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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

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Vor der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] greiffen, Hefftel einzuschlagen, veste zu
machen, aufzuheben, anzupflöcken, oder
was nur nöthig vorfället/ dadurch er-
langet er Wissenschafft, den Jagd-Ge-
zeug zu verstehen. Jch setze aber zum
voraus, daß er, was die Hunde betrifft,
bereits das behörige gelernet, wenig-
stens die vornehmsten Principia darvon
begriffen habe, als worauf das Funda-
ment
beruhet, dann ein Kriegsmann oh-
ne Schwerdt, ein Jäger ohne Hund, sind
schuldig schwere Pfund, nach dem alten
Sprichwort. Mit den Jungen muß er
nunmehr sich nicht mehr gemein machen,
sondern seinen Respect auch in diesem
Stück in acht nehmen, doch ihnen nicht
unrecht, oder Gewalt thun, weniger ver-
fuchsschwäntzen, sondern bedencken, daß
er auch Junge gewesen, und daß er zwar
keiner mehr, doch aber noch auf gewis-
ser Maasse, wegen des Leith-Hundes Be-
[Spaltenumbruch] häng, ein Lehrling und noch nicht ein
vollkommener Jäger zu nennen sey. Jm
Schiessen, so wohl mit der Flint im Flug
und Lauff, welches anjetzo das gebräuch-
lichste ist, als auch sonsten, sonderlich a-
ber nach teutschem Herkommen mit dem
Pürsch-Rohr Wildpräth zu fällen, muß
er sich fleißig exerciren und dahero su-
chen, sich bey einem Förster, welcher et-
wan viel zu liefern hat, beliebt zu ma-
chen, und wann er zeiget, einen guten
Schuß zu thun, denselben bitten, daß er
ihm zulasse, sich zu exerciren das Wild-
präth zu pürschen. Alles benöthigte,
als Spanner, Pürsch-Rohr, Flinte,
Schroth-Beutel, und was mehr nöthig
seyn mögte, muß er sich anschaffen, in-
gleichen niemahls ohne Fang-Strick-
gen, Pulver-Horn, Messer und Brod,
sich finden lassen, welches zu allen occa-
sion
en dienlich ist.

Von der Behängens-Zeit.
[Spaltenumbruch]

Dieses ist nun eigentlich das Fun-
dament und der Anfang eines jungen
Jägers, die Hochlöbliche Jägerey mit al-
ler und jeder Zubehöhr gründlich zu be-
greiffen, auch so wohl die Gefährde ei-
nes Hirsches, als den Leith-Hund recht
arbeiten, und zusprechen lernen, wie sich
dessen unsere liebe alte in Gott ruhende
Vorfahren, hohes und niedriges Stan-
des, nicht geschämet oder verdriessen las-
sen, sondern mit besonderm Eyfer, Lust
und Liebe vielfältige Wundernswürdige
Mühe und Fleiß angewandt haben. Den
Leith-Hund betreffend, als das Instru-
mentum,
muß derselbige, wann es des
Winters gar zu kalt, nicht immer anlie-
gen, sondern im Zwinger frey herumb
lauffen, auch unter seinen Fraß ein we-
nig Schwefel, ihn zu erhitzen, und wann
es zu bekommen, dann und wann etwas
von rohem Hirsch-Wildpräth oder
Schweiß, untermischet werden. Zu An-
fange des Aprilis aber muß er wieder-
umb an die Kette geleget werden, da-
mit er wiederumb bändig gewöhnet, und
mit desto bessern Nutzen im Monat Ma-
jo
und Junio, woselbst feine warme, lieb-
liche und stille Morgen sind, gearbeitet
werden könne, weiln im Julio und Au-
gusto
sich schon die Winde einfinden, im
September aber die Hirsch-Brunfft an-
gehet, und das Graß schon gar zu hoch
gewachsen ist. Also fänget sich nun sol-
[Spaltenumbruch] che Behängens-Zeit des Frühlings an,
und wird mit rechtem Nutzen gehalten,
wann das Wildpräth sich von denen
Winter-Haaren abgehäret, und wieder-
umb verfärbet hat, nachdem der Win-
ter starck oder schwach gewesen, sich zu
erhohlen, dann auch die Wiesen und
Gründe von jungem Graß fein grüne
worden, auch liebliche, warme und stille
Morgen sind, gemeiniglich im May-Mo-
nat, da die Winter-Kälte vorbey, und
der Thauschlag kennlich, auch nicht Re-
genicht oder Windigt ist, weiln der Re-
gen und die Kälte die Atomi oder Dün-
ste der Witterung von der Gefährd gar
zu sehr dämpffen, der Wind aber den
Geruch des Wilds dem Hund entgegen
bringen würde, daß er mit der Nasen nicht
zur Erden bleiben, sondern den Kopff in
die Höhe, und gegen den Wind suchen, ku-
cken, und die Spuhr endlich übergehen ler-
nen, also auff solche Art verderben würde.
Die Ursache, warumb und worzu dann
eigentlich der Leith-Hund, oder diese
Wissenschafft nöthig wäre, möchte man-
cher begierig seyn, zu wissen; Diesem
nun dienet zur dienstfreundlichen Nach-
richt, daß der Allmächtige Schöpffer die-
ses edele Thier mit besonderer Vorsor-
ge dem Menschen, als das angenehmste
und vollkommenste Thier unter allen
andern, zu seiner sonderbahren Vergnü-
gungt unterworffen; Da nun aus ge-

wissen

Vor der Jagd/ oder dem Weyde-Werck.
[Spaltenumbruch] greiffen, Hefftel einzuſchlagen, veſte zu
machen, aufzuheben, anzupfloͤcken, oder
was nur noͤthig vorfaͤllet/ dadurch er-
langet er Wiſſenſchafft, den Jagd-Ge-
zeug zu verſtehen. Jch ſetze aber zum
voraus, daß er, was die Hunde betrifft,
bereits das behoͤrige gelernet, wenig-
ſtens die vornehmſten Principia darvon
begriffen habe, als worauf das Funda-
ment
beruhet, dann ein Kriegsmann oh-
ne Schwerdt, ein Jaͤger ohne Hund, ſind
ſchuldig ſchwere Pfund, nach dem alten
Sprichwort. Mit den Jungen muß er
nunmehr ſich nicht mehr gemein machen,
ſondern ſeinen Reſpect auch in dieſem
Stuͤck in acht nehmen, doch ihnen nicht
unrecht, oder Gewalt thun, weniger ver-
fuchsſchwaͤntzen, ſondern bedencken, daß
er auch Junge geweſen, und daß er zwar
keiner mehr, doch aber noch auf gewiſ-
ſer Maaſſe, wegen des Leith-Hundes Be-
[Spaltenumbruch] haͤng, ein Lehrling und noch nicht ein
vollkommener Jaͤger zu nennen ſey. Jm
Schieſſen, ſo wohl mit der Flint im Flug
und Lauff, welches anjetzo das gebraͤuch-
lichſte iſt, als auch ſonſten, ſonderlich a-
ber nach teutſchem Herkommen mit dem
Puͤrſch-Rohr Wildpraͤth zu faͤllen, muß
er ſich fleißig exerciren und dahero ſu-
chen, ſich bey einem Foͤrſter, welcher et-
wan viel zu liefern hat, beliebt zu ma-
chen, und wann er zeiget, einen guten
Schuß zu thun, denſelben bitten, daß er
ihm zulaſſe, ſich zu exerciren das Wild-
praͤth zu puͤrſchen. Alles benoͤthigte,
als Spanner, Puͤrſch-Rohr, Flinte,
Schroth-Beutel, und was mehr noͤthig
ſeyn moͤgte, muß er ſich anſchaffen, in-
gleichen niemahls ohne Fang-Strick-
gen, Pulver-Horn, Meſſer und Brod,
ſich finden laſſen, welches zu allen occa-
ſion
en dienlich iſt.

Von der Behaͤngens-Zeit.
[Spaltenumbruch]

Dieſes iſt nun eigentlich das Fun-
dament und der Anfang eines jungen
Jaͤgers, die Hochloͤbliche Jaͤgerey mit al-
ler und jeder Zubehoͤhr gruͤndlich zu be-
greiffen, auch ſo wohl die Gefaͤhrde ei-
nes Hirſches, als den Leith-Hund recht
arbeiten, und zuſprechen lernen, wie ſich
deſſen unſere liebe alte in Gott ruhende
Vorfahren, hohes und niedriges Stan-
des, nicht geſchaͤmet oder verdrieſſen laſ-
ſen, ſondern mit beſonderm Eyfer, Luſt
und Liebe vielfaͤltige Wundernswuͤrdige
Muͤhe und Fleiß angewandt haben. Den
Leith-Hund betreffend, als das Inſtru-
mentum,
muß derſelbige, wann es des
Winters gar zu kalt, nicht immer anlie-
gen, ſondern im Zwinger frey herumb
lauffen, auch unter ſeinen Fraß ein we-
nig Schwefel, ihn zu erhitzen, und wann
es zu bekommen, dann und wann etwas
von rohem Hirſch-Wildpraͤth oder
Schweiß, untermiſchet werden. Zu An-
fange des Aprilis aber muß er wieder-
umb an die Kette geleget werden, da-
mit er wiederumb baͤndig gewoͤhnet, und
mit deſto beſſern Nutzen im Monat Ma-
jo
und Junio, woſelbſt feine warme, lieb-
liche und ſtille Morgen ſind, gearbeitet
werden koͤnne, weiln im Julio und Au-
guſto
ſich ſchon die Winde einfinden, im
September aber die Hirſch-Brunfft an-
gehet, und das Graß ſchon gar zu hoch
gewachſen iſt. Alſo faͤnget ſich nun ſol-
[Spaltenumbruch] che Behaͤngens-Zeit des Fruͤhlings an,
und wird mit rechtem Nutzen gehalten,
wann das Wildpraͤth ſich von denen
Winter-Haaren abgehaͤret, und wieder-
umb verfaͤrbet hat, nachdem der Win-
ter ſtarck oder ſchwach geweſen, ſich zu
erhohlen, dann auch die Wieſen und
Gruͤnde von jungem Graß fein gruͤne
worden, auch liebliche, warme und ſtille
Morgen ſind, gemeiniglich im May-Mo-
nat, da die Winter-Kaͤlte vorbey, und
der Thauſchlag kennlich, auch nicht Re-
genicht oder Windigt iſt, weiln der Re-
gen und die Kaͤlte die Atomi oder Duͤn-
ſte der Witterung von der Gefaͤhrd gar
zu ſehr daͤmpffen, der Wind aber den
Geruch des Wilds dem Hund entgegen
bringen wuͤrde, daß er mit der Naſen nicht
zur Erden bleiben, ſondern den Kopff in
die Hoͤhe, und gegen den Wind ſuchen, ku-
cken, uñ die Spuhr endlich uͤbergehen ler-
nen, alſo auff ſolche Art verderben wuͤrde.
Die Urſache, warumb und worzu dann
eigentlich der Leith-Hund, oder dieſe
Wiſſenſchafft noͤthig waͤre, moͤchte man-
cher begierig ſeyn, zu wiſſen; Dieſem
nun dienet zur dienſtfreundlichen Nach-
richt, daß der Allmaͤchtige Schoͤpffer die-
ſes edele Thier mit beſonderer Vorſor-
ge dem Menſchen, als das angenehmſte
und vollkommenſte Thier unter allen
andern, zu ſeiner ſonderbahren Vergnuͤ-
gungt unterworffen; Da nun aus ge-

wiſſen
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[255/0389] Vor der Jagd/ oder dem Weyde-Werck. greiffen, Hefftel einzuſchlagen, veſte zu machen, aufzuheben, anzupfloͤcken, oder was nur noͤthig vorfaͤllet/ dadurch er- langet er Wiſſenſchafft, den Jagd-Ge- zeug zu verſtehen. Jch ſetze aber zum voraus, daß er, was die Hunde betrifft, bereits das behoͤrige gelernet, wenig- ſtens die vornehmſten Principia darvon begriffen habe, als worauf das Funda- ment beruhet, dann ein Kriegsmann oh- ne Schwerdt, ein Jaͤger ohne Hund, ſind ſchuldig ſchwere Pfund, nach dem alten Sprichwort. Mit den Jungen muß er nunmehr ſich nicht mehr gemein machen, ſondern ſeinen Reſpect auch in dieſem Stuͤck in acht nehmen, doch ihnen nicht unrecht, oder Gewalt thun, weniger ver- fuchsſchwaͤntzen, ſondern bedencken, daß er auch Junge geweſen, und daß er zwar keiner mehr, doch aber noch auf gewiſ- ſer Maaſſe, wegen des Leith-Hundes Be- haͤng, ein Lehrling und noch nicht ein vollkommener Jaͤger zu nennen ſey. Jm Schieſſen, ſo wohl mit der Flint im Flug und Lauff, welches anjetzo das gebraͤuch- lichſte iſt, als auch ſonſten, ſonderlich a- ber nach teutſchem Herkommen mit dem Puͤrſch-Rohr Wildpraͤth zu faͤllen, muß er ſich fleißig exerciren und dahero ſu- chen, ſich bey einem Foͤrſter, welcher et- wan viel zu liefern hat, beliebt zu ma- chen, und wann er zeiget, einen guten Schuß zu thun, denſelben bitten, daß er ihm zulaſſe, ſich zu exerciren das Wild- praͤth zu puͤrſchen. Alles benoͤthigte, als Spanner, Puͤrſch-Rohr, Flinte, Schroth-Beutel, und was mehr noͤthig ſeyn moͤgte, muß er ſich anſchaffen, in- gleichen niemahls ohne Fang-Strick- gen, Pulver-Horn, Meſſer und Brod, ſich finden laſſen, welches zu allen occa- ſionen dienlich iſt. Von der Behaͤngens-Zeit. Dieſes iſt nun eigentlich das Fun- dament und der Anfang eines jungen Jaͤgers, die Hochloͤbliche Jaͤgerey mit al- ler und jeder Zubehoͤhr gruͤndlich zu be- greiffen, auch ſo wohl die Gefaͤhrde ei- nes Hirſches, als den Leith-Hund recht arbeiten, und zuſprechen lernen, wie ſich deſſen unſere liebe alte in Gott ruhende Vorfahren, hohes und niedriges Stan- des, nicht geſchaͤmet oder verdrieſſen laſ- ſen, ſondern mit beſonderm Eyfer, Luſt und Liebe vielfaͤltige Wundernswuͤrdige Muͤhe und Fleiß angewandt haben. Den Leith-Hund betreffend, als das Inſtru- mentum, muß derſelbige, wann es des Winters gar zu kalt, nicht immer anlie- gen, ſondern im Zwinger frey herumb lauffen, auch unter ſeinen Fraß ein we- nig Schwefel, ihn zu erhitzen, und wann es zu bekommen, dann und wann etwas von rohem Hirſch-Wildpraͤth oder Schweiß, untermiſchet werden. Zu An- fange des Aprilis aber muß er wieder- umb an die Kette geleget werden, da- mit er wiederumb baͤndig gewoͤhnet, und mit deſto beſſern Nutzen im Monat Ma- jo und Junio, woſelbſt feine warme, lieb- liche und ſtille Morgen ſind, gearbeitet werden koͤnne, weiln im Julio und Au- guſto ſich ſchon die Winde einfinden, im September aber die Hirſch-Brunfft an- gehet, und das Graß ſchon gar zu hoch gewachſen iſt. Alſo faͤnget ſich nun ſol- che Behaͤngens-Zeit des Fruͤhlings an, und wird mit rechtem Nutzen gehalten, wann das Wildpraͤth ſich von denen Winter-Haaren abgehaͤret, und wieder- umb verfaͤrbet hat, nachdem der Win- ter ſtarck oder ſchwach geweſen, ſich zu erhohlen, dann auch die Wieſen und Gruͤnde von jungem Graß fein gruͤne worden, auch liebliche, warme und ſtille Morgen ſind, gemeiniglich im May-Mo- nat, da die Winter-Kaͤlte vorbey, und der Thauſchlag kennlich, auch nicht Re- genicht oder Windigt iſt, weiln der Re- gen und die Kaͤlte die Atomi oder Duͤn- ſte der Witterung von der Gefaͤhrd gar zu ſehr daͤmpffen, der Wind aber den Geruch des Wilds dem Hund entgegen bringen wuͤrde, daß er mit der Naſen nicht zur Erden bleiben, ſondern den Kopff in die Hoͤhe, und gegen den Wind ſuchen, ku- cken, uñ die Spuhr endlich uͤbergehen ler- nen, alſo auff ſolche Art verderben wuͤrde. Die Urſache, warumb und worzu dann eigentlich der Leith-Hund, oder dieſe Wiſſenſchafft noͤthig waͤre, moͤchte man- cher begierig ſeyn, zu wiſſen; Dieſem nun dienet zur dienſtfreundlichen Nach- richt, daß der Allmaͤchtige Schoͤpffer die- ſes edele Thier mit beſonderer Vorſor- ge dem Menſchen, als das angenehmſte und vollkommenſte Thier unter allen andern, zu ſeiner ſonderbahren Vergnuͤ- gungt unterworffen; Da nun aus ge- wiſſen

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/389>, abgerufen am 30.12.2024.