Des Andern Theils 11. Cap. von den Eigenschafften des Hirsches.
[Spaltenumbruch]
in seinem Stande bleibt, theils sich nicht dadurch zu verrathen, theils aber durch solche heilsame Diaet seinen Magen zu ei- ner bessern Concoction nützlich zu seyn, und seiner Natur desto bessern Appetit hiedurch zu erwecken. Wie er seiner Ge- sundheit wegen mancherley heylsame Kräuter aussucht, und allerhand mine- ralische Qvellen und Gesund-Wasser trinckt, auch sich selbst bißweilen zur Ader läst, und andere Curen vornimmt, habe in dem ersten Theile allbereits gemeldet.
§. 3.
Die Medicinische Krafft, die sie durch alles dieses erlangen, kan man da- her abnehmen, daß sie nicht allein ihr Gehörne, sondern auch ihre Haare öff- ters verneuen. Herr Zeisig führet an in seiner Artemidia p. 7. daß die Hirschen das Gemäß, so an dem Gehörne sitzt, wenn sie solches abschlagen, insgemein wieder essen, so sie nicht verjaget werden, oder die Ameissen es nachgehends verzeh- ren. Die Hirsche brauchen solches statt einer Purgantz oder Renovation ihres Leibes, und soll ein Loth davon, wenn es gefunden würde, einen Ducaten werth seyn. Sie verändern auch ihre Losung, bißweilen sehen sie wie Ziegen-Lorbern aus, manchmahls aber werden sie gantz schleimigt und flüßigt befunden; Daß die Hirsche von einer ziemlich gesunden Complexion seyn müssen, erhellet daher, weil man gar selten und fast gar nicht fin- den wird, daß ein Hirsch wegen einer Kranckheit umgefallen sey, und natürli- cher Weise gestorben, er müste denn in der Brunfft seyn verletzt worden, oder sich durch Uberspringen mercklichen Scha- den gethan haben, oder von Wölffen und Hunden ergriffen, oder etwan zu Holtze geschossen worden seyn.
§. 4.
Aus diesen und andern uns noch unbekandten Ursachen mehr, ist nun zu vermuthen, daß die Hirsche ein ziem- lich langes und gesundes Leben erlangen. Ob sie aber ihr Alter nach dem Vorgeben einiger Natur-Kündiger biß auf zwey- hundert Jahr erstrecken, ist nicht leichtlich zu erweisen, zum wenigsten läst man sie heut zu Tage selten zu einem sehr hohen Alter gelangen, sondern man schiest sie weg, da sie noch in ihren besten Jahren sind, und so bald sie nur zu jagdbaren Hirschen geworden. Es sind gar selten alte Hirsche anzutreffen, weil gemeinig- lich die stärckesten Thiere oder Mutter- Wild, unbesonnen weggeschossen werden, von welchen doch die zeitigen, stärcksten o- [Spaltenumbruch]
der grösten Kälber zu hoffen wären. Daher kommts auch, daß nur kleine jun- ge Thiere prunfften, so doch ihren rechten Wachsthum nicht haben, und diesemnach zeitig verbutten, klein bleiben, kleine Käl- ber bekommen, und niemahls grösser noch vollkommner werden können.
§. 5.
Es trägt sich offtermahls zu, daß ein Hirsch entweder durch Kämpffen, Schiessen, oder durch Pfahlspiessen, oder in der Kalbe-Zeit durch Schabernack der Hirten, oder Gräser an seinem kurtzen Wildpräth (Testiculis) entweder gar verschnitten, oder wenigstens laedirt wird. Wann nun solches in der Kalbe-Zeit ge- schicht, so ist zu wissen, daß derselbe Hirsch nimmer ein Gehörn bekömmt, sondern kolbigt als ein Thier bleibet, aber desto stärcker am Leibe wird. Hat er aber schon ein Gehörn getragen und abge- worffen und leidet in der Kalbe-Zeit an diesem Orte Schaden, so wächset ihm zwar das Gehörne, doch aber allzeit schwürig, und wird niemahls reiff; hat er sein reif- fes Gehörne auf dem Kopff, und wird be- schädiget, so bleibet ihm das Gehörne be- ständig auf dem Kopffe, und wirfft es niemahls ab, wird er aber durch einen Schuß daselbst verletzet, so wird er gantz ausser der Zeit werffen, verecken oder schlagen, nach dem die Zeit ist, biß die Wur- de wieder heil wird, und dieses werden Kümmerer genennt.
Das 12. Capitel/ Von der Hirsch-Brunfft.
§. 1.
Wenn die Hirsche von der Geniessung des Geträides im Sommer zuge- nommen und feister geworden, die grosse Hitze der Hundes-Tage und des Mo- nats Augusti dazu gekommen, und die dicken, feuchten und kühlen Nebel des Se- ptember-Monats die Schweiß-Löcher verstopffet, daß die Hitze nicht herausdrin- gen kan, so entsteht bey den Hirschen eine sonderbare, hitzige und geile Begierde. Es kömmt noch dazu, daß die schweren Dün- ste ihren Ausgang nach dem Kopf zu, in dem Gehirne, suchen, weil die Hirsche die Köpfe meistens niedrig halten, indem sie das Wild suchen, und endlich gantz toll und rasend werden, daß sie auf Menschen und Thiere loßgehen, und ihnen Schaden zufügen. Jst ihnen nun der Saame in die Geburths-Glieder getreten, und die Dünste haben ihre Köpffe eingenommen,
so
Des Andern Theils 11. Cap. von den Eigenſchafften des Hirſches.
[Spaltenumbruch]
in ſeinem Stande bleibt, theils ſich nicht dadurch zu verrathen, theils aber durch ſolche heilſame Diæt ſeinen Magen zu ei- ner beſſern Concoction nuͤtzlich zu ſeyn, und ſeiner Natur deſto beſſern Appetit hiedurch zu erwecken. Wie er ſeiner Ge- ſundheit wegen mancherley heylſame Kraͤuter ausſucht, und allerhand mine- raliſche Qvellen und Geſund-Waſſer trinckt, auch ſich ſelbſt bißweilen zur Ader laͤſt, und andere Curen vornimmt, habe in dem erſten Theile allbereits gemeldet.
§. 3.
Die Mediciniſche Krafft, die ſie durch alles dieſes erlangen, kan man da- her abnehmen, daß ſie nicht allein ihr Gehoͤrne, ſondern auch ihre Haare oͤff- ters verneuen. Herr Zeiſig fuͤhret an in ſeiner Artemidia p. 7. daß die Hirſchen das Gemaͤß, ſo an dem Gehoͤrne ſitzt, wenn ſie ſolches abſchlagen, insgemein wieder eſſen, ſo ſie nicht verjaget werden, oder die Ameiſſen es nachgehends verzeh- ren. Die Hirſche brauchen ſolches ſtatt einer Purgantz oder Renovation ihres Leibes, und ſoll ein Loth davon, wenn es gefunden wuͤrde, einen Ducaten werth ſeyn. Sie veraͤndern auch ihre Loſung, bißweilen ſehen ſie wie Ziegen-Lorbern aus, manchmahls aber werden ſie gantz ſchleimigt und fluͤßigt befunden; Daß die Hirſche von einer ziemlich geſunden Complexion ſeyn muͤſſen, erhellet daher, weil man gar ſelten und faſt gar nicht fin- den wird, daß ein Hirſch wegen einer Kranckheit umgefallen ſey, und natuͤrli- cher Weiſe geſtorben, er muͤſte denn in der Brunfft ſeyn verletzt worden, oder ſich durch Uberſpringen mercklichen Scha- den gethan haben, oder von Woͤlffen und Hunden ergriffen, oder etwan zu Holtze geſchoſſen worden ſeyn.
§. 4.
Aus dieſen und andern uns noch unbekandten Urſachen mehr, iſt nun zu vermuthen, daß die Hirſche ein ziem- lich langes und geſundes Leben erlangen. Ob ſie aber ihr Alter nach dem Vorgeben einiger Natur-Kuͤndiger biß auf zwey- hundert Jahr erſtrecken, iſt nicht leichtlich zu erweiſen, zum wenigſten laͤſt man ſie heut zu Tage ſelten zu einem ſehr hohen Alter gelangen, ſondern man ſchieſt ſie weg, da ſie noch in ihren beſten Jahren ſind, und ſo bald ſie nur zu jagdbaren Hirſchen geworden. Es ſind gar ſelten alte Hirſche anzutreffen, weil gemeinig- lich die ſtaͤrckeſten Thiere oder Mutter- Wild, unbeſonnen weggeſchoſſen werden, von welchen doch die zeitigen, ſtaͤrckſten o- [Spaltenumbruch]
der groͤſten Kaͤlber zu hoffen waͤren. Daher kommts auch, daß nur kleine jun- ge Thiere prunfften, ſo doch ihren rechten Wachsthum nicht haben, und dieſemnach zeitig verbutten, klein bleiben, kleine Kaͤl- ber bekommen, und niemahls groͤſſer noch vollkommner werden koͤnnen.
§. 5.
Es traͤgt ſich offtermahls zu, daß ein Hirſch entweder durch Kaͤmpffen, Schieſſen, oder durch Pfahlſpieſſen, oder in der Kalbe-Zeit durch Schabernack der Hirten, oder Graͤſer an ſeinem kurtzen Wildpraͤth (Teſticulis) entweder gar verſchnitten, oder wenigſtens lædirt wird. Wann nun ſolches in der Kalbe-Zeit ge- ſchicht, ſo iſt zu wiſſen, daß derſelbe Hirſch nimmer ein Gehoͤrn bekoͤmmt, ſondern kolbigt als ein Thier bleibet, aber deſto ſtaͤrcker am Leibe wird. Hat er aber ſchon ein Gehoͤrn getragen und abge- worffen und leidet in der Kalbe-Zeit an dieſem Orte Schaden, ſo waͤchſet ihm zwar das Gehoͤrne, doch aber allzeit ſchwuͤrig, und wird niemahls reiff; hat er ſein reif- fes Gehoͤrne auf dem Kopff, und wird be- ſchaͤdiget, ſo bleibet ihm das Gehoͤrne be- ſtaͤndig auf dem Kopffe, und wirfft es niemahls ab, wird er aber durch einen Schuß daſelbſt verletzet, ſo wird er gantz auſſer der Zeit werffen, verecken oder ſchlagen, nach dem die Zeit iſt, biß die Wur- de wieder heil wird, und dieſes werden Kuͤmmerer genennt.
Das 12. Capitel/ Von der Hirſch-Brunfft.
§. 1.
Wenn die Hirſche von der Genieſſung des Getraͤides im Sommer zuge- nommen und feiſter geworden, die groſſe Hitze der Hundes-Tage und des Mo- nats Auguſti dazu gekommen, und die dicken, feuchten und kuͤhlen Nebel des Se- ptember-Monats die Schweiß-Loͤcher verſtopffet, daß die Hitze nicht herausdrin- gen kan, ſo entſteht bey den Hirſchen eine ſonderbare, hitzige und geile Begierde. Es koͤmmt noch dazu, daß die ſchweren Duͤn- ſte ihren Ausgang nach dem Kopf zu, in dem Gehirne, ſuchen, weil die Hirſche die Koͤpfe meiſtens niedrig halten, indem ſie das Wild ſuchen, und endlich gantz toll und raſend werden, daß ſie auf Menſchen und Thiere loßgehen, und ihnen Schaden zufuͤgen. Jſt ihnen nun der Saame in die Geburths-Glieder getreten, und die Duͤnſte haben ihre Koͤpffe eingenommen,
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Des Andern Theils 11. Cap. von den Eigenſchafften des Hirſches.
in ſeinem Stande bleibt, theils ſich nicht
dadurch zu verrathen, theils aber durch
ſolche heilſame Diæt ſeinen Magen zu ei-
ner beſſern Concoction nuͤtzlich zu ſeyn,
und ſeiner Natur deſto beſſern Appetit
hiedurch zu erwecken. Wie er ſeiner Ge-
ſundheit wegen mancherley heylſame
Kraͤuter ausſucht, und allerhand mine-
raliſche Qvellen und Geſund-Waſſer
trinckt, auch ſich ſelbſt bißweilen zur Ader
laͤſt, und andere Curen vornimmt, habe
in dem erſten Theile allbereits gemeldet.
§. 3. Die Mediciniſche Krafft, die ſie
durch alles dieſes erlangen, kan man da-
her abnehmen, daß ſie nicht allein ihr
Gehoͤrne, ſondern auch ihre Haare oͤff-
ters verneuen. Herr Zeiſig fuͤhret an
in ſeiner Artemidia p. 7. daß die Hirſchen
das Gemaͤß, ſo an dem Gehoͤrne ſitzt,
wenn ſie ſolches abſchlagen, insgemein
wieder eſſen, ſo ſie nicht verjaget werden,
oder die Ameiſſen es nachgehends verzeh-
ren. Die Hirſche brauchen ſolches ſtatt
einer Purgantz oder Renovation ihres
Leibes, und ſoll ein Loth davon, wenn es
gefunden wuͤrde, einen Ducaten werth
ſeyn. Sie veraͤndern auch ihre Loſung,
bißweilen ſehen ſie wie Ziegen-Lorbern
aus, manchmahls aber werden ſie gantz
ſchleimigt und fluͤßigt befunden; Daß
die Hirſche von einer ziemlich geſunden
Complexion ſeyn muͤſſen, erhellet daher,
weil man gar ſelten und faſt gar nicht fin-
den wird, daß ein Hirſch wegen einer
Kranckheit umgefallen ſey, und natuͤrli-
cher Weiſe geſtorben, er muͤſte denn in
der Brunfft ſeyn verletzt worden, oder
ſich durch Uberſpringen mercklichen Scha-
den gethan haben, oder von Woͤlffen und
Hunden ergriffen, oder etwan zu Holtze
geſchoſſen worden ſeyn.
§. 4. Aus dieſen und andern uns
noch unbekandten Urſachen mehr, iſt nun
zu vermuthen, daß die Hirſche ein ziem-
lich langes und geſundes Leben erlangen.
Ob ſie aber ihr Alter nach dem Vorgeben
einiger Natur-Kuͤndiger biß auf zwey-
hundert Jahr erſtrecken, iſt nicht leichtlich
zu erweiſen, zum wenigſten laͤſt man ſie
heut zu Tage ſelten zu einem ſehr hohen
Alter gelangen, ſondern man ſchieſt ſie
weg, da ſie noch in ihren beſten Jahren
ſind, und ſo bald ſie nur zu jagdbaren
Hirſchen geworden. Es ſind gar ſelten
alte Hirſche anzutreffen, weil gemeinig-
lich die ſtaͤrckeſten Thiere oder Mutter-
Wild, unbeſonnen weggeſchoſſen werden,
von welchen doch die zeitigen, ſtaͤrckſten o-
der groͤſten Kaͤlber zu hoffen waͤren.
Daher kommts auch, daß nur kleine jun-
ge Thiere prunfften, ſo doch ihren rechten
Wachsthum nicht haben, und dieſemnach
zeitig verbutten, klein bleiben, kleine Kaͤl-
ber bekommen, und niemahls groͤſſer
noch vollkommner werden koͤnnen.
§. 5. Es traͤgt ſich offtermahls zu,
daß ein Hirſch entweder durch Kaͤmpffen,
Schieſſen, oder durch Pfahlſpieſſen, oder
in der Kalbe-Zeit durch Schabernack der
Hirten, oder Graͤſer an ſeinem kurtzen
Wildpraͤth (Teſticulis) entweder gar
verſchnitten, oder wenigſtens lædirt wird.
Wann nun ſolches in der Kalbe-Zeit ge-
ſchicht, ſo iſt zu wiſſen, daß derſelbe Hirſch
nimmer ein Gehoͤrn bekoͤmmt, ſondern
kolbigt als ein Thier bleibet, aber deſto
ſtaͤrcker am Leibe wird. Hat er aber
ſchon ein Gehoͤrn getragen und abge-
worffen und leidet in der Kalbe-Zeit an
dieſem Orte Schaden, ſo waͤchſet ihm zwar
das Gehoͤrne, doch aber allzeit ſchwuͤrig,
und wird niemahls reiff; hat er ſein reif-
fes Gehoͤrne auf dem Kopff, und wird be-
ſchaͤdiget, ſo bleibet ihm das Gehoͤrne be-
ſtaͤndig auf dem Kopffe, und wirfft es
niemahls ab, wird er aber durch einen
Schuß daſelbſt verletzet, ſo wird er gantz
auſſer der Zeit werffen, verecken oder
ſchlagen, nach dem die Zeit iſt, biß die Wur-
de wieder heil wird, und dieſes werden
Kuͤmmerer genennt.
Das 12. Capitel/
Von der Hirſch-Brunfft.
§. 1.
Wenn die Hirſche von der Genieſſung
des Getraͤides im Sommer zuge-
nommen und feiſter geworden, die groſſe
Hitze der Hundes-Tage und des Mo-
nats Auguſti dazu gekommen, und die
dicken, feuchten und kuͤhlen Nebel des Se-
ptember-Monats die Schweiß-Loͤcher
verſtopffet, daß die Hitze nicht herausdrin-
gen kan, ſo entſteht bey den Hirſchen eine
ſonderbare, hitzige und geile Begierde. Es
koͤmmt noch dazu, daß die ſchweren Duͤn-
ſte ihren Ausgang nach dem Kopf zu, in
dem Gehirne, ſuchen, weil die Hirſche die
Koͤpfe meiſtens niedrig halten, indem ſie
das Wild ſuchen, und endlich gantz toll
und raſend werden, daß ſie auf Menſchen
und Thiere loßgehen, und ihnen Schaden
zufuͤgen. Jſt ihnen nun der Saame in
die Geburths-Glieder getreten, und die
Duͤnſte haben ihre Koͤpffe eingenommen,
ſo
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/172>, abgerufen am 22.02.2025.
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