Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41.

Bild:
<< vorherige Seite
[irrelevantes Material]
Unterm Birnbaum.

(Fortsetzung.)

3.

Als Hradscheck bis an den Schwellstein gekommen war, nahm er das Grabscheit von der Schulter, lehnte die Krücke gegen das am Hause sich hinziehende Weinspalier und wusch sich die Hände, saubrer Mann, der er war, in einem Kübel, drin die Dachtraufe mündete. Danach trat er in den Flur und ging auf sein Wohnzimmer zu.

Hier traf er Ursel. Diese saß vor einem Nähtisch am Fenster und war, trotz der frühen Stunde, schon wieder in Toilette, ja noch sorglicher und geputzter als an dem Tage, wo sie die Kränze für die Kinder geflochten hatte. Das hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz ihr kleidete), der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle von auffälliger Größe zusammengehalten, während in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venetianischer Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen Atlas-Sophas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen, darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte. Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf, als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge von Tadel, sagte: "Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts zu thun mehr in der Küche?"

"Weil es fertig werden muß."

"Was?"

"Das hier." Und dabei hielt sie Hradscheck ein Sammtkäpsel hin, an dem sie gerade nähte. "Wenig mit Liebe."

"Für mich?"

"Nein. Dazu bist Du nicht fromm und, was Du lieber hören wirst, auch nicht alt genug."

"Also für den Pastor?"

"Gerathen."

"Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man doppelt brauchen. Es giebt einem solch Ansehen. Und ich habe mir auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede Sonntags umschichtig in die Kirche zu gehn."

"Das thu nur; er hat sich schon gewundert."

"Und hat auch Recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet. Und ist noch dazu der Einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja, Du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er Dich nicht auf den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war, so stecktest Du noch in dem alten Unsinn."

"Sprich nicht so. Was weißt Du davon? Jhr habt ja gar keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist ein guter Mann, eine Seele von Mann, und

[irrelevantes Material]
Unterm Birnbaum.

(Fortsetzung.)

3.

Als Hradscheck bis an den Schwellstein gekommen war, nahm er das Grabscheit von der Schulter, lehnte die Krücke gegen das am Hause sich hinziehende Weinspalier und wusch sich die Hände, saubrer Mann, der er war, in einem Kübel, drin die Dachtraufe mündete. Danach trat er in den Flur und ging auf sein Wohnzimmer zu.

Hier traf er Ursel. Diese saß vor einem Nähtisch am Fenster und war, trotz der frühen Stunde, schon wieder in Toilette, ja noch sorglicher und geputzter als an dem Tage, wo sie die Kränze für die Kinder geflochten hatte. Das hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz ihr kleidete), der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle von auffälliger Größe zusammengehalten, während in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venetianischer Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen Atlas-Sophas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen, darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte. Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf, als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge von Tadel, sagte: „Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts zu thun mehr in der Küche?“

„Weil es fertig werden muß.“

„Was?“

„Das hier.“ Und dabei hielt sie Hradscheck ein Sammtkäpsel hin, an dem sie gerade nähte. „Wenig mit Liebe.“

„Für mich?“

„Nein. Dazu bist Du nicht fromm und, was Du lieber hören wirst, auch nicht alt genug.“

„Also für den Pastor?“

„Gerathen.“

„Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man doppelt brauchen. Es giebt einem solch Ansehen. Und ich habe mir auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede Sonntags umschichtig in die Kirche zu gehn.“

„Das thu nur; er hat sich schon gewundert.“

„Und hat auch Recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet. Und ist noch dazu der Einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja, Du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er Dich nicht auf den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war, so stecktest Du noch in dem alten Unsinn.“

„Sprich nicht so. Was weißt Du davon? Jhr habt ja gar keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist ein guter Mann, eine Seele von Mann, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0007" n="549"/>
      <div xml:id="Heft_34">
        <gap reason="insignificant"/><lb/>
        <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#larger"> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#b">Unterm Birnbaum.</hi> </hi> </hi> </hi> </head>
        <byline> <hi rendition="#c">Von <hi rendition="#b">Th. Fontane.</hi></hi> </byline><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">(Fortsetzung.)</hi> </p><lb/>
        <div type="chapter">
          <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/>
          <p>Als Hradscheck bis an den Schwellstein gekommen war, nahm er das Grabscheit von der Schulter, lehnte die Krücke gegen das am Hause sich hinziehende Weinspalier und wusch sich die Hände, saubrer Mann, der er war, in einem Kübel, drin die Dachtraufe mündete. Danach trat er in den Flur und ging auf sein Wohnzimmer zu.</p><lb/>
          <p>Hier traf er Ursel. Diese saß vor einem Nähtisch am Fenster und war, trotz der frühen Stunde, schon wieder in Toilette, ja noch sorglicher und geputzter als an dem Tage, wo sie die Kränze für die Kinder geflochten hatte. Das hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz ihr kleidete), der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle von auffälliger Größe zusammengehalten, während in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venetianischer Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen Atlas-Sophas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen, darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte. Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf, als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge von Tadel, sagte: &#x201E;Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts zu  thun mehr in der Küche?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Weil es fertig werden muß.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Was?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das hier.&#x201C; Und dabei hielt sie Hradscheck ein Sammtkäpsel hin, an dem sie gerade nähte. &#x201E;Wenig mit Liebe.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Für mich?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein. Dazu bist Du nicht fromm und, was Du lieber hören wirst, auch nicht alt genug.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Also für den Pastor?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Gerathen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man doppelt brauchen. Es giebt einem solch Ansehen. Und ich habe mir auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede Sonntags umschichtig in die Kirche zu gehn.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das thu nur; er hat sich schon gewundert.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und hat auch Recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet. Und ist noch dazu der Einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja, Du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er Dich nicht auf den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war, so stecktest Du noch in dem alten Unsinn.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sprich nicht so. Was weißt Du davon? Jhr habt ja gar keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist ein guter Mann, eine Seele von Mann, und
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[549/0007] _ Unterm Birnbaum. Von Th. Fontane. (Fortsetzung.) 3. Als Hradscheck bis an den Schwellstein gekommen war, nahm er das Grabscheit von der Schulter, lehnte die Krücke gegen das am Hause sich hinziehende Weinspalier und wusch sich die Hände, saubrer Mann, der er war, in einem Kübel, drin die Dachtraufe mündete. Danach trat er in den Flur und ging auf sein Wohnzimmer zu. Hier traf er Ursel. Diese saß vor einem Nähtisch am Fenster und war, trotz der frühen Stunde, schon wieder in Toilette, ja noch sorglicher und geputzter als an dem Tage, wo sie die Kränze für die Kinder geflochten hatte. Das hochanschließende Kleid, das sie trug, war auch heute schlicht und dunkelfarbig (sie wußte, daß Schwarz ihr kleidete), der blanke Ledergürtel aber wurde durch eine Bronzeschnalle von auffälliger Größe zusammengehalten, während in ihren Ohrringen lange birnenförmige Bummeln von venetianischer Perlenmasse hingen. Sie wirkten anspruchsvoll und störten mehr, als sie schmückten. Aber für dergleichen gebrach es ihr an Wahrnehmung, wie denn auch der mit Schildpatt ausgelegte Nähtisch, trotz all seiner Eleganz, zu den beiden hellblauen Atlas-Sophas nicht recht passen wollte. Noch weniger zu dem weißen Trumeau. Links neben ihr, auf dem Fensterbrett, stand ein Arbeitskästchen, darin sie, gerade als Hradscheck eintrat, nach einem Faden suchte. Sie ließ sich dabei nicht stören und sah erst auf, als der Eintretende, halb scherzhaft, aber doch mit einem Anfluge von Tadel, sagte: „Nun, Ursel, schon in Staat? Und nichts zu thun mehr in der Küche?“ „Weil es fertig werden muß.“ „Was?“ „Das hier.“ Und dabei hielt sie Hradscheck ein Sammtkäpsel hin, an dem sie gerade nähte. „Wenig mit Liebe.“ „Für mich?“ „Nein. Dazu bist Du nicht fromm und, was Du lieber hören wirst, auch nicht alt genug.“ „Also für den Pastor?“ „Gerathen.“ „Für den Pastor. Nun gut. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und die Freundschaft mit einem Pastor kann man doppelt brauchen. Es giebt einem solch Ansehen. Und ich habe mir auch vorgenommen, ihn wieder öfter zu besuchen und mit Ede Sonntags umschichtig in die Kirche zu gehn.“ „Das thu nur; er hat sich schon gewundert.“ „Und hat auch Recht. Denn ich bin ihm eigentlich verschuldet. Und ist noch dazu der Einzige, dem ich gern verschuldet hin. Ja, Du siehst mich an, Ursel. Aber es ist so. Hat er Dich nicht auf den rechten Weg gebracht? Sage selbst. Wenn Eccelius nicht war, so stecktest Du noch in dem alten Unsinn.“ „Sprich nicht so. Was weißt Du davon? Jhr habt ja gar keine Religion. Und Eccelius eigentlich auch nicht. Aber er ist ein guter Mann, eine Seele von Mann, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-07-12T12:36:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Rahel Gajaneh Hartz: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-12T12:36:22Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter https://de.wikisource.org/wiki/Die_Gartenlaube#Editionsrichtlinien formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Fontanes Novelle „Unterm Birnbaum“ erschien 1885 in mehreren Fortsetzungen in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“; die einzelnen Textteile wurden im vorliegenden Text zusammengeführt. Die Abbildungen jeweils zu Beginn der einzelnen Hefte bzw. innerhalb der Textteile gehören nicht zur Novelle und wurden daher im vorliegenden DTA-Text nicht ausgewiesen.

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
  • I/J in Fraktur: wie Vorlage;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
  • Spaltenumbrüche markiert: nein;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/7
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/7>, abgerufen am 22.12.2024.