Des Ersten Theils 20. Cap. von dem Alterthum der Wälder.
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die die kleineste Zahl ausmachen, damit sie Gelegenheit haben, sich hiebey die Thor- heiten und Eitelkeiten der Welt desto bes- ser vorzustellen, und allerhand guten und erbaulichen Reflexions nachzuhängen; wiewohl man dieses an allen Orten und zu allen Zeiten thun kan und soll, und es eben keiner gebaueten und besonders ein- gerichteten Eremitage dabey bedarff.
Das 20. Capitel/ Von dem Alterthum der Wälder.
§. 1.
Da der liebreiche Schöpffer den ersten Menschen an einen solchen Ort brach- te, welcher mit lauter Anmuth geseegnet war, und in welchem die Natur alle ihre Schätze und Lieblichkeiten, so zu sagen, aufgeputzet hatte, so waren auch allda Bäume, so lieblich anzusehen, anzutref- fen. Ob es lauter fruchtbahre und Gar- ten-Bäume, oder ob auch von mancher- ley wilden Holtz unterschiedenes mit un- termengt gewesen, kan man nicht gewiß determiniren, wiewohl das erstere pro- babler scheinet; Jnzwischen ist doch auch gewiß, daß die wilden Bäume von einem feinen Ansehen. Die alten eyßgrauen Eichen, die schönen Ahorn-Bäume mit ihrem breiten prächtigen Laube, die schlan- cken Tannen mit ihren beständig grünen- den Tangeln, die furchtsamen Espen mit ihrem zitternden Laube, die niedrigen hartzigen Wacholder-Bäumgen, und an- dere Bäume, verursachen mit ihrem man- cherley Unterscheid dem Gesicht einen an- genehmen Prospect. Es sind daher auch die Wälder iederzeit hoch und ansehnlich geachtet worden. Abraham der Ertz- Vater wohnte in dem Hayn Mamre, all- wo er GOtt selbst, so ihm in angenom- mener menschlichen Gestalt erschienen, nach seinem Vermögen bewirthete. 1. B. Mos. am 18. Cap. Die Prophetin De- bora wohnte auf dem Gebürge Ephraim unter den Palmbäumen. Die alten Weltweisen in Griechenland, sonderlich zu Athen, concipirten die sinnreichsten Meditationes unter dem Schatten der Bäume, weil sie in den Gedancken stun- den, daß der Schatten der Bäume die Sinnen am allermeisten schärffte; sie informirten auch demnach ihre Schüler am fleißigsten und liebsten in den finstern, kühlen u. Schattenreichen Wäldern, weil [Spaltenumbruch]
sie ihren Gedancken daselbst rechte Audi- enz geben konten; Sie hielten eine solche stille Einsamkeit, die dicken und finstern Wälder, die angenehmen rauschenden Wasser-Qvellen, nebst dem herrlichen Vogel-Gesang vor was recht Göttliches. Unsere alten Teutschen wohnten grösten Theils in den Wäldern, und ergötzten sich an dem Schall ihrer Jagd-Hörner, die in den Bergen und Thälern ein angenehm Echo von sich gaben, an dem Laut der Hunde, und an dem Geschrey und Ge- lärme mancherley wilden Thiere.
§. 2.
Die alten Heyden hatten gewis- se geheiligte Wälder, Luci genannt, diese dieneten zu Freystädten und Asylis denen Verbrechern, weil sie an diesen privilegir- ten Oertern ihre Retirade fanden. Man glaubte auch vordessen in dem abergläubi- schen Heydenthum, daß die Götter und Göttinnen in den finstern Wäldern ihre Wohnung aufschlügen, und durffte man auch kein Thier noch Vogel im geringsten in denselben beleidigen. Jn dem Wald bey Antiochia stund ein Tempel der Göt- tin Diana, welcher seiner angenehmen Si- tuation halber mit allem Fleiß auserwehlt ward. Es retirirte sich der fromme Ho- he-Priester Onias in diesen befreyeten Wald, aus Hoffnung, da sicher zu seyn, er wurde aber mit listiger Beredung aus der Freyheit gelockt, und meuchelmörderi- scher Weise ermordet.
§. 3.
In solchen abgöttischen gehei- ligten Wäldern durffte nach damahligem Gebrauch der Heyden kein Vieh gehütet werden, damit nicht etwan solche Oerter von dem unreinen Vieh verunreiniget würden, welches nachgehends noch eine lange Zeit bey den Christen im Gebrauch geblieben. Es sind hin und wieder in Sachsen und andern Landen einige Reli- quien von solchen Götzen-Tempeln anzu- treffen. Also findet man in dem Marg- grafthum Nieder-Lausitz, und zwar zu Lübben vor dem Luckauischen Thore bey dem Hospital-Kirchhofe dergleichen an- genehmen Lust-Wald, darinnen die al- ten heydnischen Wenden eine steinerne Göttin veneriret, die sie Lupam genennet; Sie hatte zwar einige Menschen-Gestalt, praesentirte sich aber mit Ziegen-Füssen. Vor diesen Götzen-Bilde liessen die Leute durch die Pfaffen räuchern, und ihre gros- se Devotion erweisen. Es wird dieser Busch noch heutiges Tages der Hayn ge- nennet, und findet man von den damahli- gen Zeiten her heut zu Tage noch viel
Städte,
Des Erſten Theils 20. Cap. von dem Alterthum der Waͤlder.
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die die kleineſte Zahl ausmachen, damit ſie Gelegenheit haben, ſich hiebey die Thor- heiten und Eitelkeiten der Welt deſto beſ- ſer vorzuſtellen, und allerhand guten und erbaulichen Reflexions nachzuhaͤngen; wiewohl man dieſes an allen Orten und zu allen Zeiten thun kan und ſoll, und es eben keiner gebaueten und beſonders ein- gerichteten Eremitage dabey bedarff.
Das 20. Capitel/ Von dem Alterthum der Waͤlder.
§. 1.
Da der liebreiche Schoͤpffer den erſten Menſchen an einen ſolchen Ort brach- te, welcher mit lauter Anmuth geſeegnet war, und in welchem die Natur alle ihre Schaͤtze und Lieblichkeiten, ſo zu ſagen, aufgeputzet hatte, ſo waren auch allda Baͤume, ſo lieblich anzuſehen, anzutref- fen. Ob es lauter fruchtbahre und Gar- ten-Baͤume, oder ob auch von mancher- ley wilden Holtz unterſchiedenes mit un- termengt geweſen, kan man nicht gewiß determiniren, wiewohl das erſtere pro- babler ſcheinet; Jnzwiſchen iſt doch auch gewiß, daß die wilden Baͤume von einem feinen Anſehen. Die alten eyßgrauen Eichen, die ſchoͤnen Ahorn-Baͤume mit ihrem breiten praͤchtigen Laube, die ſchlan- cken Tannen mit ihren beſtaͤndig gruͤnen- den Tangeln, die furchtſamen Eſpen mit ihrem zitternden Laube, die niedrigen hartzigen Wacholder-Baͤumgen, und an- dere Baͤume, verurſachen mit ihrem man- cherley Unterſcheid dem Geſicht einen an- genehmen Proſpect. Es ſind daher auch die Waͤlder iederzeit hoch und anſehnlich geachtet worden. Abraham der Ertz- Vater wohnte in dem Hayn Mamre, all- wo er GOtt ſelbſt, ſo ihm in angenom- mener menſchlichen Geſtalt erſchienen, nach ſeinem Vermoͤgen bewirthete. 1. B. Moſ. am 18. Cap. Die Prophetin De- bora wohnte auf dem Gebuͤrge Ephraim unter den Palmbaͤumen. Die alten Weltweiſen in Griechenland, ſonderlich zu Athen, concipirten die ſinnreichſten Meditationes unter dem Schatten der Baͤume, weil ſie in den Gedancken ſtun- den, daß der Schatten der Baͤume die Sinnen am allermeiſten ſchaͤrffte; ſie informirten auch demnach ihre Schuͤler am fleißigſten und liebſten in den finſtern, kuͤhlen u. Schattenreichen Waͤldern, weil [Spaltenumbruch]
ſie ihren Gedancken daſelbſt rechte Audi- enz geben konten; Sie hielten eine ſolche ſtille Einſamkeit, die dicken und finſtern Waͤlder, die angenehmen rauſchenden Waſſer-Qvellen, nebſt dem herrlichen Vogel-Geſang vor was recht Goͤttliches. Unſere alten Teutſchen wohnten groͤſten Theils in den Waͤldern, und ergoͤtzten ſich an dem Schall ihrer Jagd-Hoͤrner, die in den Bergen und Thaͤlern ein angenehm Echo von ſich gaben, an dem Laut der Hunde, und an dem Geſchrey und Ge- laͤrme mancherley wilden Thiere.
§. 2.
Die alten Heyden hatten gewiſ- ſe geheiligte Waͤlder, Luci genannt, dieſe dieneten zu Freyſtaͤdten und Aſylis denen Verbrechern, weil ſie an dieſen privilegir- ten Oertern ihre Retirade fanden. Man glaubte auch vordeſſen in dem aberglaͤubi- ſchen Heydenthum, daß die Goͤtter und Goͤttinnen in den finſtern Waͤldern ihre Wohnung aufſchluͤgen, und durffte man auch kein Thier noch Vogel im geringſten in denſelben beleidigen. Jn dem Wald bey Antiochia ſtund ein Tempel der Goͤt- tin Diana, welcher ſeiner angenehmen Si- tuation halber mit allem Fleiß auserwehlt ward. Es retirirte ſich der fromme Ho- he-Prieſter Onias in dieſen befreyeten Wald, aus Hoffnung, da ſicher zu ſeyn, er wurde aber mit liſtiger Beredung aus der Freyheit gelockt, und meuchelmoͤrderi- ſcher Weiſe ermordet.
§. 3.
In ſolchen abgoͤttiſchen gehei- ligten Waͤldern durffte nach damahligem Gebrauch der Heyden kein Vieh gehuͤtet werden, damit nicht etwan ſolche Oerter von dem unreinen Vieh verunreiniget wuͤrden, welches nachgehends noch eine lange Zeit bey den Chriſten im Gebrauch geblieben. Es ſind hin und wieder in Sachſen und andern Landen einige Reli- quien von ſolchen Goͤtzen-Tempeln anzu- treffen. Alſo findet man in dem Marg- grafthum Nieder-Lauſitz, und zwar zu Luͤbben vor dem Luckauiſchen Thore bey dem Hoſpital-Kirchhofe dergleichen an- genehmen Luſt-Wald, darinnen die al- ten heydniſchen Wenden eine ſteinerne Goͤttin veneriret, die ſie Lupam genennet; Sie hatte zwar einige Menſchen-Geſtalt, praeſentirte ſich aber mit Ziegen-Fuͤſſen. Vor dieſen Goͤtzen-Bilde lieſſen die Leute durch die Pfaffen raͤuchern, und ihre groſ- ſe Devotion erweiſen. Es wird dieſer Buſch noch heutiges Tages der Hayn ge- nennet, und findet man von den damahli- gen Zeiten her heut zu Tage noch viel
Staͤdte,
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Des Erſten Theils 20. Cap. von dem Alterthum der Waͤlder.
die die kleineſte Zahl ausmachen, damit
ſie Gelegenheit haben, ſich hiebey die Thor-
heiten und Eitelkeiten der Welt deſto beſ-
ſer vorzuſtellen, und allerhand guten und
erbaulichen Reflexions nachzuhaͤngen;
wiewohl man dieſes an allen Orten und
zu allen Zeiten thun kan und ſoll, und es
eben keiner gebaueten und beſonders ein-
gerichteten Eremitage dabey bedarff.
Das 20. Capitel/
Von dem Alterthum der
Waͤlder.
§. 1.
Da der liebreiche Schoͤpffer den erſten
Menſchen an einen ſolchen Ort brach-
te, welcher mit lauter Anmuth geſeegnet
war, und in welchem die Natur alle ihre
Schaͤtze und Lieblichkeiten, ſo zu ſagen,
aufgeputzet hatte, ſo waren auch allda
Baͤume, ſo lieblich anzuſehen, anzutref-
fen. Ob es lauter fruchtbahre und Gar-
ten-Baͤume, oder ob auch von mancher-
ley wilden Holtz unterſchiedenes mit un-
termengt geweſen, kan man nicht gewiß
determiniren, wiewohl das erſtere pro-
babler ſcheinet; Jnzwiſchen iſt doch auch
gewiß, daß die wilden Baͤume von einem
feinen Anſehen. Die alten eyßgrauen
Eichen, die ſchoͤnen Ahorn-Baͤume mit
ihrem breiten praͤchtigen Laube, die ſchlan-
cken Tannen mit ihren beſtaͤndig gruͤnen-
den Tangeln, die furchtſamen Eſpen mit
ihrem zitternden Laube, die niedrigen
hartzigen Wacholder-Baͤumgen, und an-
dere Baͤume, verurſachen mit ihrem man-
cherley Unterſcheid dem Geſicht einen an-
genehmen Proſpect. Es ſind daher auch
die Waͤlder iederzeit hoch und anſehnlich
geachtet worden. Abraham der Ertz-
Vater wohnte in dem Hayn Mamre, all-
wo er GOtt ſelbſt, ſo ihm in angenom-
mener menſchlichen Geſtalt erſchienen,
nach ſeinem Vermoͤgen bewirthete. 1. B.
Moſ. am 18. Cap. Die Prophetin De-
bora wohnte auf dem Gebuͤrge Ephraim
unter den Palmbaͤumen. Die alten
Weltweiſen in Griechenland, ſonderlich
zu Athen, concipirten die ſinnreichſten
Meditationes unter dem Schatten der
Baͤume, weil ſie in den Gedancken ſtun-
den, daß der Schatten der Baͤume die
Sinnen am allermeiſten ſchaͤrffte; ſie
informirten auch demnach ihre Schuͤler
am fleißigſten und liebſten in den finſtern,
kuͤhlen u. Schattenreichen Waͤldern, weil
ſie ihren Gedancken daſelbſt rechte Audi-
enz geben konten; Sie hielten eine ſolche
ſtille Einſamkeit, die dicken und finſtern
Waͤlder, die angenehmen rauſchenden
Waſſer-Qvellen, nebſt dem herrlichen
Vogel-Geſang vor was recht Goͤttliches.
Unſere alten Teutſchen wohnten groͤſten
Theils in den Waͤldern, und ergoͤtzten ſich
an dem Schall ihrer Jagd-Hoͤrner, die in
den Bergen und Thaͤlern ein angenehm
Echo von ſich gaben, an dem Laut der
Hunde, und an dem Geſchrey und Ge-
laͤrme mancherley wilden Thiere.
§. 2. Die alten Heyden hatten gewiſ-
ſe geheiligte Waͤlder, Luci genannt, dieſe
dieneten zu Freyſtaͤdten und Aſylis denen
Verbrechern, weil ſie an dieſen privilegir-
ten Oertern ihre Retirade fanden. Man
glaubte auch vordeſſen in dem aberglaͤubi-
ſchen Heydenthum, daß die Goͤtter und
Goͤttinnen in den finſtern Waͤldern ihre
Wohnung aufſchluͤgen, und durffte man
auch kein Thier noch Vogel im geringſten
in denſelben beleidigen. Jn dem Wald
bey Antiochia ſtund ein Tempel der Goͤt-
tin Diana, welcher ſeiner angenehmen Si-
tuation halber mit allem Fleiß auserwehlt
ward. Es retirirte ſich der fromme Ho-
he-Prieſter Onias in dieſen befreyeten
Wald, aus Hoffnung, da ſicher zu ſeyn, er
wurde aber mit liſtiger Beredung aus der
Freyheit gelockt, und meuchelmoͤrderi-
ſcher Weiſe ermordet.
§. 3. In ſolchen abgoͤttiſchen gehei-
ligten Waͤldern durffte nach damahligem
Gebrauch der Heyden kein Vieh gehuͤtet
werden, damit nicht etwan ſolche Oerter
von dem unreinen Vieh verunreiniget
wuͤrden, welches nachgehends noch eine
lange Zeit bey den Chriſten im Gebrauch
geblieben. Es ſind hin und wieder in
Sachſen und andern Landen einige Reli-
quien von ſolchen Goͤtzen-Tempeln anzu-
treffen. Alſo findet man in dem Marg-
grafthum Nieder-Lauſitz, und zwar zu
Luͤbben vor dem Luckauiſchen Thore bey
dem Hoſpital-Kirchhofe dergleichen an-
genehmen Luſt-Wald, darinnen die al-
ten heydniſchen Wenden eine ſteinerne
Goͤttin veneriret, die ſie Lupam genennet;
Sie hatte zwar einige Menſchen-Geſtalt,
praeſentirte ſich aber mit Ziegen-Fuͤſſen.
Vor dieſen Goͤtzen-Bilde lieſſen die Leute
durch die Pfaffen raͤuchern, und ihre groſ-
ſe Devotion erweiſen. Es wird dieſer
Buſch noch heutiges Tages der Hayn ge-
nennet, und findet man von den damahli-
gen Zeiten her heut zu Tage noch viel
Staͤdte,
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/85>, abgerufen am 22.02.2025.
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