Des Andern Theils 10. Capitel/ von dem Elent-Thiere.
[Spaltenumbruch]
§. 3.
Es finden sich diese Thiere an einigen Orten in Pohlen, Schweden, Mo- scau, und den angrentzenden Ländern ein. Wenn man ihre Geweyhe, die zwi- schen den beyden Frauen-Tagen gesammlet worden, schabet und einnimmt, so soll die- ses wider die fallende Sucht sehr dienlich seyn. Jhre Flechs-Adern und Sehnen sollen bloß umgebunden vor den Krampf helffen. Vor andern sollen die Klauen, sonderlich vom hintern rechten Schenckel ein treffliches Antidotum wider die schwe- re Seuche seyn. Sie sollen sich auch selbst, wo sie mercken, daß diese Kranckheit kom- me, an das lincke Ohr damit kratzen, und also den Paroxysmum vertreiben. Diese Klauen sollen auch wider die Zustände der Mutter gute Dienste leisten, und die Geburt befördern. Die Forder-Klauen sollen bey diesen Umständen die schlechte- sten seyn. Um die Cur zu bewerckstel- ligen, nimmt man sie entweder in die lincke Hand, oder es werden Ringe dar- aus formiret, die man ansteckt; Einige schaben das Elents-Horn gantz klein, und geben solches den Patienten in Meyblu- men- oder Lavendel-Wasser ein. Ande- re hängen ein Stücklein davon an den Hals, daß die Hertz-Grube damit berüh- ret sey. Die Elents-Klaue wird von be- trügerischen Leuten gar offters mit dem Ochsen-Huf verfälschet. Doch kan man den Unterscheid daher wahrnehmen, daß der Ochsen-Huf nicht gar wohl riechet, hingegen die Elents-Klau riechet gar lieb- lich, zumahl wenn sie auf Kohlen gethan wird.
§. 4.
Man giebt vor, daß nicht alle diese Thiere die schwere Noth, auch nicht alle die Kräffte haben, sondern daß sie dem Alter, Geschlecht und Zeit, und selbst der Klauen halber weit von einander unter- schieden sind. Des Weibleins Klauen sollen diese Krafft nicht haben, sondern nur des Männleins, vielweniger der jun- gen, sondern nur der alten, und zwar nur zu der Zeit, wenn sie in der Brunst lauf- fen, (zwischen den zwey Frauen-Tägen.) Etliche wollen, man soll die Klauen von denen noch lebenden Thieren um besagte Zeit herunter schneiden. Levinus Lem- nius schreibet, er habe deren Krafft in der schweren Noth etliche mahl erfahren. Meizaldus hat auch mit einem wenigen davon das lincke Ohr gekratzet, da er gleichfalls empfunden, daß es glücklich ge- holffen. Johannes Agricola, Ammonius und andere wollen, sie haben gleiche [Spaltenumbruch]
Krafft, wenn man nur ein Stücklein da- von an den Hals hänge, oder bey sich tra- ge, daß es die Haut berühre. Jn der Apothecken hat man von der Elents- Klaue den Spiritum, das flüchtige Saltz, und ein Oehl.
Das 11. Capitel/ Von denen Eigenschafften des Hirsches.
Daß die Hirsche ein ziemlich hohes Al- ter erreichen, habe in dem ersten Theil allbereits angeführt, und wird aus der Praxi von erfahrnen Jägern bestätiget. Die Ursachen seines hohen Alters sind, daß er sich nach den unterschiedenen Um- ständen der Jahres-Zeiten, der Witte- rungen, seiner Geburts-Stelle und Va- terlandes sehr vorsichtig und diaetisch zu verhalten weiß, biß er seine rechte völli- ge Leibes-Grösse und Höhe, und die wahre Beschaffenheit eines vollkomme- nen jagdbaren Hirsches erreichet. Er beurtheilet sehr wohl, was zu seiner Ver- däuung am weichsten und dienlichsten seyn mögte, welches man aus seiner gantz dün- nen und wohl verdaueten Losung wahr- nehmen kan. Er nimmt sein Geäß sehr gemachsam, ohne Ubereilung, dabey er die Augen überall herum wirfft, auch ehe es Tag wird, und eh der Morgen-Stern kaum aufsteiget, tritt er bey Zeiten nach seinem Stande, gehet sehr gemachsam da- hin, und nimmt seinen Eingang durch einen alten Holtz-Weg, wo es ihm mög- lich, einen oder zwey krumme Wiedergän- ge zu thun, und einen falschen Stand zu machen, eh er sich den rechten Stand er- wehlet, damit man nicht seinen wahren Ort ausfinden mögte.
§. 2.
Wenn der Hirsch Ruh und Frie- de hat, gehet er gerne zuvor in einen jun- gen Hau, damit ihn die Sonne daselbst bescheine, und der nasse Morgen-Thau abtrockne, er thut sich daselbst nieder, biß er völlig trocken. Dann begiebt er sich in das gröste und dickeste Gebüsch, sein Lager oder Stand zu erwehlen, und da- selbst den Tag über sicher zu bleiben, weil ihn sonst öffters die Vögel, Fliegen und Mücken entdecken und verrathen mög- ten. Es ist wundersam, daß, obwohl der Hirsch in einem Gehäge oder solchem Revier, wo er Friede und Sicherheit hat, und gar nicht verstöhrt wird, er dennoch zuweilen zwey biß drey Tage des Som- mers sich der Weyde gantz enthält, und
in
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Des Andern Theils 10. Capitel/ von dem Elent-Thiere.
[Spaltenumbruch]
§. 3.
Es finden ſich dieſe Thiere an einigen Orten in Pohlen, Schweden, Mo- ſcau, und den angrentzenden Laͤndern ein. Wenn man ihre Geweyhe, die zwi- ſchen den beyden Frauen-Tagen geſam̃let worden, ſchabet und einnimmt, ſo ſoll die- ſes wider die fallende Sucht ſehr dienlich ſeyn. Jhre Flechs-Adern und Sehnen ſollen bloß umgebunden vor den Krampf helffen. Vor andern ſollen die Klauen, ſonderlich vom hintern rechten Schenckel ein treffliches Antidotum wider die ſchwe- re Seuche ſeyn. Sie ſollen ſich auch ſelbſt, wo ſie mercken, daß dieſe Kranckheit kom- me, an das lincke Ohr damit kratzen, und alſo den Paroxyſmum vertreiben. Dieſe Klauen ſollen auch wider die Zuſtaͤnde der Mutter gute Dienſte leiſten, und die Geburt befoͤrdern. Die Forder-Klauen ſollen bey dieſen Umſtaͤnden die ſchlechte- ſten ſeyn. Um die Cur zu bewerckſtel- ligen, nimmt man ſie entweder in die lincke Hand, oder es werden Ringe dar- aus formiret, die man anſteckt; Einige ſchaben das Elents-Horn gantz klein, und geben ſolches den Patienten in Meyblu- men- oder Lavendel-Waſſer ein. Ande- re haͤngen ein Stuͤcklein davon an den Hals, daß die Hertz-Grube damit beruͤh- ret ſey. Die Elents-Klaue wird von be- truͤgeriſchen Leuten gar offters mit dem Ochſen-Huf verfaͤlſchet. Doch kan man den Unterſcheid daher wahrnehmen, daß der Ochſen-Huf nicht gar wohl riechet, hingegen die Elents-Klau riechet gar lieb- lich, zumahl wenn ſie auf Kohlen gethan wird.
§. 4.
Man giebt vor, daß nicht alle dieſe Thiere die ſchwere Noth, auch nicht alle die Kraͤffte haben, ſondern daß ſie dem Alter, Geſchlecht und Zeit, und ſelbſt der Klauen halber weit von einander unter- ſchieden ſind. Des Weibleins Klauen ſollen dieſe Krafft nicht haben, ſondern nur des Maͤnnleins, vielweniger der jun- gen, ſondern nur der alten, und zwar nur zu der Zeit, wenn ſie in der Brunſt lauf- fen, (zwiſchen den zwey Frauen-Taͤgen.) Etliche wollen, man ſoll die Klauen von denen noch lebenden Thieren um beſagte Zeit herunter ſchneiden. Levinus Lem- nius ſchreibet, er habe deren Krafft in der ſchweren Noth etliche mahl erfahren. Meizaldus hat auch mit einem wenigen davon das lincke Ohr gekratzet, da er gleichfalls empfunden, daß es gluͤcklich ge- holffen. Johannes Agricola, Ammonius und andere wollen, ſie haben gleiche [Spaltenumbruch]
Krafft, wenn man nur ein Stuͤcklein da- von an den Hals haͤnge, oder bey ſich tra- ge, daß es die Haut beruͤhre. Jn der Apothecken hat man von der Elents- Klaue den Spiritum, das fluͤchtige Saltz, und ein Oehl.
Das 11. Capitel/ Von denen Eigenſchafften des Hirſches.
Daß die Hirſche ein ziemlich hohes Al- ter erreichen, habe in dem erſten Theil allbereits angefuͤhrt, und wird aus der Praxi von erfahrnen Jaͤgern beſtaͤtiget. Die Urſachen ſeines hohen Alters ſind, daß er ſich nach den unterſchiedenen Um- ſtaͤnden der Jahres-Zeiten, der Witte- rungen, ſeiner Geburts-Stelle und Va- terlandes ſehr vorſichtig und diætiſch zu verhalten weiß, biß er ſeine rechte voͤlli- ge Leibes-Groͤſſe und Hoͤhe, und die wahre Beſchaffenheit eines vollkomme- nen jagdbaren Hirſches erreichet. Er beurtheilet ſehr wohl, was zu ſeiner Ver- daͤuung am weichſten und dienlichſten ſeyn moͤgte, welches man aus ſeiner gantz duͤn- nen und wohl verdaueten Loſung wahr- nehmen kan. Er nimmt ſein Geaͤß ſehr gemachſam, ohne Ubereilung, dabey er die Augen uͤberall herum wirfft, auch ehe es Tag wird, und eh der Morgen-Stern kaum aufſteiget, tritt er bey Zeiten nach ſeinem Stande, gehet ſehr gemachſam da- hin, und nimmt ſeinen Eingang durch einen alten Holtz-Weg, wo es ihm moͤg- lich, einen oder zwey krumme Wiedergaͤn- ge zu thun, und einen falſchen Stand zu machen, eh er ſich den rechten Stand er- wehlet, damit man nicht ſeinen wahren Ort ausfinden moͤgte.
§. 2.
Wenn der Hirſch Ruh und Frie- de hat, gehet er gerne zuvor in einen jun- gen Hau, damit ihn die Sonne daſelbſt beſcheine, und der naſſe Morgen-Thau abtrockne, er thut ſich daſelbſt nieder, biß er voͤllig trocken. Dann begiebt er ſich in das groͤſte und dickeſte Gebuͤſch, ſein Lager oder Stand zu erwehlen, und da- ſelbſt den Tag uͤber ſicher zu bleiben, weil ihn ſonſt oͤffters die Voͤgel, Fliegen und Muͤcken entdecken und verrathen moͤg- ten. Es iſt wunderſam, daß, obwohl der Hirſch in einem Gehaͤge oder ſolchem Revier, wo er Friede und Sicherheit hat, und gar nicht verſtoͤhrt wird, er dennoch zuweilen zwey biß drey Tage des Som- mers ſich der Weyde gantz enthaͤlt, und
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Des Andern Theils 10. Capitel/ von dem Elent-Thiere.
§. 3. Es finden ſich dieſe Thiere an
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ſcau, und den angrentzenden Laͤndern
ein. Wenn man ihre Geweyhe, die zwi-
ſchen den beyden Frauen-Tagen geſam̃let
worden, ſchabet und einnimmt, ſo ſoll die-
ſes wider die fallende Sucht ſehr dienlich
ſeyn. Jhre Flechs-Adern und Sehnen
ſollen bloß umgebunden vor den Krampf
helffen. Vor andern ſollen die Klauen,
ſonderlich vom hintern rechten Schenckel
ein treffliches Antidotum wider die ſchwe-
re Seuche ſeyn. Sie ſollen ſich auch ſelbſt,
wo ſie mercken, daß dieſe Kranckheit kom-
me, an das lincke Ohr damit kratzen, und
alſo den Paroxyſmum vertreiben. Dieſe
Klauen ſollen auch wider die Zuſtaͤnde
der Mutter gute Dienſte leiſten, und die
Geburt befoͤrdern. Die Forder-Klauen
ſollen bey dieſen Umſtaͤnden die ſchlechte-
ſten ſeyn. Um die Cur zu bewerckſtel-
ligen, nimmt man ſie entweder in die
lincke Hand, oder es werden Ringe dar-
aus formiret, die man anſteckt; Einige
ſchaben das Elents-Horn gantz klein, und
geben ſolches den Patienten in Meyblu-
men- oder Lavendel-Waſſer ein. Ande-
re haͤngen ein Stuͤcklein davon an den
Hals, daß die Hertz-Grube damit beruͤh-
ret ſey. Die Elents-Klaue wird von be-
truͤgeriſchen Leuten gar offters mit dem
Ochſen-Huf verfaͤlſchet. Doch kan man
den Unterſcheid daher wahrnehmen, daß
der Ochſen-Huf nicht gar wohl riechet,
hingegen die Elents-Klau riechet gar lieb-
lich, zumahl wenn ſie auf Kohlen gethan
wird.
§. 4. Man giebt vor, daß nicht alle
dieſe Thiere die ſchwere Noth, auch nicht
alle die Kraͤffte haben, ſondern daß ſie dem
Alter, Geſchlecht und Zeit, und ſelbſt der
Klauen halber weit von einander unter-
ſchieden ſind. Des Weibleins Klauen
ſollen dieſe Krafft nicht haben, ſondern
nur des Maͤnnleins, vielweniger der jun-
gen, ſondern nur der alten, und zwar nur
zu der Zeit, wenn ſie in der Brunſt lauf-
fen, (zwiſchen den zwey Frauen-Taͤgen.)
Etliche wollen, man ſoll die Klauen von
denen noch lebenden Thieren um beſagte
Zeit herunter ſchneiden. Levinus Lem-
nius ſchreibet, er habe deren Krafft in der
ſchweren Noth etliche mahl erfahren.
Meizaldus hat auch mit einem wenigen
davon das lincke Ohr gekratzet, da er
gleichfalls empfunden, daß es gluͤcklich ge-
holffen. Johannes Agricola, Ammonius
und andere wollen, ſie haben gleiche
Krafft, wenn man nur ein Stuͤcklein da-
von an den Hals haͤnge, oder bey ſich tra-
ge, daß es die Haut beruͤhre. Jn der
Apothecken hat man von der Elents-
Klaue den Spiritum, das fluͤchtige Saltz,
und ein Oehl.
Das 11. Capitel/
Von denen Eigenſchafften des
Hirſches.
Daß die Hirſche ein ziemlich hohes Al-
ter erreichen, habe in dem erſten Theil
allbereits angefuͤhrt, und wird aus der
Praxi von erfahrnen Jaͤgern beſtaͤtiget.
Die Urſachen ſeines hohen Alters ſind,
daß er ſich nach den unterſchiedenen Um-
ſtaͤnden der Jahres-Zeiten, der Witte-
rungen, ſeiner Geburts-Stelle und Va-
terlandes ſehr vorſichtig und diætiſch zu
verhalten weiß, biß er ſeine rechte voͤlli-
ge Leibes-Groͤſſe und Hoͤhe, und die
wahre Beſchaffenheit eines vollkomme-
nen jagdbaren Hirſches erreichet. Er
beurtheilet ſehr wohl, was zu ſeiner Ver-
daͤuung am weichſten und dienlichſten ſeyn
moͤgte, welches man aus ſeiner gantz duͤn-
nen und wohl verdaueten Loſung wahr-
nehmen kan. Er nimmt ſein Geaͤß ſehr
gemachſam, ohne Ubereilung, dabey er
die Augen uͤberall herum wirfft, auch ehe
es Tag wird, und eh der Morgen-Stern
kaum aufſteiget, tritt er bey Zeiten nach
ſeinem Stande, gehet ſehr gemachſam da-
hin, und nimmt ſeinen Eingang durch
einen alten Holtz-Weg, wo es ihm moͤg-
lich, einen oder zwey krumme Wiedergaͤn-
ge zu thun, und einen falſchen Stand zu
machen, eh er ſich den rechten Stand er-
wehlet, damit man nicht ſeinen wahren
Ort ausfinden moͤgte.
§. 2. Wenn der Hirſch Ruh und Frie-
de hat, gehet er gerne zuvor in einen jun-
gen Hau, damit ihn die Sonne daſelbſt
beſcheine, und der naſſe Morgen-Thau
abtrockne, er thut ſich daſelbſt nieder, biß
er voͤllig trocken. Dann begiebt er ſich
in das groͤſte und dickeſte Gebuͤſch, ſein
Lager oder Stand zu erwehlen, und da-
ſelbſt den Tag uͤber ſicher zu bleiben, weil
ihn ſonſt oͤffters die Voͤgel, Fliegen und
Muͤcken entdecken und verrathen moͤg-
ten. Es iſt wunderſam, daß, obwohl
der Hirſch in einem Gehaͤge oder ſolchem
Revier, wo er Friede und Sicherheit hat,
und gar nicht verſtoͤhrt wird, er dennoch
zuweilen zwey biß drey Tage des Som-
mers ſich der Weyde gantz enthaͤlt, und
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/171>, abgerufen am 21.11.2024.
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