Des Andern Th. 9. C. vom Wiedergang u. Abspr. der wilden Thiere.
[Spaltenumbruch]
Das 9. Capitel/ Von dem Wiedergange und dem Absprunge der wilden Thiere.
1.
Die Thiere haben nicht allein ihre Ver- folger an den Menschen, sondern auch an andern Raub-Thieren, die ihnen nach- eilen, und sie zu zerreissen und zu wür- gen trachten. Damit sie nun von eini- gen Nachstellungen einigermassen gesi- chert seyn mögen, so hat ihnen nicht nur der liebreiche Schöpffer einen sehr starcken Geruch verliehen, daß sie die Atomos und die Witterungen von Menschen und Thie- ren gantz von weiten percipiren mögen, sondern auch ermeldten Thieren etwas besonderes in ihre Naturen gelegt, daß sie zu Rettung ihres Lebens auf ihrer ge- machten Spuhr oder Gefährde einen Wiedergang zu thun pflegen, auch Zeit- währendem Wandel zur rechten und lin- cken Seite sich wohl umsehen, recogno- sciren und bemercken, auf was Art und Weise sie am füglichsten zu ihrer bessern Sicherheit sich zu verbergen, ihren Stand oder Lager zu erwehlen, einen oder mehr Absprünge unvermerckt vornehmen kön- nen, damit die Menschen, Raub-Thiere oder Hunde, die ihnen nachspühren wol- len, in der Spuhr irren, und confus, folglich verdrießlich werden sollen, das fer- nere Nachspühren unterlassen, und also ihr Quartier nicht finden.
§. 2.
Es ist auch sonderlich, daß nicht leichtlich ein wildes Thier von selbst bey einem frisch-gefallenen Schnee aus sei- nem Stand oder Lager herausgehet, da- mit es nicht hierdurch verrathen werde, sondern es wird lieber drey biß vier Ta- ge mit Hunger aushalten, ehe es heraus gehen wird, um sich nicht zu verrathen, und das Leben zu behalten; wie man bey aller Thiere Wiedergängen und Absprün- gen, sonderlich bey den Hasen bemercken kan. Es wird offt einer in einer Nacht so viel Spuhren, Wiedergänge, Gefähr- den und Absprünge machen, daß man meynen solte, ob wären viel Hasen da- selbst gelauffen, da es doch nur ein eintzi- ger gewesen, und auf solche Weise suchen alle Thiere so viel als möglich ihr Leben zu conserviren. So kan man auch offt im Sommer wahrnehmen, daß ein Hirsch zwey biß drey Tage lang in einem schlechten geringen Feld-Höltzgen seinen Stand nimmt, [Spaltenumbruch]
und lieber seinen Magen mit Fasten ca- steyet, als daß er aus demselben, wo er einige Unsicherheit bemercket, heraus tre- ten solte.
Das 10. Capitel/ Von dem Elent-Thier.
§. 1.
Die Elent-Thiere sind ein Geschlecht der Hirsche, fast wie die Renn-Thiere, welche meistentheils in den Mitternächti- schen Ländern angetroffen und gefangen werden. Jm Sommer sind sie Aschen- farbicht, und im Winter werden sie et- was schwärtzlicher. Sie sind grösser und höher, auch starckleibigter, als die Hirsche. Die obern Leffzen sind breiter und grös- ser denn die untern, daher es am Wey- den sich meistentheils zurück ziehet, daß es die Weyde ohne Verhinderung der obern abhangenden Leffzen desto beqve- mer zu sich ziehen kan. Das Weiblein ist ohne Geweyhe, das Männlein aber hat sie desto grösser, fast an der Forme, wie die Tannen-Hirsche, allein so groß und schwer, daß sie offt zwölff Pfund wä- gen, sie werffen sie auch zu gewisser Zeit, wie die Hirsche ab. Sie haben lange hangende Ohren, und kleinere Zähne; Sie sind großbäuchigt, wie die Kühe oder Ochsen, mit einem kurtzen Schweiff, und gespaltenen Huf versehen, wie die Hir- sche, allein viel grösser.
§. 2.
Sie halten sich gerne an mora- stigen Oertern auf, und setzen daselbst ihre Jungen, sie gehen Trouppweise mit ein- ander, und folget immer eines des an- dern Fußstapffen nach, so, daß man, wenn man ihre Spuhren siehet, glauben solte, es wäre nur ein eintziges allein da gegan- gen. Sie sind traurige und furchtsame Thiere; wider die Wölffe wehren sie sich mit dem Förder-Lauffe. Man giebt von ihnen vor, daß sie die hinfallende Sucht gewöhnlich haben. Jhre Haut wird aus Preussen, und andern Mitternächtischen Ländern gebracht, und von den Weiß-Ger- bern zugerichtet; Sie sind eine gute Tracht vor die Officiers und Soldaten zu Pfer- de; und wenn sie schon naß worden, blei- ben sie dennoch zügig und gelinde, viel bes- ser als die Ochsen- und Büffel-Häute, da- her sie auch theuer verkaufft werden; Et- liche sind so starck, daß sie auch wohl ei- nen Stoß von einem guten Degen auf- halten können.
§. 3.
Des Andern Th. 9. C. vom Wiedergang u. Abſpr. der wilden Thiere.
[Spaltenumbruch]
Das 9. Capitel/ Von dem Wiedergange und dem Abſprunge der wilden Thiere.
1.
Die Thiere haben nicht allein ihre Ver- folger an den Menſchen, ſondern auch an andern Raub-Thieren, die ihnen nach- eilen, und ſie zu zerreiſſen und zu wuͤr- gen trachten. Damit ſie nun von eini- gen Nachſtellungen einigermaſſen geſi- chert ſeyn moͤgen, ſo hat ihnen nicht nur der liebreiche Schoͤpffer einen ſehr ſtarcken Geruch verliehen, daß ſie die Atomos und die Witterungen von Menſchen und Thie- ren gantz von weiten percipiren moͤgen, ſondern auch ermeldten Thieren etwas beſonderes in ihre Naturen gelegt, daß ſie zu Rettung ihres Lebens auf ihrer ge- machten Spuhr oder Gefaͤhrde einen Wiedergang zu thun pflegen, auch Zeit- waͤhrendem Wandel zur rechten und lin- cken Seite ſich wohl umſehen, recogno- ſciren und bemercken, auf was Art und Weiſe ſie am fuͤglichſten zu ihrer beſſern Sicherheit ſich zu verbergen, ihren Stand oder Lager zu erwehlen, einen oder mehr Abſpruͤnge unvermerckt vornehmen koͤn- nen, damit die Menſchen, Raub-Thiere oder Hunde, die ihnen nachſpuͤhren wol- len, in der Spuhr irren, und confus, folglich verdrießlich werden ſollen, das fer- nere Nachſpuͤhren unterlaſſen, und alſo ihr Quartier nicht finden.
§. 2.
Es iſt auch ſonderlich, daß nicht leichtlich ein wildes Thier von ſelbſt bey einem friſch-gefallenen Schnee aus ſei- nem Stand oder Lager herausgehet, da- mit es nicht hierdurch verrathen werde, ſondern es wird lieber drey biß vier Ta- ge mit Hunger aushalten, ehe es heraus gehen wird, um ſich nicht zu verrathen, und das Leben zu behalten; wie man bey aller Thiere Wiedergaͤngen und Abſpruͤn- gen, ſonderlich bey den Haſen bemercken kan. Es wird offt einer in einer Nacht ſo viel Spuhren, Wiedergaͤnge, Gefaͤhr- den und Abſpruͤnge machen, daß man meynen ſolte, ob waͤren viel Haſen da- ſelbſt gelauffen, da es doch nur ein eintzi- ger geweſen, und auf ſolche Weiſe ſuchen alle Thiere ſo viel als moͤglich ihr Leben zu conſerviren. So kan man auch offt im Som̃er wahrnehmen, daß ein Hirſch zwey biß dꝛey Tage lang in einem ſchlechten geringẽ Feld-Hoͤltzgen ſeinen Stand nim̃t, [Spaltenumbruch]
und lieber ſeinen Magen mit Faſten ca- ſteyet, als daß er aus demſelben, wo er einige Unſicherheit bemercket, heraus tre- ten ſolte.
Das 10. Capitel/ Von dem Elent-Thier.
§. 1.
Die Elent-Thiere ſind ein Geſchlecht der Hirſche, faſt wie die Renn-Thiere, welche meiſtentheils in den Mitternaͤchti- ſchen Laͤndern angetroffen und gefangen werden. Jm Sommer ſind ſie Aſchen- farbicht, und im Winter werden ſie et- was ſchwaͤrtzlicher. Sie ſind groͤſſer und hoͤher, auch ſtarckleibigter, als die Hirſche. Die obern Leffzen ſind breiter und groͤſ- ſer denn die untern, daher es am Wey- den ſich meiſtentheils zuruͤck ziehet, daß es die Weyde ohne Verhinderung der obern abhangenden Leffzen deſto beqve- mer zu ſich ziehen kan. Das Weiblein iſt ohne Geweyhe, das Maͤnnlein aber hat ſie deſto groͤſſer, faſt an der Forme, wie die Tannen-Hirſche, allein ſo groß und ſchwer, daß ſie offt zwoͤlff Pfund waͤ- gen, ſie werffen ſie auch zu gewiſſer Zeit, wie die Hirſche ab. Sie haben lange hangende Ohren, und kleinere Zaͤhne; Sie ſind großbaͤuchigt, wie die Kuͤhe oder Ochſen, mit einem kurtzen Schweiff, und geſpaltenen Huf verſehen, wie die Hir- ſche, allein viel groͤſſer.
§. 2.
Sie halten ſich gerne an mora- ſtigen Oertern auf, und ſetzen daſelbſt ihre Jungen, ſie gehen Trouppweiſe mit ein- ander, und folget immer eines des an- dern Fußſtapffen nach, ſo, daß man, wenn man ihre Spuhren ſiehet, glauben ſolte, es waͤre nur ein eintziges allein da gegan- gen. Sie ſind traurige und furchtſame Thiere; wider die Woͤlffe wehren ſie ſich mit dem Foͤrder-Lauffe. Man giebt von ihnen vor, daß ſie die hinfallende Sucht gewoͤhnlich haben. Jhre Haut wird aus Preuſſen, und andern Mitternaͤchtiſchen Laͤndeꝛn gebracht, und von den Weiß-Ger- bern zugerichtet; Sie ſind eine gute Tracht vor die Officiers und Soldaten zu Pfer- de; und wenn ſie ſchon naß worden, blei- ben ſie dennoch zuͤgig und gelinde, viel beſ- ſer als die Ochſen- und Buͤffel-Haͤute, da- her ſie auch theuer verkaufft werden; Et- liche ſind ſo ſtarck, daß ſie auch wohl ei- nen Stoß von einem guten Degen auf- halten koͤnnen.
§. 3.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0166"n="98"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Des Andern Th. 9. C. vom Wiedergang u. Abſpr. der wilden Thiere.</hi></fw><lb/><cb/></div></div><divn="2"><head><hirendition="#b">Das 9. Capitel/<lb/>
Von dem Wiedergange und<lb/>
dem Abſprunge der wilden<lb/>
Thiere.</hi></head><lb/><divn="3"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Thiere haben nicht allein ihre Ver-<lb/>
folger an den Menſchen, ſondern auch<lb/>
an andern Raub-Thieren, die ihnen nach-<lb/>
eilen, und ſie zu zerreiſſen und zu wuͤr-<lb/>
gen trachten. Damit ſie nun von eini-<lb/>
gen Nachſtellungen einigermaſſen geſi-<lb/>
chert ſeyn moͤgen, ſo hat ihnen nicht nur<lb/>
der liebreiche Schoͤpffer einen ſehr ſtarcken<lb/>
Geruch verliehen, daß ſie die <hirendition="#aq">Atomos</hi> und<lb/>
die Witterungen von Menſchen und Thie-<lb/>
ren gantz von weiten <hirendition="#aq">percipi</hi>ren moͤgen,<lb/>ſondern auch ermeldten Thieren etwas<lb/>
beſonderes in ihre Naturen gelegt, daß<lb/>ſie zu Rettung ihres Lebens auf ihrer ge-<lb/>
machten Spuhr oder Gefaͤhrde einen<lb/>
Wiedergang zu thun pflegen, auch Zeit-<lb/>
waͤhrendem Wandel zur rechten und lin-<lb/>
cken Seite ſich wohl umſehen, <hirendition="#aq">recogno-<lb/>ſci</hi>ren und bemercken, auf was Art und<lb/>
Weiſe ſie am fuͤglichſten zu ihrer beſſern<lb/>
Sicherheit ſich zu verbergen, ihren Stand<lb/>
oder Lager zu erwehlen, einen oder mehr<lb/>
Abſpruͤnge unvermerckt vornehmen koͤn-<lb/>
nen, damit die Menſchen, Raub-Thiere<lb/>
oder Hunde, die ihnen nachſpuͤhren wol-<lb/>
len, in der Spuhr irren, und <hirendition="#aq">confus,</hi><lb/>
folglich verdrießlich werden ſollen, das fer-<lb/>
nere Nachſpuͤhren unterlaſſen, und alſo<lb/>
ihr Quartier nicht finden.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 2.</head><p>Es iſt auch ſonderlich, daß nicht<lb/>
leichtlich ein wildes Thier von ſelbſt bey<lb/>
einem friſch-gefallenen Schnee aus ſei-<lb/>
nem Stand oder Lager herausgehet, da-<lb/>
mit es nicht hierdurch verrathen werde,<lb/>ſondern es wird lieber drey biß vier Ta-<lb/>
ge mit Hunger aushalten, ehe es heraus<lb/>
gehen wird, um ſich nicht zu verrathen,<lb/>
und das Leben zu behalten; wie man bey<lb/>
aller Thiere Wiedergaͤngen und Abſpruͤn-<lb/>
gen, ſonderlich bey den Haſen bemercken<lb/>
kan. Es wird offt einer in einer Nacht<lb/>ſo viel Spuhren, Wiedergaͤnge, Gefaͤhr-<lb/>
den und Abſpruͤnge machen, daß man<lb/>
meynen ſolte, ob waͤren viel Haſen da-<lb/>ſelbſt gelauffen, da es doch nur ein eintzi-<lb/>
ger geweſen, und auf ſolche Weiſe ſuchen<lb/>
alle Thiere ſo viel als moͤglich ihr Leben<lb/>
zu <hirendition="#aq">conſervi</hi>ren. So kan man auch offt<lb/>
im Som̃er wahrnehmen, daß ein Hirſch<lb/>
zwey biß dꝛey Tage lang in einem ſchlechten<lb/>
geringẽ Feld-Hoͤltzgen ſeinen Stand nim̃t,<lb/><cb/>
und lieber ſeinen Magen mit Faſten ca-<lb/>ſteyet, als daß er aus demſelben, wo er<lb/>
einige Unſicherheit bemercket, heraus tre-<lb/>
ten ſolte.</p></div></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das 10. Capitel/<lb/>
Von dem Elent-Thier.</hi></head><lb/><divn="3"><head>§. 1.</head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Elent-Thiere ſind ein Geſchlecht<lb/>
der Hirſche, faſt wie die Renn-Thiere,<lb/>
welche meiſtentheils in den Mitternaͤchti-<lb/>ſchen Laͤndern angetroffen und gefangen<lb/>
werden. Jm Sommer ſind ſie Aſchen-<lb/>
farbicht, und im Winter werden ſie et-<lb/>
was ſchwaͤrtzlicher. Sie ſind groͤſſer und<lb/>
hoͤher, auch ſtarckleibigter, als die Hirſche.<lb/>
Die obern Leffzen ſind breiter und groͤſ-<lb/>ſer denn die untern, daher es am Wey-<lb/>
den ſich meiſtentheils zuruͤck ziehet, daß<lb/>
es die Weyde ohne Verhinderung der<lb/>
obern abhangenden Leffzen deſto beqve-<lb/>
mer zu ſich ziehen kan. Das Weiblein<lb/>
iſt ohne Geweyhe, das Maͤnnlein aber hat<lb/>ſie deſto groͤſſer, faſt an der Forme, wie<lb/>
die Tannen-Hirſche, allein ſo groß und<lb/>ſchwer, daß ſie offt zwoͤlff Pfund waͤ-<lb/>
gen, ſie werffen ſie auch zu gewiſſer Zeit,<lb/>
wie die Hirſche ab. Sie haben lange<lb/>
hangende Ohren, und kleinere Zaͤhne;<lb/>
Sie ſind großbaͤuchigt, wie die Kuͤhe oder<lb/>
Ochſen, mit einem kurtzen Schweiff, und<lb/>
geſpaltenen Huf verſehen, wie die Hir-<lb/>ſche, allein viel groͤſſer.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 2.</head><p>Sie halten ſich gerne an mora-<lb/>ſtigen Oertern auf, und ſetzen daſelbſt ihre<lb/>
Jungen, ſie gehen Trouppweiſe mit ein-<lb/>
ander, und folget immer eines des an-<lb/>
dern Fußſtapffen nach, ſo, daß man, wenn<lb/>
man ihre Spuhren ſiehet, glauben ſolte,<lb/>
es waͤre nur ein eintziges allein da gegan-<lb/>
gen. Sie ſind traurige und furchtſame<lb/>
Thiere; wider die Woͤlffe wehren ſie ſich<lb/>
mit dem Foͤrder-Lauffe. Man giebt von<lb/>
ihnen vor, daß ſie die hinfallende Sucht<lb/>
gewoͤhnlich haben. Jhre Haut wird aus<lb/>
Preuſſen, und andern Mitternaͤchtiſchen<lb/>
Laͤndeꝛn gebracht, und von den Weiß-Ger-<lb/>
bern zugerichtet; Sie ſind eine gute Tracht<lb/>
vor die Officiers und Soldaten zu Pfer-<lb/>
de; und wenn ſie ſchon naß worden, blei-<lb/>
ben ſie dennoch zuͤgig und gelinde, viel beſ-<lb/>ſer als die Ochſen- und Buͤffel-Haͤute, da-<lb/>
her ſie auch theuer verkaufft werden; Et-<lb/>
liche ſind ſo ſtarck, daß ſie auch wohl ei-<lb/>
nen Stoß von einem guten Degen auf-<lb/>
halten koͤnnen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 3.</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[98/0166]
Des Andern Th. 9. C. vom Wiedergang u. Abſpr. der wilden Thiere.
Das 9. Capitel/
Von dem Wiedergange und
dem Abſprunge der wilden
Thiere.
1.
Die Thiere haben nicht allein ihre Ver-
folger an den Menſchen, ſondern auch
an andern Raub-Thieren, die ihnen nach-
eilen, und ſie zu zerreiſſen und zu wuͤr-
gen trachten. Damit ſie nun von eini-
gen Nachſtellungen einigermaſſen geſi-
chert ſeyn moͤgen, ſo hat ihnen nicht nur
der liebreiche Schoͤpffer einen ſehr ſtarcken
Geruch verliehen, daß ſie die Atomos und
die Witterungen von Menſchen und Thie-
ren gantz von weiten percipiren moͤgen,
ſondern auch ermeldten Thieren etwas
beſonderes in ihre Naturen gelegt, daß
ſie zu Rettung ihres Lebens auf ihrer ge-
machten Spuhr oder Gefaͤhrde einen
Wiedergang zu thun pflegen, auch Zeit-
waͤhrendem Wandel zur rechten und lin-
cken Seite ſich wohl umſehen, recogno-
ſciren und bemercken, auf was Art und
Weiſe ſie am fuͤglichſten zu ihrer beſſern
Sicherheit ſich zu verbergen, ihren Stand
oder Lager zu erwehlen, einen oder mehr
Abſpruͤnge unvermerckt vornehmen koͤn-
nen, damit die Menſchen, Raub-Thiere
oder Hunde, die ihnen nachſpuͤhren wol-
len, in der Spuhr irren, und confus,
folglich verdrießlich werden ſollen, das fer-
nere Nachſpuͤhren unterlaſſen, und alſo
ihr Quartier nicht finden.
§. 2. Es iſt auch ſonderlich, daß nicht
leichtlich ein wildes Thier von ſelbſt bey
einem friſch-gefallenen Schnee aus ſei-
nem Stand oder Lager herausgehet, da-
mit es nicht hierdurch verrathen werde,
ſondern es wird lieber drey biß vier Ta-
ge mit Hunger aushalten, ehe es heraus
gehen wird, um ſich nicht zu verrathen,
und das Leben zu behalten; wie man bey
aller Thiere Wiedergaͤngen und Abſpruͤn-
gen, ſonderlich bey den Haſen bemercken
kan. Es wird offt einer in einer Nacht
ſo viel Spuhren, Wiedergaͤnge, Gefaͤhr-
den und Abſpruͤnge machen, daß man
meynen ſolte, ob waͤren viel Haſen da-
ſelbſt gelauffen, da es doch nur ein eintzi-
ger geweſen, und auf ſolche Weiſe ſuchen
alle Thiere ſo viel als moͤglich ihr Leben
zu conſerviren. So kan man auch offt
im Som̃er wahrnehmen, daß ein Hirſch
zwey biß dꝛey Tage lang in einem ſchlechten
geringẽ Feld-Hoͤltzgen ſeinen Stand nim̃t,
und lieber ſeinen Magen mit Faſten ca-
ſteyet, als daß er aus demſelben, wo er
einige Unſicherheit bemercket, heraus tre-
ten ſolte.
Das 10. Capitel/
Von dem Elent-Thier.
§. 1.
Die Elent-Thiere ſind ein Geſchlecht
der Hirſche, faſt wie die Renn-Thiere,
welche meiſtentheils in den Mitternaͤchti-
ſchen Laͤndern angetroffen und gefangen
werden. Jm Sommer ſind ſie Aſchen-
farbicht, und im Winter werden ſie et-
was ſchwaͤrtzlicher. Sie ſind groͤſſer und
hoͤher, auch ſtarckleibigter, als die Hirſche.
Die obern Leffzen ſind breiter und groͤſ-
ſer denn die untern, daher es am Wey-
den ſich meiſtentheils zuruͤck ziehet, daß
es die Weyde ohne Verhinderung der
obern abhangenden Leffzen deſto beqve-
mer zu ſich ziehen kan. Das Weiblein
iſt ohne Geweyhe, das Maͤnnlein aber hat
ſie deſto groͤſſer, faſt an der Forme, wie
die Tannen-Hirſche, allein ſo groß und
ſchwer, daß ſie offt zwoͤlff Pfund waͤ-
gen, ſie werffen ſie auch zu gewiſſer Zeit,
wie die Hirſche ab. Sie haben lange
hangende Ohren, und kleinere Zaͤhne;
Sie ſind großbaͤuchigt, wie die Kuͤhe oder
Ochſen, mit einem kurtzen Schweiff, und
geſpaltenen Huf verſehen, wie die Hir-
ſche, allein viel groͤſſer.
§. 2. Sie halten ſich gerne an mora-
ſtigen Oertern auf, und ſetzen daſelbſt ihre
Jungen, ſie gehen Trouppweiſe mit ein-
ander, und folget immer eines des an-
dern Fußſtapffen nach, ſo, daß man, wenn
man ihre Spuhren ſiehet, glauben ſolte,
es waͤre nur ein eintziges allein da gegan-
gen. Sie ſind traurige und furchtſame
Thiere; wider die Woͤlffe wehren ſie ſich
mit dem Foͤrder-Lauffe. Man giebt von
ihnen vor, daß ſie die hinfallende Sucht
gewoͤhnlich haben. Jhre Haut wird aus
Preuſſen, und andern Mitternaͤchtiſchen
Laͤndeꝛn gebracht, und von den Weiß-Ger-
bern zugerichtet; Sie ſind eine gute Tracht
vor die Officiers und Soldaten zu Pfer-
de; und wenn ſie ſchon naß worden, blei-
ben ſie dennoch zuͤgig und gelinde, viel beſ-
ſer als die Ochſen- und Buͤffel-Haͤute, da-
her ſie auch theuer verkaufft werden; Et-
liche ſind ſo ſtarck, daß ſie auch wohl ei-
nen Stoß von einem guten Degen auf-
halten koͤnnen.
§. 3.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/166>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.