Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirsch-Brunst.
[Spaltenumbruch]
so gehen sie mit der grösten Begierde dem Wilde nach, und jagen sie so lange her- um, biß sie ihrer theilhafftig werden. Die alten und feisten oder guten Hirsche brunfften allezeit zuerst und im Anfange des Monats Septembris, bißweilen eini- ge Tage eher, bißweilen später. Dis währet so lange, biß sie ihre Lust vollkom- men genossen. Bald darauf fangen auch die gemeinen Hirsche ihr Brunfften in Abwesenheit der alten mit den Thie- ren an.
§. 2.
Die gröste und hefftigste Brunfft geschiehet gemeiniglich von 4. Uhr nach Mittags, die Nacht durch biß des andern Tages um 9. Uhr des Morgens, wobey sie bißweilen so hefftig kämpffen, daß sie auch Schaden drüber leiden, wie ich im ersten Theile gesagt. Der die Oberhand behält, wird von den andern als ein U- berwinder dergestalt respectiret, daß es zu bewundern, und wird sich nicht leicht einer unterstehen, an ihm zu machen, ob er gleich eben von seiner Grösse, weil sich der andere schon in Renommee gesetzt, sondern wird sich lieber anderwerts su- chen zu engagiren, oder in einer Furie in des andern Abwesenheit seinen Liebes- Dienst abstatten, und sich plötzlich wie- der retiriren, weil ers in lauter Furcht thut. Ein Hirsch soll die Brunfft-Zeit über eine unglaubliche Menge der Le- bens-Geister erhalten. Des Durchlauch- tigsten Chur-Fürstens zu Brandenburg, Friedrich Willhelms Frau Gemahlin Preiß-würdigsten Andenckens haben einst in der Brunfft-Zeit einen Hirsch durchs Hertz geschossen, welcher, dem un- geachtet, über tausend Schritte fortge- lauffen, eh er gestürtzet, welches man auch an andern Hirschen experimentiret, und vor wahr befunden. Hieraus ist also zu vermuthen, daß sich die Lebens-Geister zu solcher Zeit verdoppeln, und das hitzi- ge. Geblüth die Circulation in eine viel schnellere Bewegung setzt.
§. 3.
Die jungen Hirsche oder Spies- ser brunfften zuletzt, weil ihre Feist und Geilheit nicht reiff, sie gehen auch hernach vor Furcht in die Moräste, Lacken und Pfützen, sie kratzen vorher darinnen mit den Läufft-Klauen, und werffen aus Tollheit den Koth allenthalben herum, damit sie tieffer hinein zu liegen kommen mögen, und desto mehr Kühlung und Er- frischung zu empfinden. Aus solchen Prudeln werden offt die schwachen jun- gen Hirsche von den stärckern Hirschen mit [Spaltenumbruch]
Schlägen der Läuffte und Stossen des Gehörnes vertrieben. Sind sie aus die- sem Prudel herausgangen, so stossen sie mit dem Gehörne in die Erde, werffen solche über sich weg, und schreyen aus vol- lem Halse. Der jagdbare Hirsch schreyet mit grober Stimme, aber nicht so offt, und nicht so lange, sie stossen tief mit dem Ge- hörne hinein, wenden den Rasen dermas- sen um, als ob daselbst ein junges Schwein gebrochen. Der junge Hirsch hingegen stösset nur mit den Spitzen der Enden ins Erdreich, wirfft davon nichts sonderli- ches in die Höhe, schreyet auch mit heller und klarer Stimme, aber desto öffterer. Ein jagdbarer Hirsch verdrehet und ver- windet mit seinem Gehörne das vor etli- chen Jahren aufgeschossene kleine Gehöltze, oder Zweige der Bäume, wie ein Strick. Wie dergleichen Hirsch der Hochsel. Herr Graf von Solms vor einigen Jahren zur Brunfft-Zeit geschossen, welcher einen Birckenen Strauch mit Zweigen und Blättern um sein gantzes Gehörn fest in einander gewunden, und sich alsdenn seinem Herrn zur Vergnügung zu pür- schen frey praesentiret, welches Gehörne noch biß dato auf dem Schlosse Sonne- walde zu sehen. Ein junger Hirsch aber streifft nur die Rinden, Schaalen, oder Bast von dem jungen Gehöltze ab.
§. 4.
Aus dem Schreyen eines jagd- baren Hirsches kan man ebenfalls mer- cken, wenn er die Thiere verlassen will; Denn er höret eben so auf, wie er ange- fangen, und schreyet leiser und kürtzer. Jhre gantze Brunfft dauret nicht über 3. Wochen, und die gröste Hitze kaum 14. Tage. Die Hirsche haben von ihrer in- nerlichen Hitze zur Zeit der Brunfft ei- nen so starcken Geruch, wie die geilen Bö- cke, davon ihnen die Geilen oder Hoden schwellen, und gantz gläntzend werden, auch vor hitziger Begierde ihnen sehr bren- nen. So ist den Jägern ebenfalls be- kandt, daß bey den Hirschen zur Brunfft- Zeit das Marck sowohl in den Knochen und Röhren, als in dem Rückgrad nicht von so weisser Materie, denn sonsten, son- dern mit röthlichter und blutiger Mate- rie vermischt ist. Es ist daher glaublich, weil der Saame und dieses Marck eine genaue Correspondenz mit einander ha- ben, daß das Marck zu Colligirung des Saamens herausgezogen, und inzwi- schen der rothe Schweiß an desselben Stel- le trete, biß es endlich mit der Zeit zu Marcke generiret.
Das
N 3
Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirſch-Brunſt.
[Spaltenumbruch]
ſo gehen ſie mit der groͤſten Begierde dem Wilde nach, und jagen ſie ſo lange her- um, biß ſie ihrer theilhafftig werden. Die alten und feiſten oder guten Hirſche brunfften allezeit zuerſt und im Anfange des Monats Septembris, bißweilen eini- ge Tage eher, bißweilen ſpaͤter. Dis waͤhret ſo lange, biß ſie ihre Luſt vollkom- men genoſſen. Bald darauf fangen auch die gemeinen Hirſche ihr Brunfften in Abweſenheit der alten mit den Thie- ren an.
§. 2.
Die groͤſte und hefftigſte Brunfft geſchiehet gemeiniglich von 4. Uhr nach Mittags, die Nacht durch biß des andern Tages um 9. Uhr des Morgens, wobey ſie bißweilen ſo hefftig kaͤmpffen, daß ſie auch Schaden druͤber leiden, wie ich im erſten Theile geſagt. Der die Oberhand behaͤlt, wird von den andern als ein U- berwinder dergeſtalt reſpectiret, daß es zu bewundern, und wird ſich nicht leicht einer unterſtehen, an ihm zu machen, ob er gleich eben von ſeiner Groͤſſe, weil ſich der andere ſchon in Renommée geſetzt, ſondern wird ſich lieber anderwerts ſu- chen zu engagiren, oder in einer Furie in des andern Abweſenheit ſeinen Liebes- Dienſt abſtatten, und ſich ploͤtzlich wie- der retiriren, weil ers in lauter Furcht thut. Ein Hirſch ſoll die Brunfft-Zeit uͤber eine unglaubliche Menge der Le- bens-Geiſter erhalten. Des Durchlauch- tigſten Chur-Fuͤrſtens zu Brandenburg, Friedrich Willhelms Frau Gemahlin Preiß-wuͤrdigſten Andenckens haben einſt in der Brunfft-Zeit einen Hirſch durchs Hertz geſchoſſen, welcher, dem un- geachtet, uͤber tauſend Schritte fortge- lauffen, eh er geſtuͤrtzet, welches man auch an andern Hirſchen experimentiret, und vor wahr befunden. Hieraus iſt alſo zu vermuthen, daß ſich die Lebens-Geiſter zu ſolcher Zeit verdoppeln, und das hitzi- ge. Gebluͤth die Circulation in eine viel ſchnellere Bewegung ſetzt.
§. 3.
Die jungen Hirſche oder Spieſ- ſer brunfften zuletzt, weil ihre Feiſt und Geilheit nicht reiff, ſie gehen auch hernach vor Furcht in die Moraͤſte, Lacken und Pfuͤtzen, ſie kratzen vorher darinnen mit den Laͤufft-Klauen, und werffen aus Tollheit den Koth allenthalben herum, damit ſie tieffer hinein zu liegen kommen moͤgen, und deſto mehr Kuͤhlung und Er- friſchung zu empfinden. Aus ſolchen Prudeln werden offt die ſchwachen jun- gen Hirſche von den ſtaͤrckern Hirſchen mit [Spaltenumbruch]
Schlaͤgen der Laͤuffte und Stoſſen des Gehoͤrnes vertrieben. Sind ſie aus die- ſem Prudel herausgangen, ſo ſtoſſen ſie mit dem Gehoͤrne in die Erde, werffen ſolche uͤber ſich weg, und ſchreyen aus vol- lem Halſe. Der jagdbare Hirſch ſchreyet mit grober Stim̃e, aber nicht ſo offt, und nicht ſo lange, ſie ſtoſſen tief mit dem Ge- hoͤrne hinein, wenden den Raſen dermaſ- ſen um, als ob daſelbſt ein junges Schwein gebrochen. Der junge Hirſch hingegen ſtoͤſſet nur mit den Spitzen der Enden ins Erdreich, wirfft davon nichts ſonderli- ches in die Hoͤhe, ſchreyet auch mit heller und klarer Stimme, aber deſto oͤffterer. Ein jagdbarer Hirſch verdrehet und ver- windet mit ſeinem Gehoͤrne das vor etli- chen Jahren aufgeſchoſſene kleine Gehoͤltze, oder Zweige der Baͤume, wie ein Strick. Wie dergleichen Hirſch der Hochſel. Herr Graf von Solms vor einigen Jahren zur Brunfft-Zeit geſchoſſen, welcher einen Birckenen Strauch mit Zweigen und Blaͤttern um ſein gantzes Gehoͤrn feſt in einander gewunden, und ſich alsdenn ſeinem Herrn zur Vergnuͤgung zu puͤr- ſchen frey præſentiret, welches Gehoͤrne noch biß dato auf dem Schloſſe Sonne- walde zu ſehen. Ein junger Hirſch aber ſtreifft nur die Rinden, Schaalen, oder Baſt von dem jungen Gehoͤltze ab.
§. 4.
Aus dem Schreyen eines jagd- baren Hirſches kan man ebenfalls mer- cken, wenn er die Thiere verlaſſen will; Denn er hoͤret eben ſo auf, wie er ange- fangen, und ſchreyet leiſer und kuͤrtzer. Jhre gantze Brunfft dauret nicht uͤber 3. Wochen, und die groͤſte Hitze kaum 14. Tage. Die Hirſche haben von ihrer in- nerlichen Hitze zur Zeit der Brunfft ei- nen ſo ſtarcken Geruch, wie die geilen Boͤ- cke, davon ihnen die Geilen oder Hoden ſchwellen, und gantz glaͤntzend werden, auch vor hitziger Begierde ihnen ſehr bren- nen. So iſt den Jaͤgern ebenfalls be- kandt, daß bey den Hirſchen zur Brunfft- Zeit das Marck ſowohl in den Knochen und Roͤhren, als in dem Ruͤckgrad nicht von ſo weiſſer Materie, denn ſonſten, ſon- dern mit roͤthlichter und blutiger Mate- rie vermiſcht iſt. Es iſt daher glaublich, weil der Saame und dieſes Marck eine genaue Correſpondenz mit einander ha- ben, daß das Marck zu Colligirung des Saamens herausgezogen, und inzwi- ſchen der rothe Schweiß an deſſelben Stel- le trete, biß es endlich mit der Zeit zu Marcke generiret.
Das
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Des Andern Theils 12. Capitel/ von der Hirſch-Brunſt.
ſo gehen ſie mit der groͤſten Begierde dem
Wilde nach, und jagen ſie ſo lange her-
um, biß ſie ihrer theilhafftig werden. Die
alten und feiſten oder guten Hirſche
brunfften allezeit zuerſt und im Anfange
des Monats Septembris, bißweilen eini-
ge Tage eher, bißweilen ſpaͤter. Dis
waͤhret ſo lange, biß ſie ihre Luſt vollkom-
men genoſſen. Bald darauf fangen auch
die gemeinen Hirſche ihr Brunfften in
Abweſenheit der alten mit den Thie-
ren an.
§. 2. Die groͤſte und hefftigſte Brunfft
geſchiehet gemeiniglich von 4. Uhr nach
Mittags, die Nacht durch biß des andern
Tages um 9. Uhr des Morgens, wobey
ſie bißweilen ſo hefftig kaͤmpffen, daß ſie
auch Schaden druͤber leiden, wie ich im
erſten Theile geſagt. Der die Oberhand
behaͤlt, wird von den andern als ein U-
berwinder dergeſtalt reſpectiret, daß es
zu bewundern, und wird ſich nicht leicht
einer unterſtehen, an ihm zu machen, ob
er gleich eben von ſeiner Groͤſſe, weil ſich
der andere ſchon in Renommée geſetzt,
ſondern wird ſich lieber anderwerts ſu-
chen zu engagiren, oder in einer Furie
in des andern Abweſenheit ſeinen Liebes-
Dienſt abſtatten, und ſich ploͤtzlich wie-
der retiriren, weil ers in lauter Furcht
thut. Ein Hirſch ſoll die Brunfft-Zeit
uͤber eine unglaubliche Menge der Le-
bens-Geiſter erhalten. Des Durchlauch-
tigſten Chur-Fuͤrſtens zu Brandenburg,
Friedrich Willhelms Frau Gemahlin
Preiß-wuͤrdigſten Andenckens haben
einſt in der Brunfft-Zeit einen Hirſch
durchs Hertz geſchoſſen, welcher, dem un-
geachtet, uͤber tauſend Schritte fortge-
lauffen, eh er geſtuͤrtzet, welches man auch
an andern Hirſchen experimentiret, und
vor wahr befunden. Hieraus iſt alſo zu
vermuthen, daß ſich die Lebens-Geiſter
zu ſolcher Zeit verdoppeln, und das hitzi-
ge. Gebluͤth die Circulation in eine viel
ſchnellere Bewegung ſetzt.
§. 3. Die jungen Hirſche oder Spieſ-
ſer brunfften zuletzt, weil ihre Feiſt und
Geilheit nicht reiff, ſie gehen auch hernach
vor Furcht in die Moraͤſte, Lacken und
Pfuͤtzen, ſie kratzen vorher darinnen mit
den Laͤufft-Klauen, und werffen aus
Tollheit den Koth allenthalben herum,
damit ſie tieffer hinein zu liegen kommen
moͤgen, und deſto mehr Kuͤhlung und Er-
friſchung zu empfinden. Aus ſolchen
Prudeln werden offt die ſchwachen jun-
gen Hirſche von den ſtaͤrckern Hirſchen mit
Schlaͤgen der Laͤuffte und Stoſſen des
Gehoͤrnes vertrieben. Sind ſie aus die-
ſem Prudel herausgangen, ſo ſtoſſen ſie
mit dem Gehoͤrne in die Erde, werffen
ſolche uͤber ſich weg, und ſchreyen aus vol-
lem Halſe. Der jagdbare Hirſch ſchreyet
mit grober Stim̃e, aber nicht ſo offt, und
nicht ſo lange, ſie ſtoſſen tief mit dem Ge-
hoͤrne hinein, wenden den Raſen dermaſ-
ſen um, als ob daſelbſt ein junges Schwein
gebrochen. Der junge Hirſch hingegen
ſtoͤſſet nur mit den Spitzen der Enden ins
Erdreich, wirfft davon nichts ſonderli-
ches in die Hoͤhe, ſchreyet auch mit heller
und klarer Stimme, aber deſto oͤffterer.
Ein jagdbarer Hirſch verdrehet und ver-
windet mit ſeinem Gehoͤrne das vor etli-
chen Jahren aufgeſchoſſene kleine Gehoͤltze,
oder Zweige der Baͤume, wie ein Strick.
Wie dergleichen Hirſch der Hochſel. Herr
Graf von Solms vor einigen Jahren zur
Brunfft-Zeit geſchoſſen, welcher einen
Birckenen Strauch mit Zweigen und
Blaͤttern um ſein gantzes Gehoͤrn feſt
in einander gewunden, und ſich alsdenn
ſeinem Herrn zur Vergnuͤgung zu puͤr-
ſchen frey præſentiret, welches Gehoͤrne
noch biß dato auf dem Schloſſe Sonne-
walde zu ſehen. Ein junger Hirſch aber
ſtreifft nur die Rinden, Schaalen, oder
Baſt von dem jungen Gehoͤltze ab.
§. 4. Aus dem Schreyen eines jagd-
baren Hirſches kan man ebenfalls mer-
cken, wenn er die Thiere verlaſſen will;
Denn er hoͤret eben ſo auf, wie er ange-
fangen, und ſchreyet leiſer und kuͤrtzer.
Jhre gantze Brunfft dauret nicht uͤber
3. Wochen, und die groͤſte Hitze kaum 14.
Tage. Die Hirſche haben von ihrer in-
nerlichen Hitze zur Zeit der Brunfft ei-
nen ſo ſtarcken Geruch, wie die geilen Boͤ-
cke, davon ihnen die Geilen oder Hoden
ſchwellen, und gantz glaͤntzend werden,
auch vor hitziger Begierde ihnen ſehr bren-
nen. So iſt den Jaͤgern ebenfalls be-
kandt, daß bey den Hirſchen zur Brunfft-
Zeit das Marck ſowohl in den Knochen
und Roͤhren, als in dem Ruͤckgrad nicht
von ſo weiſſer Materie, denn ſonſten, ſon-
dern mit roͤthlichter und blutiger Mate-
rie vermiſcht iſt. Es iſt daher glaublich,
weil der Saame und dieſes Marck eine
genaue Correſpondenz mit einander ha-
ben, daß das Marck zu Colligirung des
Saamens herausgezogen, und inzwi-
ſchen der rothe Schweiß an deſſelben Stel-
le trete, biß es endlich mit der Zeit zu
Marcke generiret.
Das
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/175>, abgerufen am 22.02.2025.
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