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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Vom Unterschied der Kräuter.
[Spaltenumbruch] solche Vettel sie gerichtet, noch dieselbige
Nacht zu ihr kommen müsse, ob sie gleich
viel Meilen von ihm entfernt wäre. S.
Valvasors Ehre des Hertzogthums Crayn
III. Buch p. 356. Die Wurtzel von der
Mannstreue soll zu den Venerischen Sa-
chen ungemein anreitzen. Jngleichen soll
das Knaben-Kraut eine solche Krafft be-
sitzen, daß es auch an denjenigen Orten,
wo es in grosser Menge wächst und blü-
het, den Personen von beyderley Ge-
schlecht einen besondern Stimulum geben
soll.

§. 7.

Wir haben in unserm Teutsch-
land so viel heilsame und vortreffliche Artz-
ney-Kräuter, daß wir der fremden gar
sehr wohl entbehren könten. Es haben
also unterschiedene mit sehr gutem Effect
den Ost-Indianischen Thee mit dem Eh-
renpreiß, mit dem edlen Gamanderlein,
mit der Betonica, mit dem Scordio und
andern Kräutern ersetzt. So wird auch
in der V. Observation der Actorum Medi-
corum Berolinensium
des II. Stückes von
dem Tencrio Vero sehr groß Werck ge-
macht. Es soll dem ausländischen Thee
am allergleichsten kommen, und noch viel
ähnlicher seyn, als alle die andern Kräu-
ter, die man dazu erwehlet. Es soll am
Geschmack eben so lieblich seyn, als der
Thee, und noch fast lieblicher, es soll eben
so tingiren, und von Krancken und Ge-
sunden gebraucht werden können. Es
wächset in grosser Menge auf den Frey-
waldischen Bergen in dem Brandenbur-
gischen, und ist bey dem Buchführer Ge-
dicken in Leipzig zu bekommen.

§. 8.

Die Kräuter sind nach dem
Unterschied der Länder und der Gegen-
den unterschieden. Jn den heissen Mit-
tägigen Ländern erweisen manche schon
andere Würckungen, als in dem kalten
Nord. Die auf den hohen Bergen wach-
sen, sind schon von einer andern Beschaf-
fenheit, als die in der Ebene, oder an
sumpffigten Orten stehen. Ja man hat
auch aus der Erfahrung, daß sie in einem
Sommer immer anders seyn, als in dem
andern, ie heisser die Sommer, ie kräff-
tiger und stärcker sind die Kräuter. Das
übrige, was von dieser Materie noch wei-
ter gesagt werden könte, will ich den Her-
ren Physicis und Medicis zur Untersu-
chung überlassen.

[Spaltenumbruch]
Das 19. Capitel/
Von einem Eremiten und
einer Eremitage.
§. 1.

Jndem ich mich ietzund mit meinen
Gedancken in den wüsten Wäldern,
und einsamen angenehmen Gegenden
aufhalte, so erinnere ich mich desjenigen
Eremitens und seiner Behältniß, die ich
einsten in Cujavien, als ich in Regiments-
Sachen als Major dahin verschickt wor-
den, angetroffen. Das Einsiedler-Häus-
gen war von vierkandtig beschlagenem
Holtze ins Gevierdte fünff Ellen Manns
hoch aufgeschroten, und mit Baumrin-
de bedeckt, die Thüre war mit höltzernen
Riegeln fest verwahrt. Jch kuckte durch
die Ritzen, und fand nichts anders drin-
nen, als zur lincken Hand eine niedrige
Banck, worauf ein Klötzgen lag. Gegen
über war das Bildniß der heiligen Mut-
ter GOttes in Kupfferstich zu sehen. Zur
rechten Hand ein klein Tischgen, worauf
ein höltzern Crucifix stand, und ein aufge-
schlagen Buch lag. Auf der langen Banck
zur lincken Hand war eine braune Ma-
tratze. Jm Winckel zur Erden stund ein
zugedeckter Krug, nebst einem groben
schwartzen Brode. Als ich nun dieses ein-
same Gebäude vorbey paßiret, begegnete
mir dieser Eremite in einer braunen zu-
rissenen Kappe, mit einem langen Stabe
und eyßgrauen Barte. Es hatte dieser
alte Greiß mancherley Kräuter in einem
leinen Tüchlein zusammen gelesen, und
verwahrte sie sehr wohl. Jch erkundig-
te mich nach den Kräfften und Würckun-
gen dieser Kräuter; er wolte mir aber kei-
ne andere Antwort geben, als daß er sol-
cher zur Erhaltung seiner Gesundheit be-
nöthiget wäre, indem er in dieser Wüste-
ney keine andere Medicamente bekommen
könte; Er sagte auch, daß das Genüssen sol-
cher Kräuter weit zuträglicher wäre, als
die besten Victualien. Jch grüssete ihn
auf Lateinisch, und ersuchte ihn, daß er sich
doch gefallen mögte lassen, ein freundlich
Gespräch mit mir zu halten. Er machte
eine gar furchtsame Mine dazu. Da er
nun endlich wohl sahe, daß ich ihm nichts
zu Leyde that, so hielt er zwar ein wenig
stille, schlug aber die Augen stets nieder,
biß er endlich Polnisch zu reden anfieng,
welches ich aber nicht verstand. Jch wol-
te ihm einen Gulden schencken, er weiger-
te sich aber beständig, denselben anzuneh-

men.
D 3

Vom Unterſchied der Kraͤuter.
[Spaltenumbruch] ſolche Vettel ſie gerichtet, noch dieſelbige
Nacht zu ihr kommen muͤſſe, ob ſie gleich
viel Meilen von ihm entfernt waͤre. S.
Valvaſors Ehre des Hertzogthums Crayn
III. Buch p. 356. Die Wurtzel von der
Mannstreue ſoll zu den Veneriſchen Sa-
chen ungemein anreitzen. Jngleichen ſoll
das Knaben-Kraut eine ſolche Krafft be-
ſitzen, daß es auch an denjenigen Orten,
wo es in groſſer Menge waͤchſt und bluͤ-
het, den Perſonen von beyderley Ge-
ſchlecht einen beſondern Stimulum geben
ſoll.

§. 7.

Wir haben in unſerm Teutſch-
land ſo viel heilſame und vortreffliche Artz-
ney-Kraͤuter, daß wir der fremden gar
ſehr wohl entbehren koͤnten. Es haben
alſo unterſchiedene mit ſehr gutem Effect
den Oſt-Indianiſchen Thée mit dem Eh-
renpreiß, mit dem edlen Gamanderlein,
mit der Betonica, mit dem Scordio und
andern Kraͤutern erſetzt. So wird auch
in der V. Obſervation der Actorum Medi-
corum Berolinenſium
des II. Stuͤckes von
dem Tencrio Vero ſehr groß Werck ge-
macht. Es ſoll dem auslaͤndiſchen Thée
am allergleichſten kommen, und noch viel
aͤhnlicher ſeyn, als alle die andern Kraͤu-
ter, die man dazu erwehlet. Es ſoll am
Geſchmack eben ſo lieblich ſeyn, als der
Thée, und noch faſt lieblicher, es ſoll eben
ſo tingiren, und von Krancken und Ge-
ſunden gebraucht werden koͤnnen. Es
waͤchſet in groſſer Menge auf den Frey-
waldiſchen Bergen in dem Brandenbur-
giſchen, und iſt bey dem Buchfuͤhrer Ge-
dicken in Leipzig zu bekommen.

§. 8.

Die Kraͤuter ſind nach dem
Unterſchied der Laͤnder und der Gegen-
den unterſchieden. Jn den heiſſen Mit-
taͤgigen Laͤndern erweiſen manche ſchon
andere Wuͤrckungen, als in dem kalten
Nord. Die auf den hohen Bergen wach-
ſen, ſind ſchon von einer andern Beſchaf-
fenheit, als die in der Ebene, oder an
ſumpffigten Orten ſtehen. Ja man hat
auch aus der Erfahrung, daß ſie in einem
Sommer immer anders ſeyn, als in dem
andern, ie heiſſer die Sommer, ie kraͤff-
tiger und ſtaͤrcker ſind die Kraͤuter. Das
uͤbrige, was von dieſer Materie noch wei-
ter geſagt werden koͤnte, will ich den Her-
ren Phyſicis und Medicis zur Unterſu-
chung uͤberlaſſen.

[Spaltenumbruch]
Das 19. Capitel/
Von einem Eremiten und
einer Eremitage.
§. 1.

Jndem ich mich ietzund mit meinen
Gedancken in den wuͤſten Waͤldern,
und einſamen angenehmen Gegenden
aufhalte, ſo erinnere ich mich desjenigen
Eremitens und ſeiner Behaͤltniß, die ich
einſten in Cujavien, als ich in Regiments-
Sachen als Major dahin verſchickt wor-
den, angetroffen. Das Einſiedler-Haͤus-
gen war von vierkandtig beſchlagenem
Holtze ins Gevierdte fuͤnff Ellen Manns
hoch aufgeſchroten, und mit Baumrin-
de bedeckt, die Thuͤre war mit hoͤltzernen
Riegeln feſt verwahrt. Jch kuckte durch
die Ritzen, und fand nichts anders drin-
nen, als zur lincken Hand eine niedrige
Banck, worauf ein Kloͤtzgen lag. Gegen
uͤber war das Bildniß der heiligen Mut-
ter GOttes in Kupfferſtich zu ſehen. Zur
rechten Hand ein klein Tiſchgen, worauf
ein hoͤltzern Crucifix ſtand, und ein aufge-
ſchlagen Buch lag. Auf der langen Banck
zur lincken Hand war eine braune Ma-
tratze. Jm Winckel zur Erden ſtund ein
zugedeckter Krug, nebſt einem groben
ſchwartzen Brode. Als ich nun dieſes ein-
ſame Gebaͤude vorbey paßiret, begegnete
mir dieſer Eremite in einer braunen zu-
riſſenen Kappe, mit einem langen Stabe
und eyßgrauen Barte. Es hatte dieſer
alte Greiß mancherley Kraͤuter in einem
leinen Tuͤchlein zuſammen geleſen, und
verwahrte ſie ſehr wohl. Jch erkundig-
te mich nach den Kraͤfften und Wuͤrckun-
gen dieſer Kraͤuter; er wolte mir aber kei-
ne andere Antwort geben, als daß er ſol-
cher zur Erhaltung ſeiner Geſundheit be-
noͤthiget waͤre, indem er in dieſer Wuͤſte-
ney keine andere Medicamente bekommen
koͤnte; Er ſagte auch, daß das Genuͤſſen ſol-
cher Kraͤuter weit zutraͤglicher waͤre, als
die beſten Victualien. Jch gruͤſſete ihn
auf Lateiniſch, und erſuchte ihn, daß er ſich
doch gefallen moͤgte laſſen, ein freundlich
Geſpraͤch mit mir zu halten. Er machte
eine gar furchtſame Mine dazu. Da er
nun endlich wohl ſahe, daß ich ihm nichts
zu Leyde that, ſo hielt er zwar ein wenig
ſtille, ſchlug aber die Augen ſtets nieder,
biß er endlich Polniſch zu reden anfieng,
welches ich aber nicht verſtand. Jch wol-
te ihm einen Gulden ſchencken, er weiger-
te ſich aber beſtaͤndig, denſelben anzuneh-

men.
D 3
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[29/0083] Vom Unterſchied der Kraͤuter. ſolche Vettel ſie gerichtet, noch dieſelbige Nacht zu ihr kommen muͤſſe, ob ſie gleich viel Meilen von ihm entfernt waͤre. S. Valvaſors Ehre des Hertzogthums Crayn III. Buch p. 356. Die Wurtzel von der Mannstreue ſoll zu den Veneriſchen Sa- chen ungemein anreitzen. Jngleichen ſoll das Knaben-Kraut eine ſolche Krafft be- ſitzen, daß es auch an denjenigen Orten, wo es in groſſer Menge waͤchſt und bluͤ- het, den Perſonen von beyderley Ge- ſchlecht einen beſondern Stimulum geben ſoll. §. 7. Wir haben in unſerm Teutſch- land ſo viel heilſame und vortreffliche Artz- ney-Kraͤuter, daß wir der fremden gar ſehr wohl entbehren koͤnten. Es haben alſo unterſchiedene mit ſehr gutem Effect den Oſt-Indianiſchen Thée mit dem Eh- renpreiß, mit dem edlen Gamanderlein, mit der Betonica, mit dem Scordio und andern Kraͤutern erſetzt. So wird auch in der V. Obſervation der Actorum Medi- corum Berolinenſium des II. Stuͤckes von dem Tencrio Vero ſehr groß Werck ge- macht. Es ſoll dem auslaͤndiſchen Thée am allergleichſten kommen, und noch viel aͤhnlicher ſeyn, als alle die andern Kraͤu- ter, die man dazu erwehlet. Es ſoll am Geſchmack eben ſo lieblich ſeyn, als der Thée, und noch faſt lieblicher, es ſoll eben ſo tingiren, und von Krancken und Ge- ſunden gebraucht werden koͤnnen. Es waͤchſet in groſſer Menge auf den Frey- waldiſchen Bergen in dem Brandenbur- giſchen, und iſt bey dem Buchfuͤhrer Ge- dicken in Leipzig zu bekommen. §. 8. Die Kraͤuter ſind nach dem Unterſchied der Laͤnder und der Gegen- den unterſchieden. Jn den heiſſen Mit- taͤgigen Laͤndern erweiſen manche ſchon andere Wuͤrckungen, als in dem kalten Nord. Die auf den hohen Bergen wach- ſen, ſind ſchon von einer andern Beſchaf- fenheit, als die in der Ebene, oder an ſumpffigten Orten ſtehen. Ja man hat auch aus der Erfahrung, daß ſie in einem Sommer immer anders ſeyn, als in dem andern, ie heiſſer die Sommer, ie kraͤff- tiger und ſtaͤrcker ſind die Kraͤuter. Das uͤbrige, was von dieſer Materie noch wei- ter geſagt werden koͤnte, will ich den Her- ren Phyſicis und Medicis zur Unterſu- chung uͤberlaſſen. Das 19. Capitel/ Von einem Eremiten und einer Eremitage. §. 1. Jndem ich mich ietzund mit meinen Gedancken in den wuͤſten Waͤldern, und einſamen angenehmen Gegenden aufhalte, ſo erinnere ich mich desjenigen Eremitens und ſeiner Behaͤltniß, die ich einſten in Cujavien, als ich in Regiments- Sachen als Major dahin verſchickt wor- den, angetroffen. Das Einſiedler-Haͤus- gen war von vierkandtig beſchlagenem Holtze ins Gevierdte fuͤnff Ellen Manns hoch aufgeſchroten, und mit Baumrin- de bedeckt, die Thuͤre war mit hoͤltzernen Riegeln feſt verwahrt. Jch kuckte durch die Ritzen, und fand nichts anders drin- nen, als zur lincken Hand eine niedrige Banck, worauf ein Kloͤtzgen lag. Gegen uͤber war das Bildniß der heiligen Mut- ter GOttes in Kupfferſtich zu ſehen. Zur rechten Hand ein klein Tiſchgen, worauf ein hoͤltzern Crucifix ſtand, und ein aufge- ſchlagen Buch lag. Auf der langen Banck zur lincken Hand war eine braune Ma- tratze. Jm Winckel zur Erden ſtund ein zugedeckter Krug, nebſt einem groben ſchwartzen Brode. Als ich nun dieſes ein- ſame Gebaͤude vorbey paßiret, begegnete mir dieſer Eremite in einer braunen zu- riſſenen Kappe, mit einem langen Stabe und eyßgrauen Barte. Es hatte dieſer alte Greiß mancherley Kraͤuter in einem leinen Tuͤchlein zuſammen geleſen, und verwahrte ſie ſehr wohl. Jch erkundig- te mich nach den Kraͤfften und Wuͤrckun- gen dieſer Kraͤuter; er wolte mir aber kei- ne andere Antwort geben, als daß er ſol- cher zur Erhaltung ſeiner Geſundheit be- noͤthiget waͤre, indem er in dieſer Wuͤſte- ney keine andere Medicamente bekommen koͤnte; Er ſagte auch, daß das Genuͤſſen ſol- cher Kraͤuter weit zutraͤglicher waͤre, als die beſten Victualien. Jch gruͤſſete ihn auf Lateiniſch, und erſuchte ihn, daß er ſich doch gefallen moͤgte laſſen, ein freundlich Geſpraͤch mit mir zu halten. Er machte eine gar furchtſame Mine dazu. Da er nun endlich wohl ſahe, daß ich ihm nichts zu Leyde that, ſo hielt er zwar ein wenig ſtille, ſchlug aber die Augen ſtets nieder, biß er endlich Polniſch zu reden anfieng, welches ich aber nicht verſtand. Jch wol- te ihm einen Gulden ſchencken, er weiger- te ſich aber beſtaͤndig, denſelben anzuneh- men. D 3

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/83>, abgerufen am 21.11.2024.