Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

Des Andern Th. 25. Cap. von den Eigenschafften des Hasens.
[Spaltenumbruch] Klauen in die fördersten Tritte jedes mahl
eintritt, auch die Tritte so gerade hinter-
einander setzet, daß es ihm nimmermehr
kein Hund gleich thun kan, weil ein Hund
sowohl mit dem hintern Fusse in den for-
dern Tritt fehlet, als auch den Trab nie-
mahls beständig continuiret; daher heist
es auch: Der Wolff trabet. Jst aber der
Wolff thöricht, welchem Zufall er sowohl
wie die Hunde unterworffen, so wancket
er hin und her, und hat alsdenn den
Schwindel im Haupt. Wenn der Wolff
um die Dörffer herum getrabet, nichts
gefangen, und sich gesättiget, und nach
allen diesen Umschweiffen in eine dicke
Hecke oder ein kleines Gebüsch gegangen,
oder er sich an dem Rand eines vom Hol-
tze abgelegenen Teiches in das Schilff-
Rohr leget, so sind dieses alles Zeichen ei-
nes an der Wuth krancken Wolffes, der
im Kopffe nicht richtig ist.

Das 25. Capitel/
Von den Eigenschafften des
Hasens.
§. 1.

Ob ich zwar in dem ersten Theile mei-
nes Jäger-Buches p. 103. sowohl von
der Natur und den Eigenschafften des
Hasens, als von dessen Anatomie, p. 136.
ausführlich und weitläufftig gehandelt
habe, so hoffe dennoch, daß es dem Leser
nicht unangenehm seyn möchte, wenn ich
noch folgendes von dem Hasen anführe.
Es haben die Hasen eine solche zarte Em-
pfindlichkeit von der Lufft, und den Ver-
änderungen der Witterungen, als man
sich nimmermehr einbilden solte. Solte
er eingefangen werden, und wider echap-
pi
ren, so kan er auch in einer frembden
Gegend die Plagas mundi unterscheiden,
und kan sein Vaterland wieder finden,
wohin er eine sehr grosse Begierde trägt;
daher das Sprichwort entstanden: Wo
der Hase geheckt, ist er am liebsten. Aus
der zarten Empfindlichkeit der Verände-
rung der Lufft beurtheilen die Hasen auch
ihre Nahrung, und ihr Lager zur Sicher-
heit. Sie praesagiren hierdurch nach dem
Unterscheid der Jahres-Zeiten das künff-
tige Wetter; Soll es regnen, setzen sie
sich nicht in Dickigte, sondern an einen ab-
hängigen Berg, in der Gedult, vor Wind
und Regen sicher zu seyn; Kommt grosse
Kälte, begeben sie sich ins Dickigt, warm
zu seyn. Bey schönem Wetter halten sie
[Spaltenumbruch] sich auf den Brach-Feldern und Sturtz-
Aeckern auf zu ihrer Sicherheit; in der
Rammel-Zeit aber kommen sie aus al-
ler Ordnung. Jm Herbst sitzen sie bey
trockenem Wetter meistens in Hafer-
Stoppeln, wo Disteln stehen, so es aber
regnet, sitzen sie lieber in Sturtz-Aeckern,
Mist-Häuffigen an Feldern oder Dorff-
Zäunen. Jm Winter verbergen sie sich
in dicke warme Gebüsche, vor der Kälte
und schneidenden Winden gesichert zu
seyn. Des Frühlings drauf machen sie
sich an die Brombeer-Stauden, oder na-
he zur Saat. Des Sommers, da das
Feld voller Geträide, und der Hase bald
rammlet, bald wieder Junge setzt, ist er
allenthalben anzutreffen.

§. 2.

So der Hase von den Hunden
getrieben wird, läufft er in flachen Feldern
gleich aus; in dem kleinen Gebüsche, oder
einigen Sträuchern macht er seine listigen
Absprünge, und wiederholet solche auf den
Wegen und Fußstegen mit den Wieder-
gängen und Absprüngen zur Seite, den
Hunden zu entkommen, und sie in der
Fährde irre zu machen; er läufft auch zu
dem Ende auf eben der Fährd wieder zu-
rück, wo er hergekommen, damit sie nicht
wissen sollen, wo er hingekommen sey.
Seine Spuhr und Gefährde ist zwar an-
dern Thieren gleich, an Füssen mit Gelen-
cken und Zehen durch Flechsen versorget,
Krafft welcher er gleichfalls seine Gefähr-
de auf dem Erdboden formiren könne;
es hat ihn aber die vorsichtige Natur vor
allen andern mit schnellen Läufften verse-
hen, und sind die Läuffte vor sein eintziges
Panier zu achten. Bey der Hasen Ge-
fährde ist vornemlich das Wetter und
Erdreich genau zu observiren. Jn der
grossen Hitze stiebet der Sand oder Staub
des Erdreichs, das Graß ist dürre und
welck, und bleibet also viel weniger Ge-
ruch nach der Fährd. Fällt ein Regen
ein, so fängt der Erdboden an zu rauchen,
und die Witterung verdirbt, daß kaum in
vier Stunden hernach etwas zu thun.
Frieret es, so concentrirt die Kälte den
Geruch, und die Gefährde des Hasens
kan nicht eintreten. Hat es gethauet,
oder es ist naß, so nimmt der Hase mit
den rauchen Läufften, die voller Haare,
die Erde mit hinweg, daß also wenig oder
gar kein Geruch zurücke bleibet. Bey den
Nord-Nordwest- und Mittags-Win-
den wird auch von dem Geruch der Fähr-
de wenig gespühret, die Atomi trocknen
alsdenn so aus, daß die Hunde wenig

riechen
P (Anderer Haupt-Theil.)

Des Andern Th. 25. Cap. von den Eigenſchafften des Haſens.
[Spaltenumbruch] Klauen in die foͤrderſten Tritte jedes mahl
eintritt, auch die Tritte ſo gerade hinter-
einander ſetzet, daß es ihm nimmermehr
kein Hund gleich thun kan, weil ein Hund
ſowohl mit dem hintern Fuſſe in den for-
dern Tritt fehlet, als auch den Trab nie-
mahls beſtaͤndig continuiret; daher heiſt
es auch: Der Wolff trabet. Jſt aber der
Wolff thoͤricht, welchem Zufall er ſowohl
wie die Hunde unterworffen, ſo wancket
er hin und her, und hat alsdenn den
Schwindel im Haupt. Wenn der Wolff
um die Doͤrffer herum getrabet, nichts
gefangen, und ſich geſaͤttiget, und nach
allen dieſen Umſchweiffen in eine dicke
Hecke oder ein kleines Gebuͤſch gegangen,
oder er ſich an dem Rand eines vom Hol-
tze abgelegenen Teiches in das Schilff-
Rohr leget, ſo ſind dieſes alles Zeichen ei-
nes an der Wuth krancken Wolffes, der
im Kopffe nicht richtig iſt.

Das 25. Capitel/
Von den Eigenſchafften des
Haſens.
§. 1.

Ob ich zwar in dem erſten Theile mei-
nes Jaͤger-Buches p. 103. ſowohl von
der Natur und den Eigenſchafften des
Haſens, als von deſſen Anatomie, p. 136.
ausfuͤhrlich und weitlaͤufftig gehandelt
habe, ſo hoffe dennoch, daß es dem Leſer
nicht unangenehm ſeyn moͤchte, wenn ich
noch folgendes von dem Haſen anfuͤhre.
Es haben die Haſen eine ſolche zarte Em-
pfindlichkeit von der Lufft, und den Ver-
aͤnderungen der Witterungen, als man
ſich nimmermehr einbilden ſolte. Solte
er eingefangen werden, und wider echap-
pi
ren, ſo kan er auch in einer frembden
Gegend die Plagas mundi unterſcheiden,
und kan ſein Vaterland wieder finden,
wohin er eine ſehr groſſe Begierde traͤgt;
daher das Sprichwort entſtanden: Wo
der Haſe geheckt, iſt er am liebſten. Aus
der zarten Empfindlichkeit der Veraͤnde-
rung der Lufft beurtheilen die Haſen auch
ihre Nahrung, und ihr Lager zur Sicher-
heit. Sie præſagiren hierdurch nach dem
Unterſcheid der Jahres-Zeiten das kuͤnff-
tige Wetter; Soll es regnen, ſetzen ſie
ſich nicht in Dickigte, ſondern an einen ab-
haͤngigen Berg, in der Gedult, vor Wind
und Regen ſicher zu ſeyn; Kommt groſſe
Kaͤlte, begeben ſie ſich ins Dickigt, warm
zu ſeyn. Bey ſchoͤnem Wetter halten ſie
[Spaltenumbruch] ſich auf den Brach-Feldern und Sturtz-
Aeckern auf zu ihrer Sicherheit; in der
Rammel-Zeit aber kommen ſie aus al-
ler Ordnung. Jm Herbſt ſitzen ſie bey
trockenem Wetter meiſtens in Hafer-
Stoppeln, wo Diſteln ſtehen, ſo es aber
regnet, ſitzen ſie lieber in Sturtz-Aeckern,
Miſt-Haͤuffigen an Feldern oder Dorff-
Zaͤunen. Jm Winter verbergen ſie ſich
in dicke warme Gebuͤſche, vor der Kaͤlte
und ſchneidenden Winden geſichert zu
ſeyn. Des Fruͤhlings drauf machen ſie
ſich an die Brombeer-Stauden, oder na-
he zur Saat. Des Sommers, da das
Feld voller Getraͤide, und der Haſe bald
rammlet, bald wieder Junge ſetzt, iſt er
allenthalben anzutreffen.

§. 2.

So der Haſe von den Hunden
getrieben wird, laͤufft er in flachen Feldern
gleich aus; in dem kleinen Gebuͤſche, oder
einigen Straͤuchern macht er ſeine liſtigen
Abſpruͤnge, und wiederholet ſolche auf den
Wegen und Fußſtegen mit den Wieder-
gaͤngen und Abſpruͤngen zur Seite, den
Hunden zu entkommen, und ſie in der
Faͤhrde irre zu machen; er laͤufft auch zu
dem Ende auf eben der Faͤhrd wieder zu-
ruͤck, wo er hergekommen, damit ſie nicht
wiſſen ſollen, wo er hingekommen ſey.
Seine Spuhr und Gefaͤhrde iſt zwar an-
dern Thieren gleich, an Fuͤſſen mit Gelen-
cken und Zehen durch Flechſen verſorget,
Krafft welcher er gleichfalls ſeine Gefaͤhr-
de auf dem Erdboden formiren koͤnne;
es hat ihn aber die vorſichtige Natur vor
allen andern mit ſchnellen Laͤufften verſe-
hen, und ſind die Laͤuffte vor ſein eintziges
Panier zu achten. Bey der Haſen Ge-
faͤhrde iſt vornemlich das Wetter und
Erdreich genau zu obſerviren. Jn der
groſſen Hitze ſtiebet der Sand oder Staub
des Erdreichs, das Graß iſt duͤrre und
welck, und bleibet alſo viel weniger Ge-
ruch nach der Faͤhrd. Faͤllt ein Regen
ein, ſo faͤngt der Erdboden an zu rauchen,
und die Witterung verdirbt, daß kaum in
vier Stunden hernach etwas zu thun.
Frieret es, ſo concentrirt die Kaͤlte den
Geruch, und die Gefaͤhrde des Haſens
kan nicht eintreten. Hat es gethauet,
oder es iſt naß, ſo nimmt der Haſe mit
den rauchen Laͤufften, die voller Haare,
die Erde mit hinweg, daß alſo wenig oder
gar kein Geruch zuruͤcke bleibet. Bey den
Nord-Nordweſt- und Mittags-Win-
den wird auch von dem Geruch der Faͤhr-
de wenig geſpuͤhret, die Atomi trocknen
alsdenn ſo aus, daß die Hunde wenig

riechen
P (Anderer Haupt-Theil.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0197" n="113"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des Andern Th. 25. Cap. von den Eigen&#x017F;chafften des Ha&#x017F;ens.</hi></fw><lb/><cb/>
Klauen in die fo&#x0364;rder&#x017F;ten Tritte jedes mahl<lb/>
eintritt, auch die Tritte &#x017F;o gerade hinter-<lb/>
einander &#x017F;etzet, daß es ihm nimmermehr<lb/>
kein Hund gleich thun kan, weil ein Hund<lb/>
&#x017F;owohl mit dem hintern Fu&#x017F;&#x017F;e in den for-<lb/>
dern Tritt fehlet, als auch den Trab nie-<lb/>
mahls be&#x017F;ta&#x0364;ndig <hi rendition="#aq">continui</hi>ret; daher hei&#x017F;t<lb/>
es auch: Der Wolff trabet. J&#x017F;t aber der<lb/>
Wolff tho&#x0364;richt, welchem Zufall er &#x017F;owohl<lb/>
wie die Hunde unterworffen, &#x017F;o wancket<lb/>
er hin und her, und hat alsdenn den<lb/>
Schwindel im Haupt. Wenn der Wolff<lb/>
um die Do&#x0364;rffer herum getrabet, nichts<lb/>
gefangen, und &#x017F;ich ge&#x017F;a&#x0364;ttiget, und nach<lb/>
allen die&#x017F;en Um&#x017F;chweiffen in eine dicke<lb/>
Hecke oder ein kleines Gebu&#x0364;&#x017F;ch gegangen,<lb/>
oder er &#x017F;ich an dem Rand eines vom Hol-<lb/>
tze abgelegenen Teiches in das Schilff-<lb/>
Rohr leget, &#x017F;o &#x017F;ind die&#x017F;es alles Zeichen ei-<lb/>
nes an der Wuth krancken Wolffes, der<lb/>
im Kopffe nicht richtig i&#x017F;t.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das 25. Capitel/<lb/>
Von den Eigen&#x017F;chafften des<lb/>
Ha&#x017F;ens.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">O</hi>b ich zwar in dem er&#x017F;ten Theile mei-<lb/>
nes Ja&#x0364;ger-Buches <hi rendition="#aq">p.</hi> 103. &#x017F;owohl von<lb/>
der Natur und den Eigen&#x017F;chafften des<lb/>
Ha&#x017F;ens, als von de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Anatomie, p.</hi> 136.<lb/>
ausfu&#x0364;hrlich und weitla&#x0364;ufftig gehandelt<lb/>
habe, &#x017F;o hoffe dennoch, daß es dem Le&#x017F;er<lb/>
nicht unangenehm &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, wenn ich<lb/>
noch folgendes von dem Ha&#x017F;en anfu&#x0364;hre.<lb/>
Es haben die Ha&#x017F;en eine &#x017F;olche zarte Em-<lb/>
pfindlichkeit von der Lufft, und den Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen der Witterungen, als man<lb/>
&#x017F;ich nimmermehr einbilden &#x017F;olte. Solte<lb/>
er eingefangen werden, und wider <hi rendition="#aq">echap-<lb/>
pi</hi>ren, &#x017F;o kan er auch in einer frembden<lb/>
Gegend die <hi rendition="#aq">Plagas mundi</hi> unter&#x017F;cheiden,<lb/>
und kan &#x017F;ein Vaterland wieder finden,<lb/>
wohin er eine &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e Begierde tra&#x0364;gt;<lb/>
daher das Sprichwort ent&#x017F;tanden: Wo<lb/>
der Ha&#x017F;e geheckt, i&#x017F;t er am lieb&#x017F;ten. Aus<lb/>
der zarten Empfindlichkeit der Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung der Lufft beurtheilen die Ha&#x017F;en auch<lb/>
ihre Nahrung, und ihr Lager zur Sicher-<lb/>
heit. Sie <hi rendition="#aq">præ&#x017F;agi</hi>ren hierdurch nach dem<lb/>
Unter&#x017F;cheid der Jahres-Zeiten das ku&#x0364;nff-<lb/>
tige Wetter; Soll es regnen, &#x017F;etzen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich nicht in Dickigte, &#x017F;ondern an einen ab-<lb/>
ha&#x0364;ngigen Berg, in der Gedult, vor Wind<lb/>
und Regen &#x017F;icher zu &#x017F;eyn; Kommt gro&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Ka&#x0364;lte, begeben &#x017F;ie &#x017F;ich ins Dickigt, warm<lb/>
zu &#x017F;eyn. Bey &#x017F;cho&#x0364;nem Wetter halten &#x017F;ie<lb/><cb/>
&#x017F;ich auf den Brach-Feldern und Sturtz-<lb/>
Aeckern auf zu ihrer Sicherheit; in der<lb/>
Rammel-Zeit aber kommen &#x017F;ie aus al-<lb/>
ler Ordnung. Jm Herb&#x017F;t &#x017F;itzen &#x017F;ie bey<lb/>
trockenem Wetter mei&#x017F;tens in Hafer-<lb/>
Stoppeln, wo Di&#x017F;teln &#x017F;tehen, &#x017F;o es aber<lb/>
regnet, &#x017F;itzen &#x017F;ie lieber in Sturtz-Aeckern,<lb/>
Mi&#x017F;t-Ha&#x0364;uffigen an Feldern oder Dorff-<lb/>
Za&#x0364;unen. Jm Winter verbergen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
in dicke warme Gebu&#x0364;&#x017F;che, vor der Ka&#x0364;lte<lb/>
und &#x017F;chneidenden Winden ge&#x017F;ichert zu<lb/>
&#x017F;eyn. Des Fru&#x0364;hlings drauf machen &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich an die Brombeer-Stauden, oder na-<lb/>
he zur Saat. Des Sommers, da das<lb/>
Feld voller Getra&#x0364;ide, und der Ha&#x017F;e bald<lb/>
rammlet, bald wieder Junge &#x017F;etzt, i&#x017F;t er<lb/>
allenthalben anzutreffen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 2.</head>
            <p>So der Ha&#x017F;e von den Hunden<lb/>
getrieben wird, la&#x0364;ufft er in flachen Feldern<lb/>
gleich aus; in dem kleinen Gebu&#x0364;&#x017F;che, oder<lb/>
einigen Stra&#x0364;uchern macht er &#x017F;eine li&#x017F;tigen<lb/>
Ab&#x017F;pru&#x0364;nge, und wiederholet &#x017F;olche auf den<lb/>
Wegen und Fuß&#x017F;tegen mit den Wieder-<lb/>
ga&#x0364;ngen und Ab&#x017F;pru&#x0364;ngen zur Seite, den<lb/>
Hunden zu entkommen, und &#x017F;ie in der<lb/>
Fa&#x0364;hrde irre zu machen; er la&#x0364;ufft auch zu<lb/>
dem Ende auf eben der Fa&#x0364;hrd wieder zu-<lb/>
ru&#x0364;ck, wo er hergekommen, damit &#x017F;ie nicht<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen, wo er hingekommen &#x017F;ey.<lb/>
Seine Spuhr und Gefa&#x0364;hrde i&#x017F;t zwar an-<lb/>
dern Thieren gleich, an Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit Gelen-<lb/>
cken und Zehen durch Flech&#x017F;en ver&#x017F;orget,<lb/>
Krafft welcher er gleichfalls &#x017F;eine Gefa&#x0364;hr-<lb/>
de auf dem Erdboden <hi rendition="#aq">formi</hi>ren ko&#x0364;nne;<lb/>
es hat ihn aber die vor&#x017F;ichtige Natur vor<lb/>
allen andern mit &#x017F;chnellen La&#x0364;ufften ver&#x017F;e-<lb/>
hen, und &#x017F;ind die La&#x0364;uffte vor &#x017F;ein eintziges<lb/>
Panier zu achten. Bey der Ha&#x017F;en Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrde i&#x017F;t vornemlich das Wetter und<lb/>
Erdreich genau zu <hi rendition="#aq">ob&#x017F;ervi</hi>ren. Jn der<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;en Hitze &#x017F;tiebet der Sand oder Staub<lb/>
des Erdreichs, das Graß i&#x017F;t du&#x0364;rre und<lb/>
welck, und bleibet al&#x017F;o viel weniger Ge-<lb/>
ruch nach der Fa&#x0364;hrd. Fa&#x0364;llt ein Regen<lb/>
ein, &#x017F;o fa&#x0364;ngt der Erdboden an zu rauchen,<lb/>
und die Witterung verdirbt, daß kaum in<lb/>
vier Stunden hernach etwas zu thun.<lb/>
Frieret es, &#x017F;o <hi rendition="#aq">concentri</hi>rt die Ka&#x0364;lte den<lb/>
Geruch, und die Gefa&#x0364;hrde des Ha&#x017F;ens<lb/>
kan nicht eintreten. Hat es gethauet,<lb/>
oder es i&#x017F;t naß, &#x017F;o nimmt der Ha&#x017F;e mit<lb/>
den rauchen La&#x0364;ufften, die voller Haare,<lb/>
die Erde mit hinweg, daß al&#x017F;o wenig oder<lb/>
gar kein Geruch zuru&#x0364;cke bleibet. Bey den<lb/>
Nord-Nordwe&#x017F;t- und Mittags-Win-<lb/>
den wird auch von dem Geruch der Fa&#x0364;hr-<lb/>
de wenig ge&#x017F;pu&#x0364;hret, die <hi rendition="#aq">Atomi</hi> trocknen<lb/>
alsdenn &#x017F;o aus, daß die Hunde wenig<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P (Anderer Haupt-Theil.)</fw><fw place="bottom" type="catch">riechen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0197] Des Andern Th. 25. Cap. von den Eigenſchafften des Haſens. Klauen in die foͤrderſten Tritte jedes mahl eintritt, auch die Tritte ſo gerade hinter- einander ſetzet, daß es ihm nimmermehr kein Hund gleich thun kan, weil ein Hund ſowohl mit dem hintern Fuſſe in den for- dern Tritt fehlet, als auch den Trab nie- mahls beſtaͤndig continuiret; daher heiſt es auch: Der Wolff trabet. Jſt aber der Wolff thoͤricht, welchem Zufall er ſowohl wie die Hunde unterworffen, ſo wancket er hin und her, und hat alsdenn den Schwindel im Haupt. Wenn der Wolff um die Doͤrffer herum getrabet, nichts gefangen, und ſich geſaͤttiget, und nach allen dieſen Umſchweiffen in eine dicke Hecke oder ein kleines Gebuͤſch gegangen, oder er ſich an dem Rand eines vom Hol- tze abgelegenen Teiches in das Schilff- Rohr leget, ſo ſind dieſes alles Zeichen ei- nes an der Wuth krancken Wolffes, der im Kopffe nicht richtig iſt. Das 25. Capitel/ Von den Eigenſchafften des Haſens. §. 1. Ob ich zwar in dem erſten Theile mei- nes Jaͤger-Buches p. 103. ſowohl von der Natur und den Eigenſchafften des Haſens, als von deſſen Anatomie, p. 136. ausfuͤhrlich und weitlaͤufftig gehandelt habe, ſo hoffe dennoch, daß es dem Leſer nicht unangenehm ſeyn moͤchte, wenn ich noch folgendes von dem Haſen anfuͤhre. Es haben die Haſen eine ſolche zarte Em- pfindlichkeit von der Lufft, und den Ver- aͤnderungen der Witterungen, als man ſich nimmermehr einbilden ſolte. Solte er eingefangen werden, und wider echap- piren, ſo kan er auch in einer frembden Gegend die Plagas mundi unterſcheiden, und kan ſein Vaterland wieder finden, wohin er eine ſehr groſſe Begierde traͤgt; daher das Sprichwort entſtanden: Wo der Haſe geheckt, iſt er am liebſten. Aus der zarten Empfindlichkeit der Veraͤnde- rung der Lufft beurtheilen die Haſen auch ihre Nahrung, und ihr Lager zur Sicher- heit. Sie præſagiren hierdurch nach dem Unterſcheid der Jahres-Zeiten das kuͤnff- tige Wetter; Soll es regnen, ſetzen ſie ſich nicht in Dickigte, ſondern an einen ab- haͤngigen Berg, in der Gedult, vor Wind und Regen ſicher zu ſeyn; Kommt groſſe Kaͤlte, begeben ſie ſich ins Dickigt, warm zu ſeyn. Bey ſchoͤnem Wetter halten ſie ſich auf den Brach-Feldern und Sturtz- Aeckern auf zu ihrer Sicherheit; in der Rammel-Zeit aber kommen ſie aus al- ler Ordnung. Jm Herbſt ſitzen ſie bey trockenem Wetter meiſtens in Hafer- Stoppeln, wo Diſteln ſtehen, ſo es aber regnet, ſitzen ſie lieber in Sturtz-Aeckern, Miſt-Haͤuffigen an Feldern oder Dorff- Zaͤunen. Jm Winter verbergen ſie ſich in dicke warme Gebuͤſche, vor der Kaͤlte und ſchneidenden Winden geſichert zu ſeyn. Des Fruͤhlings drauf machen ſie ſich an die Brombeer-Stauden, oder na- he zur Saat. Des Sommers, da das Feld voller Getraͤide, und der Haſe bald rammlet, bald wieder Junge ſetzt, iſt er allenthalben anzutreffen. §. 2. So der Haſe von den Hunden getrieben wird, laͤufft er in flachen Feldern gleich aus; in dem kleinen Gebuͤſche, oder einigen Straͤuchern macht er ſeine liſtigen Abſpruͤnge, und wiederholet ſolche auf den Wegen und Fußſtegen mit den Wieder- gaͤngen und Abſpruͤngen zur Seite, den Hunden zu entkommen, und ſie in der Faͤhrde irre zu machen; er laͤufft auch zu dem Ende auf eben der Faͤhrd wieder zu- ruͤck, wo er hergekommen, damit ſie nicht wiſſen ſollen, wo er hingekommen ſey. Seine Spuhr und Gefaͤhrde iſt zwar an- dern Thieren gleich, an Fuͤſſen mit Gelen- cken und Zehen durch Flechſen verſorget, Krafft welcher er gleichfalls ſeine Gefaͤhr- de auf dem Erdboden formiren koͤnne; es hat ihn aber die vorſichtige Natur vor allen andern mit ſchnellen Laͤufften verſe- hen, und ſind die Laͤuffte vor ſein eintziges Panier zu achten. Bey der Haſen Ge- faͤhrde iſt vornemlich das Wetter und Erdreich genau zu obſerviren. Jn der groſſen Hitze ſtiebet der Sand oder Staub des Erdreichs, das Graß iſt duͤrre und welck, und bleibet alſo viel weniger Ge- ruch nach der Faͤhrd. Faͤllt ein Regen ein, ſo faͤngt der Erdboden an zu rauchen, und die Witterung verdirbt, daß kaum in vier Stunden hernach etwas zu thun. Frieret es, ſo concentrirt die Kaͤlte den Geruch, und die Gefaͤhrde des Haſens kan nicht eintreten. Hat es gethauet, oder es iſt naß, ſo nimmt der Haſe mit den rauchen Laͤufften, die voller Haare, die Erde mit hinweg, daß alſo wenig oder gar kein Geruch zuruͤcke bleibet. Bey den Nord-Nordweſt- und Mittags-Win- den wird auch von dem Geruch der Faͤhr- de wenig geſpuͤhret, die Atomi trocknen alsdenn ſo aus, daß die Hunde wenig riechen P (Anderer Haupt-Theil.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/197
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/197>, abgerufen am 21.11.2024.