[Spaltenumbruch]
Priester wie die tollen Menschen in der Stadt herum, zurissen ihre Kleider, und räufften sich die Haare aus, weil ihre Eh- re und ihr Profit durch dieses Feuer nebst dem Tempel zugleich mit verzehret wurde. Man propheceyte, daß hiedurch gantz Asi- en ein sehr grosses Unglück angedeutet würde, welches auch ziemlicher massen eintraf; Denn um dieselbe Zeit ward Alexander Magnus gebohren, welcher her- nach mit seinen Krieges- Heeren mancher Provintz in Asien empfindliche und fata- le Streiche versetzet.
§. 4.
Der Dianen Tempel war durch diesen Brand nun endlich wohl zustöhret, nichts desto weniger aber ward der Göt- tin Dianä viel Ehre und Götzen-Dienst allenthalben bezeuget, und die Heyden richteten ihr auf den Hügeln Altäre auf, darauf der Dianen leibeigene Knechte o- der Sclaven geschlachtet und geopffert wurden. Doch den Römern wolte diese Grausamkeit nicht gefallen, daß man Menschen würgete, und endlich wurden andere Opffer-Ceremonien ausgeson- nen, die etwas gelinder waren. Man pflegete etliche Jünglinge durch das Looß zu erwehlen, die wurden hernach auf den Altar der Göttin gelegt, und so mit Ru- then gestrichen, daß ihnen das Blut häuf- fig von dem Leibe herabfloß. Sie erlit- ten diese Streiche nicht allein mit der grö- sten Gelassenheit, und ohne daß sie eini- ge Veränderung im Angesicht darüber bezeigten, sondern sie certirten auch noch mit frölichem Gemüthe, welcher unter ihnen die Schläge mit der grösten Tapf- ferkeit ausstehen würde. Dem Götzen- Dienst stund eine Weibes-Person vor, die den Jünglingen, so lange sie gestrichen wurden, das Götzen-Bild der Dianä vor- hielt, um ihnen einen Muth hiedurch zu machen; Wenn aber diejenigen, denen das Amt zu streichen anbefohlen war, ei- nen Knaben entweder wegen seiner schö- nen Gestalt, oder guten Herkommens, oder anderer Umstände, etwas gelinder tractirten, so wurd das Bild, so die Wei- bes-Person in der Hand hielt, so schwer, daß sie es kaum halten konte, und also den andern reprochiren muste, daß sie bey den Streichen ihre Pflicht nicht so beob- achteten, wie sie wohl billig solten. S. des Joachim von Sandrat herausgegebene Chronologie Deorum, pag. 37. Nachdem man auch endlich dieser Methode, welche mit der menschlichen Natur eben nicht all- zu sehr übereinkömmt, überdrüßig ward, [Spaltenumbruch]
so kam eine andere Art des Opfferns auf. Man fieng nemlich ein schmahl Thier, ei- nes Jahres alt, so noch mit keiner Geilheit zu thun gehabt, lebendig, und schlachtete es der Göttin Dianä zu Ehren und zum Opffer, biß endlich bey Einführung der Christlichen Religion dieser heydnische Götzen-Dienst auch abgeschafft ward, ausser daß noch in manchen Provinzien der heydnischen Völcker einige Reliquien davon übrig geblieben.
Das 22. Capitel/ Von dem wütenden Heer.
§. 1.
Es ist bekandt, daß unterschiedene Leu- te, die des Nachts Reisen anstellen, sich gegen andere verlauten lassen, als ob sie an diesem oder jenem Orte in dem Wal- de ein Wald-Geschrey gehöret, als ob ei- ne Jagd gehalten würde, sie hätten das Blasen der Hifft- Hörner, das Lärmen der Jagenden, und den Laut der Hunde gar eigentlich vernommen; ja manche sa- gen wohl gar, sie hätten die Jäger gesehen mit feurigen Augen, in gräßlicher Gestalt, und auf monströsen Pferden reiten. Die- ser Aufzug wird von dem gemeinen Mann insgemein das wütende Heer genennet. Es soll sich dieses wütende Heer vor an- dern zwischen Gotha und Eysenach an den Grentzen des Hörselberges um die heilige Weyhnachten, oder um die Fasten-Zeit hören lassen. Vor diesen Jagd-Leuten soll ein langer Mann mit einem grossen Stabe reiten, der die Reisenden warnet, und der treue Eckard genannt wird. Jn dem Ertzgebürgischen Creyße, in dem Hartz-Walde, ingleichen um Groitzsch herum, so bey Pegau liegt, und an andern Orten mehr, wird von dem wütenden Heer unterschiedenes erzehlet, und insge- mein vorgegeben, es sey dieses dieser oder jener verstorbene Graf oder Edelmann, der ein grosser Liebhaber von der Jäge- rey in seinem Leben gewesen, und dabey die Unterthanen sehr geplaget und gepei- niget. Dessen Geist müste nun nach sei- nem Tode in diesem Walde beständig herumziehen.
§. 2.
Wenn man nun über dieses wü- tende Heer raisoniren soll, so muß man erstlich wohl prüfen, ob es mit der Wahr- heit dergleichen Erzehlungen seine Rich- tigkeit habe; und zum andern, was doch wohl der Grund von dergleichen Erschei-
nungen
E 2
Von der Dianen Tempel zu Epheſo.
[Spaltenumbruch]
Prieſter wie die tollen Menſchen in der Stadt herum, zuriſſen ihre Kleider, und raͤufften ſich die Haare aus, weil ihre Eh- re und ihr Profit durch dieſes Feuer nebſt dem Tempel zugleich mit verzehret wurde. Man propheceyte, daß hiedurch gantz Aſi- en ein ſehr groſſes Ungluͤck angedeutet wuͤrde, welches auch ziemlicher maſſen eintraf; Denn um dieſelbe Zeit ward Alexander Magnus gebohren, welcher her- nach mit ſeinen Krieges- Heeren mancher Provintz in Aſien empfindliche und fata- le Streiche verſetzet.
§. 4.
Der Dianen Tempel war durch dieſen Brand nun endlich wohl zuſtoͤhret, nichts deſto weniger aber ward der Goͤt- tin Dianaͤ viel Ehre und Goͤtzen-Dienſt allenthalben bezeuget, und die Heyden richteten ihr auf den Huͤgeln Altaͤre auf, darauf der Dianen leibeigene Knechte o- der Sclaven geſchlachtet und geopffert wurden. Doch den Roͤmern wolte dieſe Grauſamkeit nicht gefallen, daß man Menſchen wuͤrgete, und endlich wurden andere Opffer-Ceremonien ausgeſon- nen, die etwas gelinder waren. Man pflegete etliche Juͤnglinge durch das Looß zu erwehlen, die wurden hernach auf den Altar der Goͤttin gelegt, und ſo mit Ru- then geſtrichen, daß ihnen das Blut haͤuf- fig von dem Leibe herabfloß. Sie erlit- ten dieſe Streiche nicht allein mit der groͤ- ſten Gelaſſenheit, und ohne daß ſie eini- ge Veraͤnderung im Angeſicht daruͤber bezeigten, ſondern ſie certirten auch noch mit froͤlichem Gemuͤthe, welcher unter ihnen die Schlaͤge mit der groͤſten Tapf- ferkeit ausſtehen wuͤrde. Dem Goͤtzen- Dienſt ſtund eine Weibes-Perſon vor, die den Juͤnglingen, ſo lange ſie geſtrichen wurden, das Goͤtzen-Bild der Dianaͤ vor- hielt, um ihnen einen Muth hiedurch zu machen; Wenn aber diejenigen, denen das Amt zu ſtreichen anbefohlen war, ei- nen Knaben entweder wegen ſeiner ſchoͤ- nen Geſtalt, oder guten Herkommens, oder anderer Umſtaͤnde, etwas gelinder tractirten, ſo wurd das Bild, ſo die Wei- bes-Perſon in der Hand hielt, ſo ſchwer, daß ſie es kaum halten konte, und alſo den andern reprochiren muſte, daß ſie bey den Streichen ihre Pflicht nicht ſo beob- achteten, wie ſie wohl billig ſolten. S. des Joachim von Sandrat herausgegebene Chronologie Deorum, pag. 37. Nachdem man auch endlich dieſer Methode, welche mit der menſchlichen Natur eben nicht all- zu ſehr uͤbereinkoͤmmt, uͤberdruͤßig ward, [Spaltenumbruch]
ſo kam eine andere Art des Opfferns auf. Man fieng nemlich ein ſchmahl Thier, ei- nes Jahres alt, ſo noch mit keiner Geilheit zu thun gehabt, lebendig, und ſchlachtete es der Goͤttin Dianaͤ zu Ehren und zum Opffer, biß endlich bey Einfuͤhrung der Chriſtlichen Religion dieſer heydniſche Goͤtzen-Dienſt auch abgeſchafft ward, auſſer daß noch in manchen Provinzien der heydniſchen Voͤlcker einige Reliquien davon uͤbrig geblieben.
Das 22. Capitel/ Von dem wuͤtenden Heer.
§. 1.
Es iſt bekandt, daß unterſchiedene Leu- te, die des Nachts Reiſen anſtellen, ſich gegen andere verlauten laſſen, als ob ſie an dieſem oder jenem Orte in dem Wal- de ein Wald-Geſchrey gehoͤret, als ob ei- ne Jagd gehalten wuͤrde, ſie haͤtten das Blaſen der Hifft- Hoͤrner, das Laͤrmen der Jagenden, und den Laut der Hunde gar eigentlich vernommen; ja manche ſa- gen wohl gar, ſie haͤtten die Jaͤger geſehen mit feurigen Augen, in graͤßlicher Geſtalt, und auf monſtröſen Pferden reiten. Die- ſer Aufzug wird von dem gemeinen Mañ insgemein das wuͤtende Heer genennet. Es ſoll ſich dieſes wuͤtende Heer vor an- dern zwiſchen Gotha und Eyſenach an den Grentzen des Hoͤrſelberges um die heilige Weyhnachten, oder um die Faſten-Zeit hoͤren laſſen. Vor dieſen Jagd-Leuten ſoll ein langer Mann mit einem groſſen Stabe reiten, der die Reiſenden warnet, und der treue Eckard genannt wird. Jn dem Ertzgebuͤrgiſchen Creyße, in dem Hartz-Walde, ingleichen um Groitzſch herum, ſo bey Pegau liegt, und an andern Orten mehr, wird von dem wuͤtenden Heer unterſchiedenes erzehlet, und insge- mein vorgegeben, es ſey dieſes dieſer oder jener verſtorbene Graf oder Edelmann, der ein groſſer Liebhaber von der Jaͤge- rey in ſeinem Leben geweſen, und dabey die Unterthanen ſehr geplaget und gepei- niget. Deſſen Geiſt muͤſte nun nach ſei- nem Tode in dieſem Walde beſtaͤndig herumziehen.
§. 2.
Wenn man nun uͤber dieſes wuͤ- tende Heer raiſoniren ſoll, ſo muß man erſtlich wohl pruͤfen, ob es mit der Wahr- heit dergleichen Erzehlungen ſeine Rich- tigkeit habe; und zum andern, was doch wohl der Grund von dergleichen Erſchei-
nungen
E 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0091"n="35"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von der Dianen Tempel zu Epheſo.</hi></fw><lb/><cb/>
Prieſter wie die tollen Menſchen in der<lb/>
Stadt herum, zuriſſen ihre Kleider, und<lb/>
raͤufften ſich die Haare aus, weil ihre Eh-<lb/>
re und ihr Profit durch dieſes Feuer nebſt<lb/>
dem Tempel zugleich mit verzehret wurde.<lb/>
Man propheceyte, daß hiedurch gantz Aſi-<lb/>
en ein ſehr groſſes Ungluͤck angedeutet<lb/>
wuͤrde, welches auch ziemlicher maſſen<lb/>
eintraf; Denn um dieſelbe Zeit ward<lb/><hirendition="#aq">Alexander Magnus</hi> gebohren, welcher her-<lb/>
nach mit ſeinen Krieges- Heeren mancher<lb/>
Provintz in Aſien empfindliche und <hirendition="#aq">fata-<lb/>
l</hi>e Streiche verſetzet.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 4.</head><p>Der Dianen Tempel war durch<lb/>
dieſen Brand nun endlich wohl zuſtoͤhret,<lb/>
nichts deſto weniger aber ward der Goͤt-<lb/>
tin Dianaͤ viel Ehre und Goͤtzen-Dienſt<lb/>
allenthalben bezeuget, und die Heyden<lb/>
richteten ihr auf den Huͤgeln Altaͤre auf,<lb/>
darauf der Dianen leibeigene Knechte o-<lb/>
der Sclaven geſchlachtet und geopffert<lb/>
wurden. Doch den Roͤmern wolte dieſe<lb/>
Grauſamkeit nicht gefallen, daß man<lb/>
Menſchen wuͤrgete, und endlich wurden<lb/>
andere Opffer-Ceremonien ausgeſon-<lb/>
nen, die etwas gelinder waren. Man<lb/>
pflegete etliche Juͤnglinge durch das Looß<lb/>
zu erwehlen, die wurden hernach auf den<lb/>
Altar der Goͤttin gelegt, und ſo mit Ru-<lb/>
then geſtrichen, daß ihnen das Blut haͤuf-<lb/>
fig von dem Leibe herabfloß. Sie erlit-<lb/>
ten dieſe Streiche nicht allein mit der groͤ-<lb/>ſten Gelaſſenheit, und ohne daß ſie eini-<lb/>
ge Veraͤnderung im Angeſicht daruͤber<lb/>
bezeigten, ſondern ſie <hirendition="#aq">certi</hi>rten auch noch<lb/>
mit froͤlichem Gemuͤthe, welcher unter<lb/>
ihnen die Schlaͤge mit der groͤſten Tapf-<lb/>
ferkeit ausſtehen wuͤrde. Dem Goͤtzen-<lb/>
Dienſt ſtund eine Weibes-Perſon vor,<lb/>
die den Juͤnglingen, ſo lange ſie geſtrichen<lb/>
wurden, das Goͤtzen-Bild der Dianaͤ vor-<lb/>
hielt, um ihnen einen Muth hiedurch zu<lb/>
machen; Wenn aber diejenigen, denen<lb/>
das Amt zu ſtreichen anbefohlen war, ei-<lb/>
nen Knaben entweder wegen ſeiner ſchoͤ-<lb/>
nen Geſtalt, oder guten Herkommens,<lb/>
oder anderer Umſtaͤnde, etwas gelinder<lb/><hirendition="#aq">tracti</hi>rten, ſo wurd das Bild, ſo die Wei-<lb/>
bes-Perſon in der Hand hielt, ſo ſchwer,<lb/>
daß ſie es kaum halten konte, und alſo den<lb/>
andern <hirendition="#aq">reprochi</hi>ren muſte, daß ſie bey<lb/>
den Streichen ihre Pflicht nicht ſo beob-<lb/>
achteten, wie ſie wohl billig ſolten. S. des<lb/>
Joachim von Sandrat herausgegebene<lb/><hirendition="#aq">Chronologi</hi>e <hirendition="#aq">Deorum, pag.</hi> 37. Nachdem<lb/>
man auch endlich dieſer <hirendition="#aq">Method</hi>e, welche<lb/>
mit der menſchlichen Natur eben nicht all-<lb/>
zu ſehr uͤbereinkoͤmmt, uͤberdruͤßig ward,<lb/><cb/>ſo kam eine andere Art des Opfferns auf.<lb/>
Man fieng nemlich ein ſchmahl Thier, ei-<lb/>
nes Jahres alt, ſo noch mit keiner Geilheit<lb/>
zu thun gehabt, lebendig, und ſchlachtete<lb/>
es der Goͤttin Dianaͤ zu Ehren und zum<lb/>
Opffer, biß endlich bey Einfuͤhrung der<lb/>
Chriſtlichen Religion dieſer heydniſche<lb/>
Goͤtzen-Dienſt auch abgeſchafft ward,<lb/>
auſſer daß noch in manchen Provinzien<lb/>
der heydniſchen Voͤlcker einige <hirendition="#aq">Reliqui</hi>en<lb/>
davon uͤbrig geblieben.</p></div></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das 22. Capitel/<lb/>
Von dem wuͤtenden Heer.</hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 1.</head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>s iſt bekandt, daß unterſchiedene Leu-<lb/>
te, die des Nachts Reiſen anſtellen,<lb/>ſich gegen andere verlauten laſſen, als ob<lb/>ſie an dieſem oder jenem Orte in dem Wal-<lb/>
de ein Wald-Geſchrey gehoͤret, als ob ei-<lb/>
ne Jagd gehalten wuͤrde, ſie haͤtten das<lb/>
Blaſen der Hifft- Hoͤrner, das Laͤrmen<lb/>
der Jagenden, und den Laut der Hunde<lb/>
gar eigentlich vernommen; ja manche ſa-<lb/>
gen wohl gar, ſie haͤtten die Jaͤger geſehen<lb/>
mit feurigen Augen, in graͤßlicher Geſtalt,<lb/>
und auf <hirendition="#aq">monſtröſ</hi>en Pferden reiten. Die-<lb/>ſer Aufzug wird von dem gemeinen Mañ<lb/>
insgemein das wuͤtende Heer genennet.<lb/>
Es ſoll ſich dieſes wuͤtende Heer vor an-<lb/>
dern zwiſchen Gotha und Eyſenach an den<lb/>
Grentzen des Hoͤrſelberges um die heilige<lb/>
Weyhnachten, oder um die Faſten-Zeit<lb/>
hoͤren laſſen. Vor dieſen Jagd-Leuten<lb/>ſoll ein langer Mann mit einem groſſen<lb/>
Stabe reiten, der die Reiſenden warnet,<lb/>
und der treue Eckard genannt wird. Jn<lb/>
dem Ertzgebuͤrgiſchen Creyße, in dem<lb/>
Hartz-Walde, ingleichen um Groitzſch<lb/>
herum, ſo bey Pegau liegt, und an andern<lb/>
Orten mehr, wird von dem wuͤtenden<lb/>
Heer unterſchiedenes erzehlet, und insge-<lb/>
mein vorgegeben, es ſey dieſes dieſer oder<lb/>
jener verſtorbene Graf oder Edelmann,<lb/>
der ein groſſer Liebhaber von der Jaͤge-<lb/>
rey in ſeinem Leben geweſen, und dabey<lb/>
die Unterthanen ſehr geplaget und gepei-<lb/>
niget. Deſſen Geiſt muͤſte nun nach ſei-<lb/>
nem Tode in dieſem Walde beſtaͤndig<lb/>
herumziehen.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 2.</head><p>Wenn man nun uͤber dieſes wuͤ-<lb/>
tende Heer <hirendition="#aq">raiſoni</hi>ren ſoll, ſo muß man<lb/>
erſtlich wohl pruͤfen, ob es mit der Wahr-<lb/>
heit dergleichen Erzehlungen ſeine Rich-<lb/>
tigkeit habe; und zum andern, was doch<lb/>
wohl der Grund von dergleichen Erſchei-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">nungen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[35/0091]
Von der Dianen Tempel zu Epheſo.
Prieſter wie die tollen Menſchen in der
Stadt herum, zuriſſen ihre Kleider, und
raͤufften ſich die Haare aus, weil ihre Eh-
re und ihr Profit durch dieſes Feuer nebſt
dem Tempel zugleich mit verzehret wurde.
Man propheceyte, daß hiedurch gantz Aſi-
en ein ſehr groſſes Ungluͤck angedeutet
wuͤrde, welches auch ziemlicher maſſen
eintraf; Denn um dieſelbe Zeit ward
Alexander Magnus gebohren, welcher her-
nach mit ſeinen Krieges- Heeren mancher
Provintz in Aſien empfindliche und fata-
le Streiche verſetzet.
§. 4. Der Dianen Tempel war durch
dieſen Brand nun endlich wohl zuſtoͤhret,
nichts deſto weniger aber ward der Goͤt-
tin Dianaͤ viel Ehre und Goͤtzen-Dienſt
allenthalben bezeuget, und die Heyden
richteten ihr auf den Huͤgeln Altaͤre auf,
darauf der Dianen leibeigene Knechte o-
der Sclaven geſchlachtet und geopffert
wurden. Doch den Roͤmern wolte dieſe
Grauſamkeit nicht gefallen, daß man
Menſchen wuͤrgete, und endlich wurden
andere Opffer-Ceremonien ausgeſon-
nen, die etwas gelinder waren. Man
pflegete etliche Juͤnglinge durch das Looß
zu erwehlen, die wurden hernach auf den
Altar der Goͤttin gelegt, und ſo mit Ru-
then geſtrichen, daß ihnen das Blut haͤuf-
fig von dem Leibe herabfloß. Sie erlit-
ten dieſe Streiche nicht allein mit der groͤ-
ſten Gelaſſenheit, und ohne daß ſie eini-
ge Veraͤnderung im Angeſicht daruͤber
bezeigten, ſondern ſie certirten auch noch
mit froͤlichem Gemuͤthe, welcher unter
ihnen die Schlaͤge mit der groͤſten Tapf-
ferkeit ausſtehen wuͤrde. Dem Goͤtzen-
Dienſt ſtund eine Weibes-Perſon vor,
die den Juͤnglingen, ſo lange ſie geſtrichen
wurden, das Goͤtzen-Bild der Dianaͤ vor-
hielt, um ihnen einen Muth hiedurch zu
machen; Wenn aber diejenigen, denen
das Amt zu ſtreichen anbefohlen war, ei-
nen Knaben entweder wegen ſeiner ſchoͤ-
nen Geſtalt, oder guten Herkommens,
oder anderer Umſtaͤnde, etwas gelinder
tractirten, ſo wurd das Bild, ſo die Wei-
bes-Perſon in der Hand hielt, ſo ſchwer,
daß ſie es kaum halten konte, und alſo den
andern reprochiren muſte, daß ſie bey
den Streichen ihre Pflicht nicht ſo beob-
achteten, wie ſie wohl billig ſolten. S. des
Joachim von Sandrat herausgegebene
Chronologie Deorum, pag. 37. Nachdem
man auch endlich dieſer Methode, welche
mit der menſchlichen Natur eben nicht all-
zu ſehr uͤbereinkoͤmmt, uͤberdruͤßig ward,
ſo kam eine andere Art des Opfferns auf.
Man fieng nemlich ein ſchmahl Thier, ei-
nes Jahres alt, ſo noch mit keiner Geilheit
zu thun gehabt, lebendig, und ſchlachtete
es der Goͤttin Dianaͤ zu Ehren und zum
Opffer, biß endlich bey Einfuͤhrung der
Chriſtlichen Religion dieſer heydniſche
Goͤtzen-Dienſt auch abgeſchafft ward,
auſſer daß noch in manchen Provinzien
der heydniſchen Voͤlcker einige Reliquien
davon uͤbrig geblieben.
Das 22. Capitel/
Von dem wuͤtenden Heer.
§. 1.
Es iſt bekandt, daß unterſchiedene Leu-
te, die des Nachts Reiſen anſtellen,
ſich gegen andere verlauten laſſen, als ob
ſie an dieſem oder jenem Orte in dem Wal-
de ein Wald-Geſchrey gehoͤret, als ob ei-
ne Jagd gehalten wuͤrde, ſie haͤtten das
Blaſen der Hifft- Hoͤrner, das Laͤrmen
der Jagenden, und den Laut der Hunde
gar eigentlich vernommen; ja manche ſa-
gen wohl gar, ſie haͤtten die Jaͤger geſehen
mit feurigen Augen, in graͤßlicher Geſtalt,
und auf monſtröſen Pferden reiten. Die-
ſer Aufzug wird von dem gemeinen Mañ
insgemein das wuͤtende Heer genennet.
Es ſoll ſich dieſes wuͤtende Heer vor an-
dern zwiſchen Gotha und Eyſenach an den
Grentzen des Hoͤrſelberges um die heilige
Weyhnachten, oder um die Faſten-Zeit
hoͤren laſſen. Vor dieſen Jagd-Leuten
ſoll ein langer Mann mit einem groſſen
Stabe reiten, der die Reiſenden warnet,
und der treue Eckard genannt wird. Jn
dem Ertzgebuͤrgiſchen Creyße, in dem
Hartz-Walde, ingleichen um Groitzſch
herum, ſo bey Pegau liegt, und an andern
Orten mehr, wird von dem wuͤtenden
Heer unterſchiedenes erzehlet, und insge-
mein vorgegeben, es ſey dieſes dieſer oder
jener verſtorbene Graf oder Edelmann,
der ein groſſer Liebhaber von der Jaͤge-
rey in ſeinem Leben geweſen, und dabey
die Unterthanen ſehr geplaget und gepei-
niget. Deſſen Geiſt muͤſte nun nach ſei-
nem Tode in dieſem Walde beſtaͤndig
herumziehen.
§. 2. Wenn man nun uͤber dieſes wuͤ-
tende Heer raiſoniren ſoll, ſo muß man
erſtlich wohl pruͤfen, ob es mit der Wahr-
heit dergleichen Erzehlungen ſeine Rich-
tigkeit habe; und zum andern, was doch
wohl der Grund von dergleichen Erſchei-
nungen
E 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/91>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.