Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Thier ist, so habe ich doch wegen seiner
Gestalt, die einem Sperber in allem,
ausser dem Schnabel und dem Fange,
sehr gleichet, mit in der Reyhe gehen las-
sen und von selben etwas hieher schrei-
ben wollen. Und zwar was seine Nah-
rung anbelanget, so geniesset er nichts,
als Raupen und Würmer, dann er kei-
nen Raub-Schnabel, sondern in Gestalt
einer Tauben hat, auch dergleichen kur-
tze und ohne Raub-Klauen befindliche
kleine Füßlein wie die Tauben. Er
kömmt Frühlings-Zeit mit Rückung de-
rer Knospen, und gehet gleich nach Jo-
hannis-Tag wiederum weg, daß aber
etliche Unerfahrne so gar auch Weid-Leu-
te davor halten, er verändere sich nach
Johannis in einen Sperber und Raub-
Vogel, solches ist wider die Natur, maas-
sen GOTT seine Geschöpffe nicht zwey-
mahl im Jahre ändert, sondern wie er
sie einmahl geschaffen, beständig lässet.
Dieses aber ist gewiß, daß, ob sie sich
wohl paaren, und zusammen züchten, sie
[Spaltenumbruch] doch niemahls ihre Eyer in einem von
ihnen selbst zusammen getragenen Neste
ausbringen, sondern sie legen sie in an-
derer Vogel Nester, als der Graße-Mü-
cken, Bachsteltzen und solcher Vögel, wel-
che ihre Jungen mit Gewürmig frässen
und lassen sie auffziehen. Wie ich dann
solches selbst mit Bachsteltzen erfahren,
welche dergleichen eingelegtes Ey aus-
gebrüthet, und hernachmahls in ei-
nem Vogel-Bauer, dahin man ihre
Bruth mit diesem Huren-Kinde gesetzet,
auferzogen haben. Daß er aber, wenn
er so weit auferzogen und flüchtig wor-
den, alsdann seine Wohlthäter selbsten
wieder fressen solte, ist abermahl falsch:
indem er, nach seiner obbeschriebenen
Gestalt derer Füsse und Schnabels, sol-
ches zu thun nicht vermag, daß er aber
denjenigen Vogeln, welchen er seine Eyer
einlegt, die Bruth verderbe, oder aus-
sauffe, dasselbe ist nichts unmügliches:
doch habe ichs nicht erfahren.

Physicalische Betrachtung des Feder-Wildes.
[Spaltenumbruch]

Man findet, die Wahrheit zu be-
kennen, viele seltsame Eigenschafften der
Natur bey denen Vögeln, dann es ha-
ben dieselben einen zweyfachen Magen,
darinnen ist der Kropff oder Schluck-
Magen, der andere ist der rechte Magen.
Jn dem erstern werden die Speisen zu-
bereitet, in dem andern verdauet und
in Chylum verwandelt. Jn dem Kropffe
behalten die Vögel die gantzen Körner,
die sie gefressen, und wann sie dieselben
mit dem Wasser, das sie trincken, be-
feuchtet und erweichet, so lassen sie sie
hernach in den Magen fallen, derowe-
gen verschlucket fast alles Feder-Vieh
Sand, Steinigen und etliche andere
harte Dinge, die behalten sie mit der
Speise in dem Magen, in dem Kropffe
aber ist nichts von dergleichen Dingen.
Jhr Magen bestehet aus zweyen sehr
dicken und starcken Musculis, damit sie,
gleich als mit zwey Mühlsteinen, die
Speisen mahlen können: Und an statt
derer Back-Zähne, die sie nicht haben,
müssen ihnen die Steinigen dienen. Auf
solche Weise zermalmen und verwan-
deln sie die Speise in Chylum. Dar-
nach wann sie die Materie zusammen
und den Safft ausgedrucket, (wie man
aus denen Kräutern oder zerstossenen
[Spaltenumbruch] Früchten den Safft auszudrücken pfle-
get,) so steiget das, was weich ist, auff-
wärts und gehet in die Därmer, die sich
oben an dem Magen beym Schlunde
anfangen. Daß diesem also sey, ist an
vielen Vögeln zu sehen, in deren Magen,
wann die Steinigen und andere harte
Dinge etwas lange geblieben, sie durch
die stete Bewegung so abgetrieben und
glatt gemacht werden, daß sie nicht mehr
dienlich sind, die Speisen zu zerreiben
und müssen deswegen weggeworffen
werden. Dahero probiren die Vögel
allezeit die Steinigen mit der Zunge und
wenn sie nichts mehr rauhes und scharf-
fes an ihnen fühlen, so werffen sie sie
wieder weg. Auf diese Weise hab ich
Eisen, Silber und Steinigen, welche
abgenützet und fast gar verzehret waren,
in des Strausses Magen und auch im
Cassauvare gefunden. Und deswegen
wird insgemein dafür gehalten, daß sie
Eisen verdauen und davon ernehret
werden. Wann man die Ohren an die
Falcken, Adler und andere Raub-Vögel
hält, wann sie noch nüchtern sind, so hö-
ret man klärlich die Steinigen knirschen.
Denn die Falcken fressen nicht die Stei-
nigen sich damit zu kühlen (wie die Fal-
conir
er gemeiniglich irren,) sondern die

Spei-
U 3

Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch] Thier iſt, ſo habe ich doch wegen ſeiner
Geſtalt, die einem Sperber in allem,
auſſer dem Schnabel und dem Fange,
ſehr gleichet, mit in der Reyhe gehen laſ-
ſen und von ſelben etwas hieher ſchrei-
ben wollen. Und zwar was ſeine Nah-
rung anbelanget, ſo genieſſet er nichts,
als Raupen und Wuͤrmer, dann er kei-
nen Raub-Schnabel, ſondern in Geſtalt
einer Tauben hat, auch dergleichen kur-
tze und ohne Raub-Klauen befindliche
kleine Fuͤßlein wie die Tauben. Er
koͤmmt Fruͤhlings-Zeit mit Ruͤckung de-
rer Knoſpen, und gehet gleich nach Jo-
hannis-Tag wiederum weg, daß aber
etliche Unerfahrne ſo gar auch Weid-Leu-
te davor halten, er veraͤndere ſich nach
Johannis in einen Sperber und Raub-
Vogel, ſolches iſt wider die Natur, maaſ-
ſen GOTT ſeine Geſchoͤpffe nicht zwey-
mahl im Jahre aͤndert, ſondern wie er
ſie einmahl geſchaffen, beſtaͤndig laͤſſet.
Dieſes aber iſt gewiß, daß, ob ſie ſich
wohl paaren, und zuſammen zuͤchten, ſie
[Spaltenumbruch] doch niemahls ihre Eyer in einem von
ihnen ſelbſt zuſammen getragenen Neſte
ausbringen, ſondern ſie legen ſie in an-
derer Vogel Neſter, als der Graße-Muͤ-
cken, Bachſteltzen und ſolcher Voͤgel, wel-
che ihre Jungen mit Gewuͤrmig fraͤſſen
und laſſen ſie auffziehen. Wie ich dann
ſolches ſelbſt mit Bachſteltzen erfahren,
welche dergleichen eingelegtes Ey aus-
gebruͤthet, und hernachmahls in ei-
nem Vogel-Bauer, dahin man ihre
Bruth mit dieſem Huren-Kinde geſetzet,
auferzogen haben. Daß er aber, wenn
er ſo weit auferzogen und fluͤchtig wor-
den, alsdann ſeine Wohlthaͤter ſelbſten
wieder freſſen ſolte, iſt abermahl falſch:
indem er, nach ſeiner obbeſchriebenen
Geſtalt derer Fuͤſſe und Schnabels, ſol-
ches zu thun nicht vermag, daß er aber
denjenigen Vogeln, welchen er ſeine Eyer
einlegt, die Bruth verderbe, oder aus-
ſauffe, daſſelbe iſt nichts unmuͤgliches:
doch habe ichs nicht erfahren.

Phyſicaliſche Betrachtung des Feder-Wildes.
[Spaltenumbruch]

Man findet, die Wahrheit zu be-
kennen, viele ſeltſame Eigenſchafften der
Natur bey denen Voͤgeln, dann es ha-
ben dieſelben einen zweyfachen Magen,
darinnen iſt der Kropff oder Schluck-
Magen, der andere iſt der rechte Magen.
Jn dem erſtern werden die Speiſen zu-
bereitet, in dem andern verdauet und
in Chylum verwandelt. Jn dem Kropffe
behalten die Voͤgel die gantzen Koͤrner,
die ſie gefreſſen, und wann ſie dieſelben
mit dem Waſſer, das ſie trincken, be-
feuchtet und erweichet, ſo laſſen ſie ſie
hernach in den Magen fallen, derowe-
gen verſchlucket faſt alles Feder-Vieh
Sand, Steinigen und etliche andere
harte Dinge, die behalten ſie mit der
Speiſe in dem Magen, in dem Kropffe
aber iſt nichts von dergleichen Dingen.
Jhr Magen beſtehet aus zweyen ſehr
dicken und ſtarcken Muſculis, damit ſie,
gleich als mit zwey Muͤhlſteinen, die
Speiſen mahlen koͤnnen: Und an ſtatt
derer Back-Zaͤhne, die ſie nicht haben,
muͤſſen ihnen die Steinigen dienen. Auf
ſolche Weiſe zermalmen und verwan-
deln ſie die Speiſe in Chylum. Dar-
nach wann ſie die Materie zuſammen
und den Safft ausgedrucket, (wie man
aus denen Kraͤutern oder zerſtoſſenen
[Spaltenumbruch] Fruͤchten den Safft auszudruͤcken pfle-
get,) ſo ſteiget das, was weich iſt, auff-
waͤrts und gehet in die Daͤrmer, die ſich
oben an dem Magen beym Schlunde
anfangen. Daß dieſem alſo ſey, iſt an
vielen Voͤgeln zu ſehen, in deren Magen,
wann die Steinigen und andere harte
Dinge etwas lange geblieben, ſie durch
die ſtete Bewegung ſo abgetrieben und
glatt gemacht werden, daß ſie nicht mehr
dienlich ſind, die Speiſen zu zerreiben
und muͤſſen deswegen weggeworffen
werden. Dahero probiren die Voͤgel
allezeit die Steinigen mit der Zunge und
wenn ſie nichts mehr rauhes und ſcharf-
fes an ihnen fuͤhlen, ſo werffen ſie ſie
wieder weg. Auf dieſe Weiſe hab ich
Eiſen, Silber und Steinigen, welche
abgenuͤtzet und faſt gar verzehret waren,
in des Strauſſes Magen und auch im
Caſſauvare gefunden. Und deswegen
wird insgemein dafuͤr gehalten, daß ſie
Eiſen verdauen und davon ernehret
werden. Wann man die Ohren an die
Falcken, Adler und andere Raub-Voͤgel
haͤlt, wann ſie noch nuͤchtern ſind, ſo hoͤ-
ret man klaͤrlich die Steinigen knirſchen.
Denn die Falcken freſſen nicht die Stei-
nigen ſich damit zu kuͤhlen (wie die Fal-
conir
er gemeiniglich irren,) ſondern die

Spei-
U 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0275" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von denen wilden Thieren.</hi></fw><lb/><cb/>
Thier i&#x017F;t, &#x017F;o habe ich doch wegen &#x017F;einer<lb/>
Ge&#x017F;talt, die einem Sperber in allem,<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er dem Schnabel und dem Fange,<lb/>
&#x017F;ehr gleichet, mit in der Reyhe gehen la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und von &#x017F;elben etwas hieher &#x017F;chrei-<lb/>
ben wollen. Und zwar was &#x017F;eine Nah-<lb/>
rung anbelanget, &#x017F;o genie&#x017F;&#x017F;et er nichts,<lb/>
als Raupen und Wu&#x0364;rmer, dann er kei-<lb/>
nen Raub-Schnabel, &#x017F;ondern in Ge&#x017F;talt<lb/>
einer Tauben hat, auch dergleichen kur-<lb/>
tze und ohne Raub-Klauen befindliche<lb/>
kleine Fu&#x0364;ßlein wie die Tauben. Er<lb/>
ko&#x0364;mmt Fru&#x0364;hlings-Zeit mit Ru&#x0364;ckung de-<lb/>
rer Kno&#x017F;pen, und gehet gleich nach Jo-<lb/>
hannis-Tag wiederum weg, daß aber<lb/>
etliche Unerfahrne &#x017F;o gar auch Weid-Leu-<lb/>
te davor halten, er vera&#x0364;ndere &#x017F;ich nach<lb/>
Johannis in einen Sperber und Raub-<lb/>
Vogel, &#x017F;olches i&#x017F;t wider die Natur, maa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en GOTT &#x017F;eine Ge&#x017F;cho&#x0364;pffe nicht zwey-<lb/>
mahl im Jahre a&#x0364;ndert, &#x017F;ondern wie er<lb/>
&#x017F;ie einmahl ge&#x017F;chaffen, be&#x017F;ta&#x0364;ndig la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et.<lb/>
Die&#x017F;es aber i&#x017F;t gewiß, daß, ob &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
wohl paaren, und zu&#x017F;ammen zu&#x0364;chten, &#x017F;ie<lb/><cb/>
doch niemahls ihre Eyer in einem von<lb/>
ihnen &#x017F;elb&#x017F;t zu&#x017F;ammen getragenen Ne&#x017F;te<lb/>
ausbringen, &#x017F;ondern &#x017F;ie legen &#x017F;ie in an-<lb/>
derer Vogel Ne&#x017F;ter, als der Graße-Mu&#x0364;-<lb/>
cken, Bach&#x017F;teltzen und &#x017F;olcher Vo&#x0364;gel, wel-<lb/>
che ihre Jungen mit Gewu&#x0364;rmig fra&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auffziehen. Wie ich dann<lb/>
&#x017F;olches &#x017F;elb&#x017F;t mit Bach&#x017F;teltzen erfahren,<lb/>
welche dergleichen eingelegtes Ey aus-<lb/>
gebru&#x0364;thet, und hernachmahls in ei-<lb/>
nem Vogel-Bauer, dahin man ihre<lb/>
Bruth mit die&#x017F;em Huren-Kinde ge&#x017F;etzet,<lb/>
auferzogen haben. Daß er aber, wenn<lb/>
er &#x017F;o weit auferzogen und flu&#x0364;chtig wor-<lb/>
den, alsdann &#x017F;eine Wohltha&#x0364;ter &#x017F;elb&#x017F;ten<lb/>
wieder fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte, i&#x017F;t abermahl fal&#x017F;ch:<lb/>
indem er, nach &#x017F;einer obbe&#x017F;chriebenen<lb/>
Ge&#x017F;talt derer Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e und Schnabels, &#x017F;ol-<lb/>
ches zu thun nicht vermag, daß er aber<lb/>
denjenigen Vogeln, welchen er &#x017F;eine Eyer<lb/>
einlegt, die Bruth verderbe, oder aus-<lb/>
&#x017F;auffe, da&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t nichts unmu&#x0364;gliches:<lb/>
doch habe ichs nicht erfahren.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Phy&#x017F;icali</hi>&#x017F;che Betrachtung des <hi rendition="#in">F</hi>eder-<hi rendition="#in">W</hi>ildes.</hi> </head><lb/>
          <cb/>
          <p>Man findet, die Wahrheit zu be-<lb/>
kennen, viele &#x017F;elt&#x017F;ame Eigen&#x017F;chafften der<lb/>
Natur bey denen Vo&#x0364;geln, dann es ha-<lb/>
ben die&#x017F;elben einen zweyfachen Magen,<lb/>
darinnen i&#x017F;t der Kropff oder Schluck-<lb/>
Magen, der andere i&#x017F;t der rechte Magen.<lb/>
Jn dem er&#x017F;tern werden die Spei&#x017F;en zu-<lb/>
bereitet, in dem andern verdauet und<lb/>
in <hi rendition="#aq">Chylum</hi> verwandelt. Jn dem Kropffe<lb/>
behalten die Vo&#x0364;gel die gantzen Ko&#x0364;rner,<lb/>
die &#x017F;ie gefre&#x017F;&#x017F;en, und wann &#x017F;ie die&#x017F;elben<lb/>
mit dem Wa&#x017F;&#x017F;er, das &#x017F;ie trincken, be-<lb/>
feuchtet und erweichet, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ie<lb/>
hernach in den Magen fallen, derowe-<lb/>
gen ver&#x017F;chlucket fa&#x017F;t alles Feder-Vieh<lb/>
Sand, Steinigen und etliche andere<lb/>
harte Dinge, die behalten &#x017F;ie mit der<lb/>
Spei&#x017F;e in dem Magen, in dem Kropffe<lb/>
aber i&#x017F;t nichts von dergleichen Dingen.<lb/>
Jhr Magen be&#x017F;tehet aus zweyen &#x017F;ehr<lb/>
dicken und &#x017F;tarcken <hi rendition="#aq">Mu&#x017F;culis,</hi> damit &#x017F;ie,<lb/>
gleich als mit zwey Mu&#x0364;hl&#x017F;teinen, die<lb/>
Spei&#x017F;en mahlen ko&#x0364;nnen: Und an &#x017F;tatt<lb/>
derer Back-Za&#x0364;hne, die &#x017F;ie nicht haben,<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihnen die Steinigen dienen. Auf<lb/>
&#x017F;olche Wei&#x017F;e zermalmen und verwan-<lb/>
deln &#x017F;ie die Spei&#x017F;e in <hi rendition="#aq">Chylum.</hi> Dar-<lb/>
nach wann &#x017F;ie die <hi rendition="#aq">Materie</hi> zu&#x017F;ammen<lb/>
und den Safft ausgedrucket, (wie man<lb/>
aus denen Kra&#x0364;utern oder zer&#x017F;to&#x017F;&#x017F;enen<lb/><cb/>
Fru&#x0364;chten den Safft auszudru&#x0364;cken pfle-<lb/>
get,) &#x017F;o &#x017F;teiget das, was weich i&#x017F;t, auff-<lb/>
wa&#x0364;rts und gehet in die Da&#x0364;rmer, die &#x017F;ich<lb/>
oben an dem Magen beym Schlunde<lb/>
anfangen. Daß die&#x017F;em al&#x017F;o &#x017F;ey, i&#x017F;t an<lb/>
vielen Vo&#x0364;geln zu &#x017F;ehen, in deren Magen,<lb/>
wann die Steinigen und andere harte<lb/>
Dinge etwas lange geblieben, &#x017F;ie durch<lb/>
die &#x017F;tete Bewegung &#x017F;o abgetrieben und<lb/>
glatt gemacht werden, daß &#x017F;ie nicht mehr<lb/>
dienlich &#x017F;ind, die Spei&#x017F;en zu zerreiben<lb/>
und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en deswegen weggeworffen<lb/>
werden. Dahero <hi rendition="#aq">probir</hi>en die Vo&#x0364;gel<lb/>
allezeit die Steinigen mit der Zunge und<lb/>
wenn &#x017F;ie nichts mehr rauhes und &#x017F;charf-<lb/>
fes an ihnen fu&#x0364;hlen, &#x017F;o werffen &#x017F;ie &#x017F;ie<lb/>
wieder weg. Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e hab ich<lb/>
Ei&#x017F;en, Silber und Steinigen, welche<lb/>
abgenu&#x0364;tzet und fa&#x017F;t gar verzehret waren,<lb/>
in des Strau&#x017F;&#x017F;es Magen und auch im<lb/><hi rendition="#aq">Ca&#x017F;&#x017F;auvare</hi> gefunden. Und deswegen<lb/>
wird insgemein dafu&#x0364;r gehalten, daß &#x017F;ie<lb/>
Ei&#x017F;en verdauen und davon ernehret<lb/>
werden. Wann man die Ohren an die<lb/>
Falcken, Adler und andere Raub-Vo&#x0364;gel<lb/>
ha&#x0364;lt, wann &#x017F;ie noch nu&#x0364;chtern &#x017F;ind, &#x017F;o ho&#x0364;-<lb/>
ret man kla&#x0364;rlich die Steinigen knir&#x017F;chen.<lb/>
Denn die Falcken fre&#x017F;&#x017F;en nicht die Stei-<lb/>
nigen &#x017F;ich damit zu ku&#x0364;hlen (wie die <hi rendition="#aq">Fal-<lb/>
conir</hi>er gemeiniglich irren,) &#x017F;ondern die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Spei-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0275] Von denen wilden Thieren. Thier iſt, ſo habe ich doch wegen ſeiner Geſtalt, die einem Sperber in allem, auſſer dem Schnabel und dem Fange, ſehr gleichet, mit in der Reyhe gehen laſ- ſen und von ſelben etwas hieher ſchrei- ben wollen. Und zwar was ſeine Nah- rung anbelanget, ſo genieſſet er nichts, als Raupen und Wuͤrmer, dann er kei- nen Raub-Schnabel, ſondern in Geſtalt einer Tauben hat, auch dergleichen kur- tze und ohne Raub-Klauen befindliche kleine Fuͤßlein wie die Tauben. Er koͤmmt Fruͤhlings-Zeit mit Ruͤckung de- rer Knoſpen, und gehet gleich nach Jo- hannis-Tag wiederum weg, daß aber etliche Unerfahrne ſo gar auch Weid-Leu- te davor halten, er veraͤndere ſich nach Johannis in einen Sperber und Raub- Vogel, ſolches iſt wider die Natur, maaſ- ſen GOTT ſeine Geſchoͤpffe nicht zwey- mahl im Jahre aͤndert, ſondern wie er ſie einmahl geſchaffen, beſtaͤndig laͤſſet. Dieſes aber iſt gewiß, daß, ob ſie ſich wohl paaren, und zuſammen zuͤchten, ſie doch niemahls ihre Eyer in einem von ihnen ſelbſt zuſammen getragenen Neſte ausbringen, ſondern ſie legen ſie in an- derer Vogel Neſter, als der Graße-Muͤ- cken, Bachſteltzen und ſolcher Voͤgel, wel- che ihre Jungen mit Gewuͤrmig fraͤſſen und laſſen ſie auffziehen. Wie ich dann ſolches ſelbſt mit Bachſteltzen erfahren, welche dergleichen eingelegtes Ey aus- gebruͤthet, und hernachmahls in ei- nem Vogel-Bauer, dahin man ihre Bruth mit dieſem Huren-Kinde geſetzet, auferzogen haben. Daß er aber, wenn er ſo weit auferzogen und fluͤchtig wor- den, alsdann ſeine Wohlthaͤter ſelbſten wieder freſſen ſolte, iſt abermahl falſch: indem er, nach ſeiner obbeſchriebenen Geſtalt derer Fuͤſſe und Schnabels, ſol- ches zu thun nicht vermag, daß er aber denjenigen Vogeln, welchen er ſeine Eyer einlegt, die Bruth verderbe, oder aus- ſauffe, daſſelbe iſt nichts unmuͤgliches: doch habe ichs nicht erfahren. Phyſicaliſche Betrachtung des Feder-Wildes. Man findet, die Wahrheit zu be- kennen, viele ſeltſame Eigenſchafften der Natur bey denen Voͤgeln, dann es ha- ben dieſelben einen zweyfachen Magen, darinnen iſt der Kropff oder Schluck- Magen, der andere iſt der rechte Magen. Jn dem erſtern werden die Speiſen zu- bereitet, in dem andern verdauet und in Chylum verwandelt. Jn dem Kropffe behalten die Voͤgel die gantzen Koͤrner, die ſie gefreſſen, und wann ſie dieſelben mit dem Waſſer, das ſie trincken, be- feuchtet und erweichet, ſo laſſen ſie ſie hernach in den Magen fallen, derowe- gen verſchlucket faſt alles Feder-Vieh Sand, Steinigen und etliche andere harte Dinge, die behalten ſie mit der Speiſe in dem Magen, in dem Kropffe aber iſt nichts von dergleichen Dingen. Jhr Magen beſtehet aus zweyen ſehr dicken und ſtarcken Muſculis, damit ſie, gleich als mit zwey Muͤhlſteinen, die Speiſen mahlen koͤnnen: Und an ſtatt derer Back-Zaͤhne, die ſie nicht haben, muͤſſen ihnen die Steinigen dienen. Auf ſolche Weiſe zermalmen und verwan- deln ſie die Speiſe in Chylum. Dar- nach wann ſie die Materie zuſammen und den Safft ausgedrucket, (wie man aus denen Kraͤutern oder zerſtoſſenen Fruͤchten den Safft auszudruͤcken pfle- get,) ſo ſteiget das, was weich iſt, auff- waͤrts und gehet in die Daͤrmer, die ſich oben an dem Magen beym Schlunde anfangen. Daß dieſem alſo ſey, iſt an vielen Voͤgeln zu ſehen, in deren Magen, wann die Steinigen und andere harte Dinge etwas lange geblieben, ſie durch die ſtete Bewegung ſo abgetrieben und glatt gemacht werden, daß ſie nicht mehr dienlich ſind, die Speiſen zu zerreiben und muͤſſen deswegen weggeworffen werden. Dahero probiren die Voͤgel allezeit die Steinigen mit der Zunge und wenn ſie nichts mehr rauhes und ſcharf- fes an ihnen fuͤhlen, ſo werffen ſie ſie wieder weg. Auf dieſe Weiſe hab ich Eiſen, Silber und Steinigen, welche abgenuͤtzet und faſt gar verzehret waren, in des Strauſſes Magen und auch im Caſſauvare gefunden. Und deswegen wird insgemein dafuͤr gehalten, daß ſie Eiſen verdauen und davon ernehret werden. Wann man die Ohren an die Falcken, Adler und andere Raub-Voͤgel haͤlt, wann ſie noch nuͤchtern ſind, ſo hoͤ- ret man klaͤrlich die Steinigen knirſchen. Denn die Falcken freſſen nicht die Stei- nigen ſich damit zu kuͤhlen (wie die Fal- conirer gemeiniglich irren,) ſondern die Spei- U 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/275
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/275>, abgerufen am 03.12.2024.