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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Von den Zigeunern.
[Spaltenumbruch] Kinder pflegen sie zu unterschiedenen mah-
len tauffen zu lassen, und reiche und vor-
nehme Gevattern dabey zu erkiesen, da-
mit sie von dem Pathen-Gelde desto bes-
ser schmausen und prassen mögen.

§. 4.

Einige Autores stehen in den
Gedancken, daß vor ein paar Seculis ei-
nige unter den Nahmen der Zigeuner,
die von den Ungarischen und Türckischen
Grentzen gebürtig gewesen, zu erst in
Teutschland gekommen, und Türckische
Kundschaffter abgegeben, die die Länder
hätten sollen ausspioniren, und daher so
verhaßt geworden. Dem sey wie ihm wol-
le, so ist gewiß, daß die Zigeuner jederzeit
gottlose böse Leute gewesen, die mit al-
lem Recht verfolgt werden. Es hat Herr
Höm, in seinen unvergreifflichen Gedan-
cken von Stadt- und Land-Betteln, fol-
gende Beschreibung von ihnen, wie sie in
den Coburgischen Landen nach ihrem neu-
esten Zustand und Lebens-Art befunden
worden, vorgebracht: Er sagt, sie geste-
hen und geben vor, wie sie sich in einige
Trouppen oder Hauffen ausgetheilt,
welche wohl 600. Köpffe ausmachten,
stünden unter einem Hauptmann, Nah-
mens Reichart, und kämen alle Jahr
einmahl an einem Orte zusammen. Sie
sind zu 20. 30. 40. auch wohl iezuweilen
mehr oder weniger Mann starck, meist
ohne Gewehr, haben hingegen etliche
Pferde bey sich, worauff sie ihre Bagage
und Raub desto leichter fortzubringen
und zu salviren wissen. Bey Tage schi-
cken sie Weiber und Kinder auff die be-
nachbarten Dorffschafften zum Stehlen
aus, welches sie unter dem Vorwand des
Bettelns und Wahrsagens durch Ent-
wendung Kleider, Waaren und Leinen
Geräthes aus den Bauer-Häusern, Ab-
fangung der Hüner und Gänse, oder
was ihnen sonst zu mausen vorkommt,
sehr meisterlich, und behende zu verrich-
ten wissen. Den Einwohnern der Oer-
ter, wo sie ihren Unterschleiff und Nacht-
lager finden, thun sie gantz keinen Uber-
last, sondern zehren vor ihr Geld und
Raub, damit sothane Receptatores sie
nicht verrathen, und wenn sie wieder
kommen, beherbergen mögen. Die
Häupter der Rotten scheuen sich nicht
bißweilen vorzugeben, sie und ihre Un-
tergebene hätten unter dem Printzen Eu-
genio
Dienste als Voluntairs, bekämen
auch von ihm alle Jahr Ordre zum Auf-
bruch in Campagnen. Vor einen un-
versehenen Uberfall stellen sie Wache aus,
[Spaltenumbruch] sind auch so schnell zu Fuß, daß man sie,
zumahl in Wäldern, nicht wohl einholen
kan. Jhre Weiber führen insgemein
sehr scharffe und lange Messer bey sich ver-
borgen, mit welchen sie sich im Nothfall
wehren, und das gestohlene Feder-Vieh
desto geschwinder schlachten und fortbrin-
gen können. Wenn man fragt, wovon sie
sich nehren, geben sie vor, theils vom Pferde-
Handel, theils von Betteln, theils auch
von ihrem Solde, den sie durch Wechsel
aus Klein Egypten über dem rothen Meer
von dem Türckischen Käyser an den Rö-
mischen Käyser, und von diesem an die
Herren Fugger zu Augspurg übermacht
bekommen.

§. 5.

Da nun dieses Zigeuner-Volck,
wie ietzt angeführet worden, mancherley
Unheyl anzurichten pflegt, so ist gar eine
billige und gerechte Straffe vor diese Leu-
te, daß man sie, wie fast allenthalben in
Teutschland angeordnet ist, aller Orten,
es sey in Stadten, Flecken, Dörffern, Bü-
schen und Wäldern, mit gewaffneter
Hand aufsucht, und mit Gewalt aus dem
Lande verweiset, sie auch bey verspühr-
tem Widerstand so gleich todt schiessen
läßt, und diejenigen, so man ergreifft,
ohne einige Gnade und Nachsehen, sine
strepitu judicii,
und ohne einigen wei-
tern Proceß, bloß und allein um ihres
verbothenen Lebens-Wandels und be-
zeugten Ungehorsams halber, mit Leib-
und Lebens-Straffe belegt, die Weiber
und Kinder aber in die Zucht- und Ar-
beit-Häuser auf ewig verdammt. S. das
Churfürstlich Sächsische, das Churfürst-
lich Mäyntzische und die andern Patente,
so wider die Zigeuner publiciret worden.

§. 6.

Das beste Mittel, die Zigeuner
zu entdecken, ist, wenn die Strassen-Be-
reuter ihre Pflicht in Obacht nehmen,
und fleißig patroulliren, ingleichen wenn
die Jäger und Forst-Bedienten dasjeni-
ge, was sie von solchen Diebes-Rotten
und leichtfertigem Gesindel antreffen, al-
sobald entdecken, und von dieser ihrer
Pflicht sich weder durch Geschencke noch
Drohungen abbringen lassen.

Das 27. Capitel/
Von den vergrabenen Schan-
tzen/ und den Geistern/ die
sie besitzen sollen.
§. 1.

Damit ich denjenigen, welche etwan
durch das räuberische Zigeuner-

Volck
F 3

Von den Zigeunern.
[Spaltenumbruch] Kinder pflegen ſie zu unteꝛſchiedenen mah-
len tauffen zu laſſen, und reiche und vor-
nehme Gevattern dabey zu erkieſen, da-
mit ſie von dem Pathen-Gelde deſto beſ-
ſer ſchmauſen und praſſen moͤgen.

§. 4.

Einige Autores ſtehen in den
Gedancken, daß vor ein paar Seculis ei-
nige unter den Nahmen der Zigeuner,
die von den Ungariſchen und Tuͤrckiſchen
Grentzen gebuͤrtig geweſen, zu erſt in
Teutſchland gekommen, und Tuͤrckiſche
Kundſchaffter abgegeben, die die Laͤnder
haͤtten ſollen ausſpioniren, und daher ſo
verhaßt geworden. Dem ſey wie ihm wol-
le, ſo iſt gewiß, daß die Zigeuner jederzeit
gottloſe boͤſe Leute geweſen, die mit al-
lem Recht verfolgt werden. Es hat Herr
Hoͤm, in ſeinen unvergreifflichen Gedan-
cken von Stadt- und Land-Betteln, fol-
gende Beſchreibung von ihnen, wie ſie in
den Coburgiſchen Landen nach ihrem neu-
eſten Zuſtand und Lebens-Art befunden
worden, vorgebracht: Er ſagt, ſie geſte-
hen und geben vor, wie ſie ſich in einige
Trouppen oder Hauffen ausgetheilt,
welche wohl 600. Koͤpffe ausmachten,
ſtuͤnden unter einem Hauptmann, Nah-
mens Reichart, und kaͤmen alle Jahr
einmahl an einem Orte zuſammen. Sie
ſind zu 20. 30. 40. auch wohl iezuweilen
mehr oder weniger Mann ſtarck, meiſt
ohne Gewehr, haben hingegen etliche
Pferde bey ſich, worauff ſie ihre Bagage
und Raub deſto leichter fortzubringen
und zu ſalviren wiſſen. Bey Tage ſchi-
cken ſie Weiber und Kinder auff die be-
nachbarten Dorffſchafften zum Stehlen
aus, welches ſie unter dem Vorwand des
Bettelns und Wahrſagens durch Ent-
wendung Kleider, Waaren und Leinen
Geraͤthes aus den Bauer-Haͤuſern, Ab-
fangung der Huͤner und Gaͤnſe, oder
was ihnen ſonſt zu mauſen vorkommt,
ſehr meiſterlich, und behende zu verrich-
ten wiſſen. Den Einwohnern der Oer-
ter, wo ſie ihren Unterſchleiff und Nacht-
lager finden, thun ſie gantz keinen Uber-
laſt, ſondern zehren vor ihr Geld und
Raub, damit ſothane Receptatores ſie
nicht verrathen, und wenn ſie wieder
kommen, beherbergen moͤgen. Die
Haͤupter der Rotten ſcheuen ſich nicht
bißweilen vorzugeben, ſie und ihre Un-
tergebene haͤtten unter dem Printzen Eu-
genio
Dienſte als Voluntairs, bekaͤmen
auch von ihm alle Jahr Ordre zum Auf-
bruch in Campagnen. Vor einen un-
verſehenen Uberfall ſtellen ſie Wache aus,
[Spaltenumbruch] ſind auch ſo ſchnell zu Fuß, daß man ſie,
zumahl in Waͤldern, nicht wohl einholen
kan. Jhre Weiber fuͤhren insgemein
ſehr ſcharffe und lange Meſſer bey ſich ver-
borgen, mit welchen ſie ſich im Nothfall
wehren, und das geſtohlene Feder-Vieh
deſto geſchwinder ſchlachten und fortbrin-
gen koͤnnen. Wenn man fragt, wovon ſie
ſich nehren, gebẽ ſie vor, theils vom Pferde-
Handel, theils von Betteln, theils auch
von ihrem Solde, den ſie durch Wechſel
aus Klein Egypten uͤber dem rothen Meer
von dem Tuͤrckiſchen Kaͤyſer an den Roͤ-
miſchen Kaͤyſer, und von dieſem an die
Herren Fugger zu Augſpurg uͤbermacht
bekommen.

§. 5.

Da nun dieſes Zigeuner-Volck,
wie ietzt angefuͤhret worden, mancherley
Unheyl anzurichten pflegt, ſo iſt gar eine
billige und gerechte Straffe vor dieſe Leu-
te, daß man ſie, wie faſt allenthalben in
Teutſchland angeordnet iſt, aller Orten,
es ſey in Stadten, Flecken, Doͤrffern, Buͤ-
ſchen und Waͤldern, mit gewaffneter
Hand aufſucht, und mit Gewalt aus dem
Lande verweiſet, ſie auch bey verſpuͤhr-
tem Widerſtand ſo gleich todt ſchieſſen
laͤßt, und diejenigen, ſo man ergreifft,
ohne einige Gnade und Nachſehen, ſine
ſtrepitu judicii,
und ohne einigen wei-
tern Proceß, bloß und allein um ihres
verbothenen Lebens-Wandels und be-
zeugten Ungehorſams halber, mit Leib-
und Lebens-Straffe belegt, die Weiber
und Kinder aber in die Zucht- und Ar-
beit-Haͤuſer auf ewig verdammt. S. das
Churfuͤrſtlich Saͤchſiſche, das Churfuͤrſt-
lich Maͤyntziſche und die andern Patente,
ſo wider die Zigeuner publiciret worden.

§. 6.

Das beſte Mittel, die Zigeuner
zu entdecken, iſt, wenn die Straſſen-Be-
reuter ihre Pflicht in Obacht nehmen,
und fleißig patroulliren, ingleichen wenn
die Jaͤger und Forſt-Bedienten dasjeni-
ge, was ſie von ſolchen Diebes-Rotten
und leichtfertigem Geſindel antreffen, al-
ſobald entdecken, und von dieſer ihrer
Pflicht ſich weder durch Geſchencke noch
Drohungen abbringen laſſen.

Das 27. Capitel/
Von den vergrabenen Schã-
tzen/ und den Geiſtern/ die
ſie beſitzen ſollen.
§. 1.

Damit ich denjenigen, welche etwan
durch das raͤuberiſche Zigeuner-

Volck
F 3
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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/101>, abgerufen am 21.11.2024.