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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Dritten Theils 23. Cap. von dem Einschiessen des Gewehrs.
[Spaltenumbruch] gezogen Scheiben-Rohr in grossen Städ-
ten hat seinen Kernschuß gemeiniglich
dreyhundert Schritt und mehr. Eine
andere Scheiben-Büchse in kleinen Städ-
ten, auch gezogen, auf zweyhundert, we-
nigstens auf ein hundert funffzig Schritt.
Bey einem Pürsch-Rohr aber ist es am
aller rathsamsten, wenn es aufs weiteste
auf achtzig biß hundert Schritt und nicht
mehr eingerichtet wird. Eine Scheibe
bleibt unbeweglich feste stehen, und er-
schrickt nicht so vor dem Knall, als ein wil-
des Thier, zudem ist auch nicht an allen
Orten ein gewisser Treff-Schuß zu ha-
ben, in Bergen und Thälern, zu Hol-
tze, in Feldern, zu Wasser und Lande,
bey Tag und Nachte, bald blendet einen
die Sonne, bald der Mond, bald stehet
das Thier nicht breit, sondern schmahl,
daß es sich also den Augen nur wie eine
Linie praesentiret, bald wird das Gesicht
von dem Nebel verdunckelt, und was sich
noch mehr unzehlige Hindernisse dabey
ereignen. Hingegen der Scheiben-Schü-
tze hat ein todt Holtz und ein fein groß
Stück Bret vor sich, welches gantz stille
stehet, und bey dem er mit guter Com-
modite
nach seinem Plaisir anlegen kan.
Versaget es auch gleich ein paar mahl, so
verlieret er hiebey nichts, als den Schuß.
Der Weydemann aber darff nur ein-
mahl versagen, so ist das Wild verlohren,
welches auszukundschafften er doch vor-
her so grosse Mühe gehabt.

§. 3.

Hat mir nun der Büchsenma-
cher, wie ich verlanget, mein Pürsch-
Rohr zu recht gemacht, daß ich damit zu-
frieden seyn kan, und ich will es selbst nach
meiner Faust und nach meinen Augen ein-
schiessen, so lade ich mirs, wie einem ie-
den bewust ist. Jch lege nemlich ein we-
nig Papier oder Werg vor die Pfanne,
und schliesse die Pfanne zu, daß nichts
von der Ladung heraus läufft; alsdenn
nimmt man das gehörige Lade-Maaß,
füllt es mit einerley probirten Pürsch-
Pulver gantz gleich, daß man es einmahl
wie das andere lädet, thut die Ladung
hinein, setzt einen Vorschlag von Haaren
oder Werg drauf, nimmt die behörige
Kugel, so fein glatt aus weichem Bley ge-
gossen, legt ein rundes Pflaster von Le-
der oder Parchent über die Mündung,
und stößt die Kugel derb hinein, biß auf die
Ladung, daß sie feste darauf zu sitzen kommt,
und schüttet nachgehends bey einem Flin-
ten-Schloß Zünd-Kraut auf die Pfan-
ne. Bevor man nun schiest, macht man
[Spaltenumbruch] ein Ziel an einen Baum oder Bret auf
ein hundert Schritt weit, legt sich vor das
Ziel anfänglich auf die Erde zwantzig
Schritt mit dem gantzen Leib, legt die
Büchse forne an, setzt den Hahn auf, oder
ziehet den Hahn, zielet mitten auf das
Centrum, sticht den Schneller, und schießt
loß. Hab ich nun auf solche Art auf zwan-
tzig Schritt gut getroffen, so lege ich mich
weiter auf 40. Schritt. Hab ich auch
wiederum auf so weit gut getroffen, so
lege ich mich auf sechtzig Schritt; endlich
wenn mir auch dieses gelungen, auf achtzig
Schritt, biß ich hundert Schritt heran
gebracht.

§. 4.

Auf solche Art kan man auf
hundert Schritte gewiß mercken, ob der
Schütze, oder die Büchse im Einschiessen
Schuld habe. Auf der Erde muß man
den ersten Ziel-Schuß thun, da kan man
nicht fehlen; Wolte man es aber nicht
also tractiren, sondern mit einer neuen
ungebrauchten Büchse unbedachtsam
gleich über hundert und mehr Schritte
lang im Stehen mit freyer Faust, oder
auch im Anlegen gleich schiessen, so würde
sich der Effect erweisen, daß man nicht glei-
che Schüsse thun würde; Offt verrückt sich
der Schütze aus eigener Schuld, und gie-
bet hernach den Fehler der Büchse, er
corrigirt ohn Ursach das Gesicht und
Korn, und verdirbet also die Büchse
schändlich, verlieret die Zeit, und verschies-
set das Pulver und Bley, biß er endlich
der Büchse gram wird, und sie gar ver-
stößt. So viel habe ich dem geneigten
Leser von Pürsch-Büchsen zu erinnern
vor nöthig erachtet. Mit Scheiben-
Schüssen und Scheiben-Büchsen halt ich
mich nicht auf, ich habe nicht viel damit
zu thun gehabt. Ein ieder bleibe bey sei-
nem Metier; Man lasse die Scheiben-
Schüsse den Bürgern in Städten, und
ein Jäger gebrauche sein Pürsch-Rohr
zum Nutzen und Vergnügung so wohl
seiner Herrschafft, als auch seiner selbst.
Die andern Observationes, die hierbey
vorkommen möchten, überlasse ich eines
iedweden Erfahrung selbst.

Das 24. Capitel/
Von der Karren-Büchse.
§. 1.

Die Karren-Büchse, oder, wie sie an-
dere nennen, die Schieß-Karren,
werden zur Herbst-Zeit auf grossen Se-

en und

Des Dritten Theils 23. Cap. von dem Einſchieſſen des Gewehrs.
[Spaltenumbruch] gezogen Scheiben-Rohr in groſſen Staͤd-
ten hat ſeinen Kernſchuß gemeiniglich
dreyhundert Schritt und mehr. Eine
andere Scheiben-Buͤchſe in kleinen Staͤd-
ten, auch gezogen, auf zweyhundert, we-
nigſtens auf ein hundert funffzig Schritt.
Bey einem Puͤrſch-Rohr aber iſt es am
aller rathſamſten, wenn es aufs weiteſte
auf achtzig biß hundert Schritt und nicht
mehr eingerichtet wird. Eine Scheibe
bleibt unbeweglich feſte ſtehen, und er-
ſchrickt nicht ſo vor dem Knall, als ein wil-
des Thier, zudem iſt auch nicht an allen
Orten ein gewiſſer Treff-Schuß zu ha-
ben, in Bergen und Thaͤlern, zu Hol-
tze, in Feldern, zu Waſſer und Lande,
bey Tag und Nachte, bald blendet einen
die Sonne, bald der Mond, bald ſtehet
das Thier nicht breit, ſondern ſchmahl,
daß es ſich alſo den Augen nur wie eine
Linie præſentiret, bald wird das Geſicht
von dem Nebel verdunckelt, und was ſich
noch mehr unzehlige Hinderniſſe dabey
ereignen. Hingegen der Scheiben-Schuͤ-
tze hat ein todt Holtz und ein fein groß
Stuͤck Bret vor ſich, welches gantz ſtille
ſtehet, und bey dem er mit guter Com-
modité
nach ſeinem Plaiſir anlegen kan.
Verſaget es auch gleich ein paar mahl, ſo
verlieret er hiebey nichts, als den Schuß.
Der Weydemann aber darff nur ein-
mahl verſagen, ſo iſt das Wild verlohren,
welches auszukundſchafften er doch vor-
her ſo groſſe Muͤhe gehabt.

§. 3.

Hat mir nun der Buͤchſenma-
cher, wie ich verlanget, mein Puͤrſch-
Rohr zu recht gemacht, daß ich damit zu-
frieden ſeyn kan, und ich will es ſelbſt nach
meiner Fauſt und nach meinen Augen ein-
ſchieſſen, ſo lade ich mirs, wie einem ie-
den bewuſt iſt. Jch lege nemlich ein we-
nig Papier oder Werg vor die Pfanne,
und ſchlieſſe die Pfanne zu, daß nichts
von der Ladung heraus laͤufft; alsdenn
nimmt man das gehoͤrige Lade-Maaß,
fuͤllt es mit einerley probirten Puͤrſch-
Pulver gantz gleich, daß man es einmahl
wie das andere laͤdet, thut die Ladung
hinein, ſetzt einen Vorſchlag von Haaren
oder Werg drauf, nimmt die behoͤrige
Kugel, ſo fein glatt aus weichem Bley ge-
goſſen, legt ein rundes Pflaſter von Le-
der oder Parchent uͤber die Muͤndung,
und ſtoͤßt die Kugel derb hinein, biß auf die
Ladung, daß ſie feſte darauf zu ſitzen kom̃t,
und ſchuͤttet nachgehends bey einem Flin-
ten-Schloß Zuͤnd-Kraut auf die Pfan-
ne. Bevor man nun ſchieſt, macht man
[Spaltenumbruch] ein Ziel an einen Baum oder Bret auf
ein hundert Schritt weit, legt ſich vor das
Ziel anfaͤnglich auf die Erde zwantzig
Schritt mit dem gantzen Leib, legt die
Buͤchſe forne an, ſetzt den Hahn auf, oder
ziehet den Hahn, zielet mitten auf das
Centrum, ſticht den Schneller, und ſchießt
loß. Hab ich nun auf ſolche Art auf zwan-
tzig Schritt gut getroffen, ſo lege ich mich
weiter auf 40. Schritt. Hab ich auch
wiederum auf ſo weit gut getroffen, ſo
lege ich mich auf ſechtzig Schritt; endlich
wenn mir auch dieſes gelungen, auf achtzig
Schritt, biß ich hundert Schritt heran
gebracht.

§. 4.

Auf ſolche Art kan man auf
hundert Schritte gewiß mercken, ob der
Schuͤtze, oder die Buͤchſe im Einſchieſſen
Schuld habe. Auf der Erde muß man
den erſten Ziel-Schuß thun, da kan man
nicht fehlen; Wolte man es aber nicht
alſo tractiren, ſondern mit einer neuen
ungebrauchten Buͤchſe unbedachtſam
gleich uͤber hundert und mehr Schritte
lang im Stehen mit freyer Fauſt, oder
auch im Anlegen gleich ſchieſſen, ſo wuͤrde
ſich der Effect erweiſen, daß man nicht glei-
che Schuͤſſe thun wuͤrde; Offt verruͤckt ſich
der Schuͤtze aus eigener Schuld, und gie-
bet hernach den Fehler der Buͤchſe, er
corrigirt ohn Urſach das Geſicht und
Korn, und verdirbet alſo die Buͤchſe
ſchaͤndlich, verlieret die Zeit, und verſchieſ-
ſet das Pulver und Bley, biß er endlich
der Buͤchſe gram wird, und ſie gar ver-
ſtoͤßt. So viel habe ich dem geneigten
Leſer von Puͤrſch-Buͤchſen zu erinnern
vor noͤthig erachtet. Mit Scheiben-
Schuͤſſen und Scheiben-Buͤchſen halt ich
mich nicht auf, ich habe nicht viel damit
zu thun gehabt. Ein ieder bleibe bey ſei-
nem Metier; Man laſſe die Scheiben-
Schuͤſſe den Buͤrgern in Staͤdten, und
ein Jaͤger gebrauche ſein Puͤrſch-Rohr
zum Nutzen und Vergnuͤgung ſo wohl
ſeiner Herrſchafft, als auch ſeiner ſelbſt.
Die andern Obſervationes, die hierbey
vorkommen moͤchten, uͤberlaſſe ich eines
iedweden Erfahrung ſelbſt.

Das 24. Capitel/
Von der Karren-Buͤchſe.
§. 1.

Die Karren-Buͤchſe, oder, wie ſie an-
dere nennen, die Schieß-Karren,
werden zur Herbſt-Zeit auf groſſen Se-

en und
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[176/0290] Des Dritten Theils 23. Cap. von dem Einſchieſſen des Gewehrs. gezogen Scheiben-Rohr in groſſen Staͤd- ten hat ſeinen Kernſchuß gemeiniglich dreyhundert Schritt und mehr. Eine andere Scheiben-Buͤchſe in kleinen Staͤd- ten, auch gezogen, auf zweyhundert, we- nigſtens auf ein hundert funffzig Schritt. Bey einem Puͤrſch-Rohr aber iſt es am aller rathſamſten, wenn es aufs weiteſte auf achtzig biß hundert Schritt und nicht mehr eingerichtet wird. Eine Scheibe bleibt unbeweglich feſte ſtehen, und er- ſchrickt nicht ſo vor dem Knall, als ein wil- des Thier, zudem iſt auch nicht an allen Orten ein gewiſſer Treff-Schuß zu ha- ben, in Bergen und Thaͤlern, zu Hol- tze, in Feldern, zu Waſſer und Lande, bey Tag und Nachte, bald blendet einen die Sonne, bald der Mond, bald ſtehet das Thier nicht breit, ſondern ſchmahl, daß es ſich alſo den Augen nur wie eine Linie præſentiret, bald wird das Geſicht von dem Nebel verdunckelt, und was ſich noch mehr unzehlige Hinderniſſe dabey ereignen. Hingegen der Scheiben-Schuͤ- tze hat ein todt Holtz und ein fein groß Stuͤck Bret vor ſich, welches gantz ſtille ſtehet, und bey dem er mit guter Com- modité nach ſeinem Plaiſir anlegen kan. Verſaget es auch gleich ein paar mahl, ſo verlieret er hiebey nichts, als den Schuß. Der Weydemann aber darff nur ein- mahl verſagen, ſo iſt das Wild verlohren, welches auszukundſchafften er doch vor- her ſo groſſe Muͤhe gehabt. §. 3. Hat mir nun der Buͤchſenma- cher, wie ich verlanget, mein Puͤrſch- Rohr zu recht gemacht, daß ich damit zu- frieden ſeyn kan, und ich will es ſelbſt nach meiner Fauſt und nach meinen Augen ein- ſchieſſen, ſo lade ich mirs, wie einem ie- den bewuſt iſt. Jch lege nemlich ein we- nig Papier oder Werg vor die Pfanne, und ſchlieſſe die Pfanne zu, daß nichts von der Ladung heraus laͤufft; alsdenn nimmt man das gehoͤrige Lade-Maaß, fuͤllt es mit einerley probirten Puͤrſch- Pulver gantz gleich, daß man es einmahl wie das andere laͤdet, thut die Ladung hinein, ſetzt einen Vorſchlag von Haaren oder Werg drauf, nimmt die behoͤrige Kugel, ſo fein glatt aus weichem Bley ge- goſſen, legt ein rundes Pflaſter von Le- der oder Parchent uͤber die Muͤndung, und ſtoͤßt die Kugel derb hinein, biß auf die Ladung, daß ſie feſte darauf zu ſitzen kom̃t, und ſchuͤttet nachgehends bey einem Flin- ten-Schloß Zuͤnd-Kraut auf die Pfan- ne. Bevor man nun ſchieſt, macht man ein Ziel an einen Baum oder Bret auf ein hundert Schritt weit, legt ſich vor das Ziel anfaͤnglich auf die Erde zwantzig Schritt mit dem gantzen Leib, legt die Buͤchſe forne an, ſetzt den Hahn auf, oder ziehet den Hahn, zielet mitten auf das Centrum, ſticht den Schneller, und ſchießt loß. Hab ich nun auf ſolche Art auf zwan- tzig Schritt gut getroffen, ſo lege ich mich weiter auf 40. Schritt. Hab ich auch wiederum auf ſo weit gut getroffen, ſo lege ich mich auf ſechtzig Schritt; endlich wenn mir auch dieſes gelungen, auf achtzig Schritt, biß ich hundert Schritt heran gebracht. §. 4. Auf ſolche Art kan man auf hundert Schritte gewiß mercken, ob der Schuͤtze, oder die Buͤchſe im Einſchieſſen Schuld habe. Auf der Erde muß man den erſten Ziel-Schuß thun, da kan man nicht fehlen; Wolte man es aber nicht alſo tractiren, ſondern mit einer neuen ungebrauchten Buͤchſe unbedachtſam gleich uͤber hundert und mehr Schritte lang im Stehen mit freyer Fauſt, oder auch im Anlegen gleich ſchieſſen, ſo wuͤrde ſich der Effect erweiſen, daß man nicht glei- che Schuͤſſe thun wuͤrde; Offt verruͤckt ſich der Schuͤtze aus eigener Schuld, und gie- bet hernach den Fehler der Buͤchſe, er corrigirt ohn Urſach das Geſicht und Korn, und verdirbet alſo die Buͤchſe ſchaͤndlich, verlieret die Zeit, und verſchieſ- ſet das Pulver und Bley, biß er endlich der Buͤchſe gram wird, und ſie gar ver- ſtoͤßt. So viel habe ich dem geneigten Leſer von Puͤrſch-Buͤchſen zu erinnern vor noͤthig erachtet. Mit Scheiben- Schuͤſſen und Scheiben-Buͤchſen halt ich mich nicht auf, ich habe nicht viel damit zu thun gehabt. Ein ieder bleibe bey ſei- nem Metier; Man laſſe die Scheiben- Schuͤſſe den Buͤrgern in Staͤdten, und ein Jaͤger gebrauche ſein Puͤrſch-Rohr zum Nutzen und Vergnuͤgung ſo wohl ſeiner Herrſchafft, als auch ſeiner ſelbſt. Die andern Obſervationes, die hierbey vorkommen moͤchten, uͤberlaſſe ich eines iedweden Erfahrung ſelbſt. Das 24. Capitel/ Von der Karren-Buͤchſe. §. 1. Die Karren-Buͤchſe, oder, wie ſie an- dere nennen, die Schieß-Karren, werden zur Herbſt-Zeit auf groſſen Se- en und

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/290>, abgerufen am 21.11.2024.