Thäter selbst an, so muss er untersuchen, ob sein Angeben Wahrscheinlichkeit habe, ob er mit Bewusstseyn und mit gesundem Verstand sich selber denuncire. Die Glaubwürdigkeit des Denuncianten muss er erforschen, so wie den Grund seiner Wissenschaft. Bey dem öf- fentlichen Gerücht muss er sich besonders nach der Quelle desselben erkundigen -- Findet er nun diese Ursachen nichtig, so ist alles wei- tere Inquiriren ausgeschlossen. Im entgegen- gesetzten Fall geht die Untersuchung fort. Das Fundament d. Unt. muss zu Protocoll ge- nommen werden.
§. 650.
Hat nun das Verbrechen Spuren zurück- gelassen, so muss diese, sobald wie möglich, der Richter aufsuchen und durch sinnliche Erkenntniss den Thatbestand des Verbrechens an sich, zu berichtigen suchen (§. 625. ff). Die Erforschung des Urhebers (§. 631.) und der zum Anfang der Specialinquisition hinreichen- den Indicien gegen denselben ist das zweyte Geschäft. Er muss daher besonders nach Zeu- gen forschen und diese Zeugen abhören, wel- che aber hier nicht über Artikel vernommen, gewöhnlich auch nicht vereidet werden *). Hat er Muthmassung oder schon entfernten Verdacht gegen eine Person, so darf er sie dar- um nicht den Zeugen nennen; aber erlaubt ist es ihm, sie als Zeuge mit zu vernehmen, damit sie sich vielleicht durch ihre Aussagen
noch
*) Sollte aber nicht seyn. Klein p. R. §. 532.
Von dem inquiſitoriſchen Proceſs.
Thäter ſelbſt an, ſo muſs er unterſuchen, ob ſein Angeben Wahrſcheinlichkeit habe, ob er mit Bewuſstſeyn und mit geſundem Verſtand ſich ſelber denuncire. Die Glaubwürdigkeit des Denuncianten muſs er erforſchen, ſo wie den Grund ſeiner Wiſſenſchaft. Bey dem öf- fentlichen Gerücht muſs er ſich beſonders nach der Quelle deſſelben erkundigen — Findet er nun dieſe Urſachen nichtig, ſo iſt alles wei- tere Inquiriren ausgeſchloſſen. Im entgegen- geſetzten Fall geht die Unterſuchung fort. Das Fundament d. Unt. muſs zu Protocoll ge- nommen werden.
§. 650.
Hat nun das Verbrechen Spuren zurück- gelaſſen, ſo muſs dieſe, ſobald wie möglich, der Richter aufſuchen und durch ſinnliche Erkenntniſs den Thatbeſtand des Verbrechens an ſich, zu berichtigen ſuchen (§. 625. ff). Die Erforſchung des Urhebers (§. 631.) und der zum Anfang der Specialinquiſition hinreichen- den Indicien gegen denſelben iſt das zweyte Geſchäft. Er muſs daher beſonders nach Zeu- gen forſchen und dieſe Zeugen abhören, wel- che aber hier nicht über Artikel vernommen, gewöhnlich auch nicht vereidet werden *). Hat er Muthmaſsung oder ſchon entfernten Verdacht gegen eine Perſon, ſo darf er ſie dar- um nicht den Zeugen nennen; aber erlaubt iſt es ihm, ſie als Zeuge mit zu vernehmen, damit ſie ſich vielleicht durch ihre Ausſagen
noch
*) Sollte aber nicht ſeyn. Klein p. R. §. 532.
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Von dem inquiſitoriſchen Proceſs.
Thäter ſelbſt an, ſo muſs er unterſuchen, ob
ſein Angeben Wahrſcheinlichkeit habe, ob er
mit Bewuſstſeyn und mit geſundem Verſtand
ſich ſelber denuncire. Die Glaubwürdigkeit
des Denuncianten muſs er erforſchen, ſo wie
den Grund ſeiner Wiſſenſchaft. Bey dem öf-
fentlichen Gerücht muſs er ſich beſonders nach
der Quelle deſſelben erkundigen — Findet
er nun dieſe Urſachen nichtig, ſo iſt alles wei-
tere Inquiriren ausgeſchloſſen. Im entgegen-
geſetzten Fall geht die Unterſuchung fort.
Das Fundament d. Unt. muſs zu Protocoll ge-
nommen werden.
§. 650.
Hat nun das Verbrechen Spuren zurück-
gelaſſen, ſo muſs dieſe, ſobald wie möglich,
der Richter aufſuchen und durch ſinnliche
Erkenntniſs den Thatbeſtand des Verbrechens
an ſich, zu berichtigen ſuchen (§. 625. ff). Die
Erforſchung des Urhebers (§. 631.) und der
zum Anfang der Specialinquiſition hinreichen-
den Indicien gegen denſelben iſt das zweyte
Geſchäft. Er muſs daher beſonders nach Zeu-
gen forſchen und dieſe Zeugen abhören, wel-
che aber hier nicht über Artikel vernommen,
gewöhnlich auch nicht vereidet werden *).
Hat er Muthmaſsung oder ſchon entfernten
Verdacht gegen eine Perſon, ſo darf er ſie dar-
um nicht den Zeugen nennen; aber erlaubt
iſt es ihm, ſie als Zeuge mit zu vernehmen,
damit ſie ſich vielleicht durch ihre Ausſagen
noch
*) Sollte aber nicht ſeyn. Klein p. R. §. 532.
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Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/533>, abgerufen am 22.02.2025.
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