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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Andern Th. 14. C. von der Gefährde eines Stück Wildes.
[Spaltenumbruch] dem Scheitel sitzen, je älter ist derselbe,
2.) weiset sein Alter auch die Stümpffe der
Schaalen, welche er, zumahl an steinigten
Orten, je mehr und mehr von Jahren zu
Jahren forne stumpf gehet, so, daß sie an-
zusehen, als wären sie mit der Raspel ver-
stossen, 3.) weisen es auch seine Zähne,
welche im Alter nicht allein gelbe und
wacklend werden, sondern ihm endlich
auch gar ausfallen.

Das 14. Capitel/
Von der Gefährde eines Stück
Wildes.
§. 1.

Man findet zuweilen ein altes Thier,
so gelte gehet, welches das Gefährde
einem Spiesser oder Sechser ähnlich ma-
chen solte. Ein solch Thier, das keine Jun-
gen setzet, wendet alle seine Nahrung,
Kräffte und Vermögen auf einen grossen
langen und starcken Leib und Füsse, weil
es keine Kälber besorgen darff; es machet
eine so starcke Fährde, daß auch wohl man-
cher junger Jäger es vor einen Hirsch an-
sprechen solte. Aus dem ersten Tritt kan
ein Jäger nicht so gleich urtheilen, son-
dern er muß allerhand Umstände und
Zeichen zugleich wahrnehmen, als den
Schranck, den Zwang, den Beytritt o-
der Creutztritt, das Blenden, und der-
gleichen, weil ein Thier kleine Ballen,
und eine flache Sohle hat, die nicht ge-
wölbet, wie des Hirsches Burgel. Zu-
dem so sind auch die Schaalen eines alten
Thieres stumpff und abgenutzet, hinge-
gen bey einem jungen Hirsche scharff und
schneidend, hohl und gewölbet im Fusse.
Ein Thier thut die Schritte in einer Li-
nie gerade aus vor sich hin, hält in dem
Gange keinen ordentlichen Tritt, sondern
verändert alle Tritte in seinem Wandel,
der Fuß mag grösser oder kleiner seyn.

§. 2.

Der andern Thiere Fährden sind
meistens kleiner, weil sie Kälber tragen,
und ihrer Frucht allen innerlichen Safft
und Marck mittheilen, jährlich setzen,
und den Füssen die Kräffte entziehen.
Dahero dieses Merckmahl wohl zu judi-
ci
ren; wiewohl, wenn ein Hirsch sein
Gehörne abgeworffen, so kan er auch zu
solcher Zeit keinen gewissen Schritt und
Tritt machen, biß ihm sein Gehörne völlig
wieder gewachsen. Denn das Gehörne
muß ihm gleichsam zu einem Gewicht die-
nen, daß er seinen Schritt recht darnach
[Spaltenumbruch] formiren kan. Währender Zeit muß
man die Erkäntniß der Losung mit zu-
gleich zu Hülffe nehmen. Weil der Hirsch
des Winters schlechte Nahrung gehabt, so
ist auch harte und geringe Losung zu ver-
muthen; Und obwohl dadurch die äusser-
liche Winter-Kälte die Hitze in den Gedär-
men vermehret worden, die Losung gleich-
falls würflicht, fast wie des Wildes da lie-
get, so ist doch die Losung meistentheils
zusammen stumpf, und hat keine Ecken
noch Spitzen, ist auch etwas fettigt und
grösser anzusehen. Des Frühlings wird
die Losung von wegen der safftigen neu
hervor gekommenen grünen Saat, Blü-
then und Knospen der Bäume und Stau-
den, sonderlich der neuen Kräuter, weich
und flüßig, wie ein Klumpff Kuh-Mist
gestaltet. Jm Junio ist sie noch viel schlei-
michter und weicher anzusehen, als ob
zwey Groschen-Stücke von Wachs ge-
häuffelt. Um den Julium und Augu-
stum,
nachdem der Hirsch gute Nahrung
gehabt, und davon feiste geworden, wird
die Losung noch mehr flüßig, und glän-
tzend an der Sonnen, wie Oehl oder Fir-
niß, biß der Hirsch in die Brunfft getre-
ten, und davon mager geworden. Die
Thiere oder das Wild hingegen haben das
gantze Jahr über fast zu aller Zeit ihrer
innerlichen natürlich-angebohrnen weib-
lichen Hitze halber ihre beständige Losung,
und formiren dieselben wie die Ziegen-
Lorbern, hin und her verzettelt, und am
Ende spitzig. Wenn sie ja im Frühling
von der Saat und den Kräutern schlei-
micht werden, oder auch feiste sind, so blei-
ben sie doch nach ihrer Art geformet, nur
daß einige Lorbern wegen Fettigkeit wie
Trauben zusammen hangen, und weni-
ger verzettelt zu befinden.

§. 3.

Man hat auch bey den Hirschen
ihren Wandel in Obacht zu nehmen. Ein
junger Hirsch trabet in einer Furie aus
seinem Stande zu Felde, überspringt einen
Zaun oder Graben, und eilet zum Geäß
ohne Bedacht, ob ihm jemand schädlich sey;
weil er einen hitzigen hungerigen Magen
hat, so reisset er die Saat mit der Wur-
tzel vor Geitz heraus, äßet sich hin und
her, biß er sich gefüllet hat, und den Tag
vermercket; dann trabet er eiligst wie-
der nach dem Dickigt sich zu verbergen.
Der alte kluge Hirsch aber gehet bedächtig,
und Abends späte zu Felde, nimmt den
Wind wohl in Acht, und springet nicht
leichtlich über einen Graben, oder Zaun,
sondern mercket alle Vortheile, um be-

qvem

Des Andern Th. 14. C. von der Gefaͤhrde eines Stuͤck Wildes.
[Spaltenumbruch] dem Scheitel ſitzen, je aͤlter iſt derſelbe,
2.) weiſet ſein Alter auch die Stuͤmpffe der
Schaalen, welche er, zumahl an ſteinigten
Orten, je mehr und mehr von Jahren zu
Jahren forne ſtumpf gehet, ſo, daß ſie an-
zuſehen, als waͤren ſie mit der Raſpel ver-
ſtoſſen, 3.) weiſen es auch ſeine Zaͤhne,
welche im Alter nicht allein gelbe und
wacklend werden, ſondern ihm endlich
auch gar ausfallen.

Das 14. Capitel/
Von der Gefaͤhrde eines Stuͤck
Wildes.
§. 1.

Man findet zuweilen ein altes Thier,
ſo gelte gehet, welches das Gefaͤhrde
einem Spieſſer oder Sechſer aͤhnlich ma-
chen ſolte. Ein ſolch Thier, das keine Jun-
gen ſetzet, wendet alle ſeine Nahrung,
Kraͤffte und Vermoͤgen auf einen groſſen
langen und ſtarcken Leib und Fuͤſſe, weil
es keine Kaͤlber beſorgen darff; es machet
eine ſo ſtarcke Faͤhrde, daß auch wohl man-
cher junger Jaͤger es vor einen Hirſch an-
ſprechen ſolte. Aus dem erſten Tritt kan
ein Jaͤger nicht ſo gleich urtheilen, ſon-
dern er muß allerhand Umſtaͤnde und
Zeichen zugleich wahrnehmen, als den
Schranck, den Zwang, den Beytritt o-
der Creutztritt, das Blenden, und der-
gleichen, weil ein Thier kleine Ballen,
und eine flache Sohle hat, die nicht ge-
woͤlbet, wie des Hirſches Burgel. Zu-
dem ſo ſind auch die Schaalen eines alten
Thieres ſtumpff und abgenutzet, hinge-
gen bey einem jungen Hirſche ſcharff und
ſchneidend, hohl und gewoͤlbet im Fuſſe.
Ein Thier thut die Schritte in einer Li-
nie gerade aus vor ſich hin, haͤlt in dem
Gange keinen ordentlichen Tritt, ſondern
veraͤndert alle Tritte in ſeinem Wandel,
der Fuß mag groͤſſer oder kleiner ſeyn.

§. 2.

Der andern Thiere Faͤhrden ſind
meiſtens kleiner, weil ſie Kaͤlber tragen,
und ihrer Frucht allen innerlichen Safft
und Marck mittheilen, jaͤhrlich ſetzen,
und den Fuͤſſen die Kraͤffte entziehen.
Dahero dieſes Merckmahl wohl zu judi-
ci
ren; wiewohl, wenn ein Hirſch ſein
Gehoͤrne abgeworffen, ſo kan er auch zu
ſolcher Zeit keinen gewiſſen Schritt und
Tritt machen, biß ihm ſein Gehoͤrne voͤllig
wieder gewachſen. Denn das Gehoͤrne
muß ihm gleichſam zu einem Gewicht die-
nen, daß er ſeinen Schritt recht darnach
[Spaltenumbruch] formiren kan. Waͤhrender Zeit muß
man die Erkaͤntniß der Loſung mit zu-
gleich zu Huͤlffe nehmen. Weil der Hirſch
des Winters ſchlechte Nahrung gehabt, ſo
iſt auch harte und geringe Loſung zu ver-
muthen; Und obwohl dadurch die aͤuſſer-
liche Winter-Kaͤlte die Hitze in den Gedaͤr-
men vermehret worden, die Loſung gleich-
falls wuͤrflicht, faſt wie des Wildes da lie-
get, ſo iſt doch die Loſung meiſtentheils
zuſammen ſtumpf, und hat keine Ecken
noch Spitzen, iſt auch etwas fettigt und
groͤſſer anzuſehen. Des Fruͤhlings wird
die Loſung von wegen der ſafftigen neu
hervor gekommenen gruͤnen Saat, Bluͤ-
then und Knoſpen der Baͤume und Stau-
den, ſonderlich der neuen Kraͤuter, weich
und fluͤßig, wie ein Klumpff Kuh-Miſt
geſtaltet. Jm Junio iſt ſie noch viel ſchlei-
michter und weicher anzuſehen, als ob
zwey Groſchen-Stuͤcke von Wachs ge-
haͤuffelt. Um den Julium und Augu-
ſtum,
nachdem der Hirſch gute Nahrung
gehabt, und davon feiſte geworden, wird
die Loſung noch mehr fluͤßig, und glaͤn-
tzend an der Sonnen, wie Oehl oder Fir-
niß, biß der Hirſch in die Brunfft getre-
ten, und davon mager geworden. Die
Thiere oder das Wild hingegen haben das
gantze Jahr uͤber faſt zu aller Zeit ihrer
innerlichen natuͤrlich-angebohrnen weib-
lichen Hitze halber ihre beſtaͤndige Loſung,
und formiren dieſelben wie die Ziegen-
Lorbern, hin und her verzettelt, und am
Ende ſpitzig. Wenn ſie ja im Fruͤhling
von der Saat und den Kraͤutern ſchlei-
micht werden, oder auch feiſte ſind, ſo blei-
ben ſie doch nach ihrer Art geformet, nur
daß einige Lorbern wegen Fettigkeit wie
Trauben zuſammen hangen, und weni-
ger verzettelt zu befinden.

§. 3.

Man hat auch bey den Hirſchen
ihren Wandel in Obacht zu nehmen. Ein
junger Hirſch trabet in einer Furie aus
ſeinem Stande zu Felde, uͤberſpringt einen
Zaun oder Graben, und eilet zum Geaͤß
ohne Bedacht, ob ihm jemand ſchaͤdlich ſey;
weil er einen hitzigen hungerigen Magen
hat, ſo reiſſet er die Saat mit der Wur-
tzel vor Geitz heraus, aͤßet ſich hin und
her, biß er ſich gefuͤllet hat, und den Tag
vermercket; dann trabet er eiligſt wie-
der nach dem Dickigt ſich zu verbergen.
Der alte kluge Hirſch aber gehet bedaͤchtig,
und Abends ſpaͤte zu Felde, nimmt den
Wind wohl in Acht, und ſpringet nicht
leichtlich uͤber einen Graben, oder Zaun,
ſondern mercket alle Vortheile, um be-

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/179>, abgerufen am 30.12.2024.