Wir hatten bald alle Ursach, uns bei dem Mittagsschlaf des alten Castellan's zu bedanken. Leicht möglich, daß wir ohne den- selben an der Rheinsberger Kirche vorüber gegangen wären. Und doch ist es ein alter, in mehr als einer Beziehung interessanter Bau. Die erste Anlage desselben datirt weit zurück; 1568 wurde sie durch Achim v. Bredow (die ganze Herrschaft Rheinsberg war damals Bredow'scher Besitz) um zwei Drittel vergrößert. Man kann den Anbau noch jetzt von dem älteren Theil unterscheiden.
Diese Kirche ist der einzige Punkt in Rheinsberg, wo man auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig gegensätzlicher Epochen begegnet, und diesen Gegensatz als solchen empfindet. Die Prinz-Heinrich-Zeit und die Bredow'sche Vorzeit treffen hier wie Wasser und Oel zusammen. In Schloß und Park stören die fran- zösischen Inschriften nicht; die Baulichkeit, die Gartenanlagen, alles erscheint wie aus einem Guß, und entweder vergessen wir, dem malerischen Reiz des Bildes hingegeben, überhaupt, daß es ein preußisches Schloß ist, indem wir uns bewegen, oder wir finden die Sprache gleichgültig, in der die Dinge an uns herantreten, etwa wie es Zuhörern, die beider Sprachen mächtig sind, von keinem Belang ist, ob sie den Shakespeare deutsch oder englisch spielen sehn. So ist es in Schloß und Park, aber nicht in der Kirche; in dieser hat das französische Pfropfreis den alten Stamm
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2. Die Rheinsberger Kirche.
Wir hatten bald alle Urſach, uns bei dem Mittagsſchlaf des alten Caſtellan’s zu bedanken. Leicht möglich, daß wir ohne den- ſelben an der Rheinsberger Kirche vorüber gegangen wären. Und doch iſt es ein alter, in mehr als einer Beziehung intereſſanter Bau. Die erſte Anlage deſſelben datirt weit zurück; 1568 wurde ſie durch Achim v. Bredow (die ganze Herrſchaft Rheinsberg war damals Bredow’ſcher Beſitz) um zwei Drittel vergrößert. Man kann den Anbau noch jetzt von dem älteren Theil unterſcheiden.
Dieſe Kirche iſt der einzige Punkt in Rheinsberg, wo man auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig gegenſätzlicher Epochen begegnet, und dieſen Gegenſatz als ſolchen empfindet. Die Prinz-Heinrich-Zeit und die Bredow’ſche Vorzeit treffen hier wie Waſſer und Oel zuſammen. In Schloß und Park ſtören die fran- zöſiſchen Inſchriften nicht; die Baulichkeit, die Gartenanlagen, alles erſcheint wie aus einem Guß, und entweder vergeſſen wir, dem maleriſchen Reiz des Bildes hingegeben, überhaupt, daß es ein preußiſches Schloß iſt, indem wir uns bewegen, oder wir finden die Sprache gleichgültig, in der die Dinge an uns herantreten, etwa wie es Zuhörern, die beider Sprachen mächtig ſind, von keinem Belang iſt, ob ſie den Shakeſpeare deutſch oder engliſch ſpielen ſehn. So iſt es in Schloß und Park, aber nicht in der Kirche; in dieſer hat das franzöſiſche Pfropfreis den alten Stamm
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[[83]/0101]
2.
Die Rheinsberger Kirche.
Wir hatten bald alle Urſach, uns bei dem Mittagsſchlaf des
alten Caſtellan’s zu bedanken. Leicht möglich, daß wir ohne den-
ſelben an der Rheinsberger Kirche vorüber gegangen wären. Und
doch iſt es ein alter, in mehr als einer Beziehung intereſſanter
Bau. Die erſte Anlage deſſelben datirt weit zurück; 1568 wurde
ſie durch Achim v. Bredow (die ganze Herrſchaft Rheinsberg war
damals Bredow’ſcher Beſitz) um zwei Drittel vergrößert. Man
kann den Anbau noch jetzt von dem älteren Theil unterſcheiden.
Dieſe Kirche iſt der einzige Punkt in Rheinsberg, wo man
auf Schritt und Tritt den Bildern zweier völlig gegenſätzlicher
Epochen begegnet, und dieſen Gegenſatz als ſolchen empfindet. Die
Prinz-Heinrich-Zeit und die Bredow’ſche Vorzeit treffen hier wie
Waſſer und Oel zuſammen. In Schloß und Park ſtören die fran-
zöſiſchen Inſchriften nicht; die Baulichkeit, die Gartenanlagen, alles
erſcheint wie aus einem Guß, und entweder vergeſſen wir, dem
maleriſchen Reiz des Bildes hingegeben, überhaupt, daß es ein
preußiſches Schloß iſt, indem wir uns bewegen, oder wir finden
die Sprache gleichgültig, in der die Dinge an uns herantreten,
etwa wie es Zuhörern, die beider Sprachen mächtig ſind, von
keinem Belang iſt, ob ſie den Shakeſpeare deutſch oder engliſch
ſpielen ſehn. So iſt es in Schloß und Park, aber nicht in der
Kirche; in dieſer hat das franzöſiſche Pfropfreis den alten Stamm
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. [83]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/101>, abgerufen am 21.11.2024.
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