Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719.Anderer Theil/ [Spaltenumbruch]
dann ohnstreitig genungsam zu urthei-len, daß die Anatomie keine verächtliche und unanständige Sache seyn müsse, weiln auch in vorigen Zeiten dieselbe von gelehrten und klugen Leuten ist getrie- ben worden. Jch vor meine wenige Per- son beklage hertzlich, daß ich in meiner Jugend auf der Universität nicht mehr hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo leichter fallen solte. Was aber vorbey, ist [Spaltenumbruch] nicht zu ändern: Jmmittelst muß der stete Fleiß dennoch dasjenige einiger maassen contribuiren, was die Jugend negligiret. Will demnach, so viel ich von guten Freun- den aus Manuscriptis colligiren können, hierdurch dem geneigten Leser vorstel- len, mit dienstlicher Bitte, daferne ein Feh- ler vorgehen solte, solchen gütigst zu excu- siren, weil ich dergleichen selbst in Experi- enz wenig gehabt. Was Anatomia sey. [Spaltenumbruch]
Wie Niemand ein Uhrwerck rich- stalt
Anderer Theil/ [Spaltenumbruch]
dann ohnſtreitig genungſam zu urthei-len, daß die Anatomie keine veraͤchtliche und unanſtaͤndige Sache ſeyn muͤſſe, weiln auch in vorigen Zeiten dieſelbe von gelehrten und klugen Leuten iſt getrie- ben worden. Jch vor meine wenige Per- ſon beklage hertzlich, daß ich in meiner Jugend auf der Univerſitaͤt nicht mehr hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo leichter fallen ſolte. Was aber vorbey, iſt [Spaltenumbruch] nicht zu aͤndern: Jmmittelſt muß der ſtete Fleiß dennoch dasjenige einiger maaſſen contribuiren, was die Jugend negligiret. Will demnach, ſo viel ich von guten Freun- den aus Manuſcriptis colligiren koͤnnen, hierdurch dem geneigten Leſer vorſtel- len, mit dienſtlicher Bitte, daferne ein Feh- ler vorgehen ſolte, ſolchen guͤtigſt zu excu- ſiren, weil ich dergleichen ſelbſt in Experi- enz wenig gehabt. Was Anatomia ſey. [Spaltenumbruch]
Wie Niemand ein Uhrwerck rich- ſtalt
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Wann nun dieſes<lb/> geſchehen, nimmt man die Geſtalt eines<lb/> jeden Eingeweydes zu betrachten vor ſich,<lb/> erforſchet, woher die Pulß-Adern in die<lb/> Beine und Glieder vertheilet ſind; Her-<lb/> nach erkundiget man den Lauff des <hi rendition="#aq">Chy-<lb/> li</hi> oder Nahrungs-Saffts, <hi rendition="#aq">item</hi> die Ge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſtalt</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0224]
Anderer Theil/
dann ohnſtreitig genungſam zu urthei-
len, daß die Anatomie keine veraͤchtliche
und unanſtaͤndige Sache ſeyn muͤſſe,
weiln auch in vorigen Zeiten dieſelbe von
gelehrten und klugen Leuten iſt getrie-
ben worden. Jch vor meine wenige Per-
ſon beklage hertzlich, daß ich in meiner
Jugend auf der Univerſitaͤt nicht mehr
hierinnen profitiret, da mir es dann jetzo
leichter fallen ſolte. Was aber vorbey, iſt
nicht zu aͤndern: Jmmittelſt muß der ſtete
Fleiß dennoch dasjenige einiger maaſſen
contribuiren, was die Jugend negligiret.
Will demnach, ſo viel ich von guten Freun-
den aus Manuſcriptis colligiren koͤnnen,
hierdurch dem geneigten Leſer vorſtel-
len, mit dienſtlicher Bitte, daferne ein Feh-
ler vorgehen ſolte, ſolchen guͤtigſt zu excu-
ſiren, weil ich dergleichen ſelbſt in Experi-
enz wenig gehabt.
Was Anatomia ſey.
Wie Niemand ein Uhrwerck rich-
ten oder ſtellen kan, der deſſen Spillen,
Raͤdergen und Bewegung des Perpen-
diculs nicht genau verſtehet oder begreif-
fen kan, und von einander zu unterſchei-
den weiß: Alſo kan Niemand das vorha-
bende Subjectum judiciren, der dieſen be-
ſchloſſenen Coͤrper nicht vorhero durch al-
le zarte Theilgen geoͤffnet und zuvor be-
trachtet. Es iſt aber eigentlich Anato-
mia, ihrem Urſprunge nach, wie alle freye
Kuͤnſte, aus Griechenland kommen, und
lehret die Zergliederung einer lebendigen
Creatur, die Theile zart abzuloͤſen, umb
zu ſehen, woraus die Compoſition des
Coͤrpers beſtehe, und wie die fluͤßigen
Theile durch ihre Roͤhren lauffen, und
hin und her gehen. Es werden aber nicht
alleine Menſchen, wie gemeldet, umb ſich
ſelbſt zu erkennen, anatomiret, auf daß
man die Kranckheiten Menſchlicher Zu-
faͤlle gluͤcklicher zu curiren wiſſen moͤge,
ſondern auch die zahmen und wilden
Thiere. Die zahmen, daß wir in Zeit der
Noth ihrer Kranckheit helffen: Die wil-
den Thiere aber ſind vornemlich einem
Jaͤger oder Weydemann zu wiſſen noͤ-
thig, weil viel Thiere in einem und an-
dern Theil, wie leicht zu erachten, an-
ders beſchaffen ſind. Nun beſtehen die
Leiber derer lebendigen Thiere aus fe-
ſten und flieſſenden Theilen: Alle die fe-
ſten Theile ſind nicht anders als Pfeif-
fen und Roͤhrgen, von weiſſen Knochen
formiret, welche nach ihrer unterſchiede-
nen Geſtalt das kuͤnſtliche Gebaͤu vor-
ſtellen und ein Sceleton genennet wer-
den. Nun kan dieſes aus Roͤhrgen be-
ſtehende Geſtelle nicht beweget werden,
daferne dieſe nicht durch eine fluͤſſige
Feuchtigkeit und Lufft ſtets auffgeſpan-
net werden, an welcher Bewegung denn
auch das Leben oder die Kranckheit und
der Tod haͤnget: Denn ſo lange der Leib
geſund leben ſoll, ſo lange muͤſſen nicht
alleine alle dieſe Werckzeuge rein und
wohl diſponiret ſeyn, ſondern die Saͤffte
muͤſſen auch hierdurch ohne die gering-
ſte Verhinderung lauffen und correſpon-
diren. So bald nur dieſe Roͤhrgen zer-
brochen oder die Saͤffte verdicket wer-
den und durch dieſe Pfeiffen nicht durch
gehen koͤnnen, ſo verurſachen ſie folgends
Verſtopffung, wodurch der Umblauff
der Saͤffte verhindert wird und die
Kranckheiten entſtehen. Wann es aber
geſchiehet, daß die Saͤffte gar zu dick und
zum Umblauff gantz unbeqvem, auch
die Pfeiffen ſo zerbrochen, daß alle Saͤff-
te heraus lauffen, ſo iſt das Sterben ver-
handen: Gleich wie man ſiehet, wenn
das Hertz verwundet iſt, daß aus dem-
ſelbigen alles Blut heraus flieſſe. An die-
ſen Roͤhren ſind angefuͤget die Flech-
ſen, Spann- und Sehn-Adern, ſo umb
die Muſculos oder Fleiſch Stuͤckgen umb-
wunden: hierauff vertheilen ſich die A-
dern, ſo mit einer duͤnnen Haut uͤber-
zogen und letzlich mit der dicken Haut be-
decket. Der nechſte Weg iſt: Man oͤff-
ne vom Halſe die gantze Bruſt zugleich
mit dem Unter-Bauch und ſecire von
dem Hertzen vor erſt die Pulß-Adern,
wie ſie nach einem jeglichen Theile lauf-
fen und das Gebluͤte vertheilen, welches
durch die Blut-Adern wieder zum Her-
tzen, ſo dann in die Lunge und wieder
zum Hertzen kommt, von dar aus aber
durch die groſſe und Schlag-Ader in dem
gantzen Leib zertheilet wird, und durch
alle Theile des Coͤrpers in viele Zweig-
lein herumb laͤuffet. Wann nun dieſes
geſchehen, nimmt man die Geſtalt eines
jeden Eingeweydes zu betrachten vor ſich,
erforſchet, woher die Pulß-Adern in die
Beine und Glieder vertheilet ſind; Her-
nach erkundiget man den Lauff des Chy-
li oder Nahrungs-Saffts, item die Ge-
ſtalt
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