinzen und des Prinzen Heinrich enthält das Rheinsberger Schloß nichts, was der Erwähnung werth wäre. Wenn man wieder in’s Freie tritt, um über den Schloßhof hin dem Park und den Seeufern zuzuſchreiten, ſo kann man die Frage nicht ab- wehren, wie kommt es, daß dieſer kluge, geiſtvolle Prinz Heinrich, dieſer Feldherr sans peur et sans reproche, dies von den nobelſten Empfindungen inſpirirte Menſchenherz, ſo wenig populär geworden iſt. Man mache die Probe in unſeren Dorfſchulen! Jedes Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seidlitz, den „Schwerin mit der Fahne“ kennen; aber der Herr Lehrer ſelbſt wird nur ſtotternd zu ſagen wiſſen: wer denn eigentlich Prinz Heinrich geweſen ſei. Selbſt in Rheinsberg, das der Prinz 50 Jahre lang beſeſſen und 40 Jahre lang bewohnt hat, iſt er verhältnißmäßig ein Fremder. Natürlich man kennt ihn, man nennt ſeinen Namen; aber man weiß wenig von ihm. Einige Alte entſinnen ſich ſeiner, erzählen dies und das, aber die lebende Generation lernt Geſchichte, wie wir, d. h. lieſt lange Kapitel vom Kronprinzen Friedrich und ſeinem Rheinsberger Aufenthalt, und hat ſich daran gewöhnt, den Concert-Saal und das Studirzimmer als die eigent- lichen Sehenswürdigkeiten des Schloſſes anzuſehen; die Zimmer
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4.
Prinz Heinrich. Der Rheinsberger Park. Herr v. Reitzen-
ſtein und der verſchluckte Diamant. Der Freundſchafts-
Tempel. Das Theater im Grünen. Das Grabmal des
Prinzen.
Außer den im vorigen Kapitel beſchriebenen Zimmern des Kron-
prinzen und des Prinzen Heinrich enthält das Rheinsberger
Schloß nichts, was der Erwähnung werth wäre. Wenn man
wieder in’s Freie tritt, um über den Schloßhof hin dem Park
und den Seeufern zuzuſchreiten, ſo kann man die Frage nicht ab-
wehren, wie kommt es, daß dieſer kluge, geiſtvolle Prinz Heinrich,
dieſer Feldherr sans peur et sans reproche, dies von den
nobelſten Empfindungen inſpirirte Menſchenherz, ſo wenig populär
geworden iſt. Man mache die Probe in unſeren Dorfſchulen!
Jedes Tagelöhnerkind wird den Zieten, den Seidlitz, den „Schwerin
mit der Fahne“ kennen; aber der Herr Lehrer ſelbſt wird nur
ſtotternd zu ſagen wiſſen: wer denn eigentlich Prinz Heinrich
geweſen ſei. Selbſt in Rheinsberg, das der Prinz 50 Jahre lang
beſeſſen und 40 Jahre lang bewohnt hat, iſt er verhältnißmäßig
ein Fremder. Natürlich man kennt ihn, man nennt ſeinen Namen;
aber man weiß wenig von ihm. Einige Alte entſinnen ſich
ſeiner, erzählen dies und das, aber die lebende Generation lernt
Geſchichte, wie wir, d. h. lieſt lange Kapitel vom Kronprinzen
Friedrich und ſeinem Rheinsberger Aufenthalt, und hat ſich daran
gewöhnt, den Concert-Saal und das Studirzimmer als die eigent-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [100]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/118>, abgerufen am 30.12.2024.
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