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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Von dem Pürschen des Wildpräths.
[Spaltenumbruch] wie man sagt, die Feder berühret, davon
es, im Rückgrad geschellert, niederfallen
muß. Weil aber der Rückgrad unver-
sehrt, springt es wieder auf, läufft da-
von, daß man es so bald nicht wieder zu
sehen bekommt. Wie mir denn derglei-
chen mit rothen und schwartzen Wildpräth
gar offters wiederfahren. Trifft man
aber den Rückgrad würcklich entzwey,
oder den Hals-Knochen, so muß es wohl
bleiben, wiewohl dergleichen plötzlichem
Niederfallen nicht zu trauen, und am si-
chersten, wenn man bald zuspringt, und
dem Thier einen Nickfang giebt, ehe es
aufspringen und davon lauffen möchte.
Denn es ist besser hab ich, als hätt ich.

§. 5.

Es ist bey den Thieren eben
wie bey den Menschen unterschiedener Be-
schaffenheit, und sind sie nicht alle von ei-
nerley Natur; Manche fallen gleich um,
wenn sie nur in etwas getroffen werden,
hingegen haben andere wiederum eine
solche harte Natur, daß, wenn ihnen auch
gleich das Hertz getroffen würde, sie den-
noch eine gute Weile weglauffen können,
ehe sie fallen, absonderlich die Hirsche in
der Brunfft-Zeit, da sich die Lebens-Gei-
ster gleichsam verdoppelt bey ihnen befin-
den. Bißweilen geschicht es auch, daß
manche wilde Thiere gewisse Kräuter ge-
nossen, die ihnen ihre Constitution stärcker
und kräfftiger machen; Ob es aber der
Wahrheit gemäß sey, daß manche wilde
Thiere durch das Geniessen gewisser Kräu-
ter so feste würden, daß keine Kugel durch
sie gehen solte, lasse dahin gestellet seyn;
Bißweilen wird auch den Schützen per
Antipathiam
die Büchse verdorben, oder
ein Possen dran gethan, daß das Wild her-
nachmahls, wenn es aus dieser Büchse ge-
schossen und auch getroffen worden, den-
noch nicht fallen will. Das beste Zeichen
ist dieses, wenn ein Thier geschossen, daß
es plötzlich in die Lufft fährt, oder hinten
ausschnellet, und geschwinde fortläufft;
Läßt man ihm nur eine Weile Zeit und
Ruhe, so wird es eher kranck, und fallen,
als wenn man es verstöhrt, sonsten läufft
es in der Angst, so lange ein Odem in
ihm ist.

§. 6.

Jst das Thier in den Wanst ge-
schossen, so giebt es keinen Schweiß, weil
das Geäß die Wunde verstopffet, so man
weydewund nennet; es wird aber ie län-
ger ie kräncker; Läßt man ihm nur Zeit, so
thut es sich im Dickigt nieder vor Schmer-
tzen, und kan man es über eine Weile von
ein paar Stunden beschleichen, und vol-
[Spaltenumbruch] lends schiessen. So man aber zu zeitlich
ankommen wolte, würde es dergestalt in
einer Furie eine ziemliche Weite lauffen,
und doch nicht so bald fallen; es muß aber
doch umkommen, weil ihm der Wanst,
oder das Gescheyde laedirt worden.

§. 7.

Am Ende der Pürsch-Mate-
rie will ich auch noch dem geneigten Leser
ein sicher Recept mittheilen, wie man al-
lerhand Gewehr, wenn es etwan vom
Rost oder andern Zufällen unscheinbar
worden, wieder helle machen und poliren
könne: Nimm eine gute Quantität Ham-
merschlag, hernach grob Rocken-Mehl,
und Leim, der im Wasser aufgelöset, men-
ge dieses alles zusammen zu einer Masse,
und schneide hernachmahls gewisse Stück-
gen daraus, nach der Forme und Figur,
die dir gefällig ist; Laß diese Stückgen in
einem Back-Ofen, wenn das Brod her-
ausgenommen ist, backen, so kanst du mit
dieser Masse, wenn du etwas Baumöhl
dazu nimmst, allerhand verrostet Eisen
und Gewehr wieder blanck und helle
machen.

Das 26. Capitel/
Von dem Aberglauben.
§. 1.

Der Aberglaube ist ein ungegründeter
Glaube, da man einer Sache einen
Beyfall giebt, bloß aus der Raison, weil
einige Leute diese Meynung vor wahr
halten, oder auch diejenigen, die unsere
Lehrmeister hierinnen gewesen, dieser
Meynung beypflichten. Man fürchtet
sich hierbey, wo nichts zu fürchten ist,
man hoffet, wo nichts zu hoffen ist, man
setzt ein Vertrauen auf etwas, das leich-
ter als die Lufft, zerbrechlicher als das
Rohr, vergänglicher als eine Wasser-
Blase, ein blosser Schatte, ja mit einem
Wort gar nichts ist. Der Aberglaube
wird auf allerhand Art generiret, theils
aus Neugierigkeit, da man gerne sonder-
bare Sachen, die man auf andere Art
nicht erkennen kan, erforschen will, oder
unbekandte Würckungen in der Natur
hervor bringen; theils aus Einfalt und
Unwissenheit, da man etwas zu wege
bringen will, und bildet sich nicht ein, daß
die angestellte Operation so unzuläßig, so
gottloß, oder so thöricht ist; theils auch
aus Interesse, Geitz, oder Ehrgeitz, Rach-
gierde, und andern Lastern, nach dem man
durch den Aberglauben seine zeitliche

Glück-
Z 2

Von dem Puͤrſchen des Wildpraͤths.
[Spaltenumbruch] wie man ſagt, die Feder beruͤhret, davon
es, im Ruͤckgrad geſchellert, niederfallen
muß. Weil aber der Ruͤckgrad unver-
ſehrt, ſpringt es wieder auf, laͤufft da-
von, daß man es ſo bald nicht wieder zu
ſehen bekommt. Wie mir denn derglei-
chen mit rothen und ſchwartzen Wildpraͤth
gar offters wiederfahren. Trifft man
aber den Ruͤckgrad wuͤrcklich entzwey,
oder den Hals-Knochen, ſo muß es wohl
bleiben, wiewohl dergleichen ploͤtzlichem
Niederfallen nicht zu trauen, und am ſi-
cherſten, wenn man bald zuſpringt, und
dem Thier einen Nickfang giebt, ehe es
aufſpringen und davon lauffen moͤchte.
Denn es iſt beſſer hab ich, als haͤtt ich.

§. 5.

Es iſt bey den Thieren eben
wie bey den Menſchen unterſchiedener Be-
ſchaffenheit, und ſind ſie nicht alle von ei-
nerley Natur; Manche fallen gleich um,
wenn ſie nur in etwas getroffen werden,
hingegen haben andere wiederum eine
ſolche harte Natur, daß, wenn ihnen auch
gleich das Hertz getroffen wuͤrde, ſie den-
noch eine gute Weile weglauffen koͤnnen,
ehe ſie fallen, abſonderlich die Hirſche in
der Brunfft-Zeit, da ſich die Lebens-Gei-
ſter gleichſam verdoppelt bey ihnen befin-
den. Bißweilen geſchicht es auch, daß
manche wilde Thiere gewiſſe Kraͤuter ge-
noſſen, die ihnen ihre Conſtitution ſtaͤrcker
und kraͤfftiger machen; Ob es aber der
Wahrheit gemaͤß ſey, daß manche wilde
Thiere durch das Genieſſen gewiſſer Kraͤu-
ter ſo feſte wuͤrden, daß keine Kugel durch
ſie gehen ſolte, laſſe dahin geſtellet ſeyn;
Bißweilen wird auch den Schuͤtzen per
Antipathiam
die Buͤchſe verdorben, oder
ein Poſſen dran gethan, daß das Wild her-
nachmahls, wenn es aus dieſer Buͤchſe ge-
ſchoſſen und auch getroffen worden, den-
noch nicht fallen will. Das beſte Zeichen
iſt dieſes, wenn ein Thier geſchoſſen, daß
es ploͤtzlich in die Lufft faͤhrt, oder hinten
ausſchnellet, und geſchwinde fortlaͤufft;
Laͤßt man ihm nur eine Weile Zeit und
Ruhe, ſo wird es eher kranck, und fallen,
als wenn man es verſtoͤhrt, ſonſten laͤufft
es in der Angſt, ſo lange ein Odem in
ihm iſt.

§. 6.

Jſt das Thier in den Wanſt ge-
ſchoſſen, ſo giebt es keinen Schweiß, weil
das Geaͤß die Wunde verſtopffet, ſo man
weydewund nennet; es wird aber ie laͤn-
ger ie kraͤncker; Laͤßt man ihm nur Zeit, ſo
thut es ſich im Dickigt nieder vor Schmer-
tzen, und kan man es uͤber eine Weile von
ein paar Stunden beſchleichen, und vol-
[Spaltenumbruch] lends ſchieſſen. So man aber zu zeitlich
ankommen wolte, wuͤrde es dergeſtalt in
einer Furie eine ziemliche Weite lauffen,
und doch nicht ſo bald fallen; es muß aber
doch umkommen, weil ihm der Wanſt,
oder das Geſcheyde lædirt worden.

§. 7.

Am Ende der Puͤrſch-Mate-
rie will ich auch noch dem geneigten Leſer
ein ſicher Recept mittheilen, wie man al-
lerhand Gewehr, wenn es etwan vom
Roſt oder andern Zufaͤllen unſcheinbar
worden, wieder helle machen und poliren
koͤnne: Nimm eine gute Quantitaͤt Ham-
merſchlag, hernach grob Rocken-Mehl,
und Leim, der im Waſſer aufgeloͤſet, men-
ge dieſes alles zuſammen zu einer Maſſe,
und ſchneide hernachmahls gewiſſe Stuͤck-
gen daraus, nach der Forme und Figur,
die dir gefaͤllig iſt; Laß dieſe Stuͤckgen in
einem Back-Ofen, wenn das Brod her-
ausgenommen iſt, backen, ſo kanſt du mit
dieſer Maſſe, wenn du etwas Baumoͤhl
dazu nimmſt, allerhand verroſtet Eiſen
und Gewehr wieder blanck und helle
machen.

Das 26. Capitel/
Von dem Aberglauben.
§. 1.

Der Aberglaube iſt ein ungegruͤndeter
Glaube, da man einer Sache einen
Beyfall giebt, bloß aus der Raiſon, weil
einige Leute dieſe Meynung vor wahr
halten, oder auch diejenigen, die unſere
Lehrmeiſter hierinnen geweſen, dieſer
Meynung beypflichten. Man fuͤrchtet
ſich hierbey, wo nichts zu fuͤrchten iſt,
man hoffet, wo nichts zu hoffen iſt, man
ſetzt ein Vertrauen auf etwas, das leich-
ter als die Lufft, zerbrechlicher als das
Rohr, vergaͤnglicher als eine Waſſer-
Blaſe, ein bloſſer Schatte, ja mit einem
Wort gar nichts iſt. Der Aberglaube
wird auf allerhand Art generiret, theils
aus Neugierigkeit, da man gerne ſonder-
bare Sachen, die man auf andere Art
nicht erkennen kan, erforſchen will, oder
unbekandte Wuͤrckungen in der Natur
hervor bringen; theils aus Einfalt und
Unwiſſenheit, da man etwas zu wege
bringen will, und bildet ſich nicht ein, daß
die angeſtellte Operation ſo unzulaͤßig, ſo
gottloß, oder ſo thoͤricht iſt; theils auch
aus Intereſſe, Geitz, oder Ehrgeitz, Rach-
gierde, und andern Laſtern, nach dem man
durch den Aberglauben ſeine zeitliche

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/299>, abgerufen am 21.11.2024.