Vorbericht an den nach seinem Stand und Würden geehrten Leser.
VErdienet die Sonne, nach einiger Philosophen Mei- nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo- mit sie die verwunderns-würdige Vortreflichkeit die- ses grossen Welt-Gebäudes betrachtet; so kan ich verhoffentlich mit viel grösserem Recht das Auge des Menschen eine Sonne der kleinen Welt heissen, mit welcher er den Spiegel der gantzen, ihm sichtbaren Natur beleuchtet.
Und der müste gewiß sehr verblendete Augen haben, der die unum- stößlichen Zeugnisse und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und mehr als väterlichen Vorsorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich und klar sehen solte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit gesunden Sinnen begabet, wol nicht in Abrede seyn können, daß keines unter allen Geschö- pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitische Art seinem Wesen nach, GOtt selbst, sondern Fußstapfen einer Göttlichen Existenz, uner- forschlichen und unverdienten Liebe, gegen das menschliche Geschlechte zu finden. So, daß man sich wundern muß, wie einige bey dem sich selbst an- klagenden und verdammenden Gewissen, ihre Sinnen zu gewissen Stun- den so einschläfern können, daß sie sich der grösten, und nur zu ersinnlichsten
Thor-
(a)
[Abbildung]
Vorbericht an den nach ſeinem Stand und Wuͤrden geehrten Leſer.
VErdienet die Sonne, nach einiger Philoſophen Mei- nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo- mit ſie die verwunderns-wuͤrdige Vortreflichkeit die- ſes groſſen Welt-Gebaͤudes betrachtet; ſo kan ich verhoffentlich mit viel groͤſſerem Recht das Auge des Menſchen eine Sonne der kleinen Welt heiſſen, mit welcher er den Spiegel der gantzen, ihm ſichtbaren Natur beleuchtet.
Und der muͤſte gewiß ſehr verblendete Augen haben, der die unum- ſtoͤßlichen Zeugniſſe und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und mehr als vaͤterlichen Vorſorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich und klar ſehen ſolte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit geſunden Sinnen begabet, wol nicht in Abrede ſeyn koͤnnen, daß keines unter allen Geſchoͤ- pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitiſche Art ſeinem Weſen nach, GOtt ſelbſt, ſondern Fußſtapfen einer Goͤttlichen Exiſtenz, uner- forſchlichen und unverdienten Liebe, gegen das menſchliche Geſchlechte zu finden. So, daß man ſich wundern muß, wie einige bey dem ſich ſelbſt an- klagenden und verdammenden Gewiſſen, ihre Sinnen zu gewiſſen Stun- den ſo einſchlaͤfern koͤnnen, daß ſie ſich der groͤſten, und nur zu erſinnlichſten
Thor-
(a)
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[0019]
[Abbildung]
Vorbericht
an den
nach ſeinem Stand und Wuͤrden geehrten Leſer.
VErdienet die Sonne, nach einiger Philoſophen Mei-
nung, das Auge der Natur genennet zu werden, wo-
mit ſie die verwunderns-wuͤrdige Vortreflichkeit die-
ſes groſſen Welt-Gebaͤudes betrachtet; ſo kan ich
verhoffentlich mit viel groͤſſerem Recht das Auge des
Menſchen eine Sonne der kleinen Welt heiſſen, mit
welcher er den Spiegel der gantzen, ihm ſichtbaren
Natur beleuchtet.
Und der muͤſte gewiß ſehr verblendete Augen haben, der die unum-
ſtoͤßlichen Zeugniſſe und Merckmahle einer unbegreiflichen Weisheit, und
mehr als vaͤterlichen Vorſorge eines wunderbaren GOttes nicht deutlich
und klar ſehen ſolte. Ja, es wird ein jeder, der nur mit geſunden Sinnen
begabet, wol nicht in Abrede ſeyn koͤnnen, daß keines unter allen Geſchoͤ-
pfen anzutreffen, in welchem zwar nicht auf eine naturalitiſche Art ſeinem
Weſen nach, GOtt ſelbſt, ſondern Fußſtapfen einer Goͤttlichen Exiſtenz, uner-
forſchlichen und unverdienten Liebe, gegen das menſchliche Geſchlechte zu
finden. So, daß man ſich wundern muß, wie einige bey dem ſich ſelbſt an-
klagenden und verdammenden Gewiſſen, ihre Sinnen zu gewiſſen Stun-
den ſo einſchlaͤfern koͤnnen, daß ſie ſich der groͤſten, und nur zu erſinnlichſten
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(a)
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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