Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.III. Buch. I. Titel. I. Abschn. II. Abtheil. Begriff von Beweis im engern Sinn bestimmt;der unvollständige setzt voraus, dass nicht alle Gründe für die Wahrheit der That- sache existiren. 1. Probatio semiplena -- maior -- minor. 2. Künstlicher -- natürlicher Beweis. §. 595. In Ansehung des Beweises in peinlichen Rück- *) Dass auch blosse Vermuthungen für den Ange- schuldigten zur Entkräftung eines juridischen Be- weises der Schuld und zur Ausschliessung der ordentlichen Strafe hinreichen sollten, behaupten die Praktiker. Klein p. R §. 101. Einige stü[t]zen sich auf P. G. O. Art. 28. die von etwas ganz ande- rem spricht. **) P. G. O. Art. 22. "Es ist zu merken, dass nie-
"mand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahr- "zeichen, oder Verdacht, endlich zu peinlicher "Strafe soll verurtheilt werden, sondern allein "peinlich mag man darauf fragen, so die Anzei- "gung genugsam ist. Denn soll jemand endlich "zu peinlicher Strafe verurtheilt werden, dass muss "aus eigen Bekennen oder Beweisung (wie an andern "Enden dieser Ordnung klärlich funden wird) gescheben, "und nicht auf Vermuthung oder Anzeigung. c. Grol- "man III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil. Begriff von Beweis im engern Sinn beſtimmt;der unvollſtändige ſetzt voraus, daſs nicht alle Gründe für die Wahrheit der That- ſache exiſtiren. 1. Probatio ſemiplena — maior — minor. 2. Künſtlicher — natürlicher Beweis. §. 595. In Anſehung des Beweiſes in peinlichen Rück- *) Daſs auch bloſse Vermuthungen für den Ange- ſchuldigten zur Entkräftung eines juridiſchen Be- weiſes der Schuld und zur Ausſchlieſsung der ordentlichen Strafe hinreichen ſollten, behaupten die Praktiker. Klein p. R §. 101. Einige ſtü[t]zen ſich auf P. G. O. Art. 28. die von etwas ganz ande- rem ſpricht. **) P. G. O. Art. 22. „Es iſt zu merken, daſs nie-
„mand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahr- „zeichen, oder Verdacht, endlich zu peinlicher „Strafe ſoll verurtheilt werden, ſondern allein „peinlich mag man darauf fragen, ſo die Anzei- „gung genugſam iſt. Denn ſoll jemand endlich „zu peinlicher Strafe verurtheilt werden, daſs muſs „aus eigen Bekennen oder Beweiſung (wie an andern „Enden dieſer Ordnung klärlich funden wird) geſcheben, „und nicht auf Vermuthung oder Anzeigung. c. Grol- „man <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0500" n="472"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil.</hi></fw><lb/> Begriff von Beweis im engern Sinn beſtimmt;<lb/> der <hi rendition="#i">unvollſtändige</hi> ſetzt voraus, daſs<lb/> nicht alle Gründe für die Wahrheit der That-<lb/> ſache exiſtiren.</p><lb/> <list> <item>1. <hi rendition="#i">Probatio ſemiplena — maior — minor.</hi></item><lb/> <item>2. <hi rendition="#i">Künſtlicher — natürlicher Beweis.</hi></item> </list> </div><lb/> <div n="9"> <head>§. 595.</head><lb/> <p>In Anſehung des Beweiſes in peinlichen<lb/> Sachen überhaupt gelten folgende Grundſätze:<lb/> I. ein <hi rendition="#g">vollſtändiger</hi> <hi rendition="#i">Beweis allein kann eine<lb/> verdammende oder vollkommen abſolvirende Sen-<lb/> tenz begründen.</hi> Dort muſs voller Beweis der<lb/> Schuld, hier voller Beweis der Unſchuld vor-<lb/> handen ſeyn <note place="foot" n="*)">Daſs auch bloſse Vermuthungen für den Ange-<lb/> ſchuldigten zur Entkräftung eines juridiſchen Be-<lb/> weiſes der Schuld und zur Ausſchlieſsung der<lb/> ordentlichen Strafe hinreichen ſollten, behaupten<lb/> die Praktiker. <hi rendition="#g">Klein</hi> <hi rendition="#i">p. R</hi> §. 101. Einige ſtü<supplied>t</supplied>zen<lb/> ſich auf P. G. O. Art. 28. die von etwas ganz ande-<lb/> rem ſpricht.</note>. II. <hi rendition="#i">Die volle juridiſche Ge-<lb/> wiſsheit der Schuld kann nur durch einen</hi> <hi rendition="#g">nicht-<lb/> künſtlichen</hi> <hi rendition="#i">Beweis begründet werden</hi> <note xml:id="note-0500" next="#note-0501" place="foot" n="**)">P. G. O. Art. 22. „Es iſt zu merken, daſs nie-<lb/> „mand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahr-<lb/> „zeichen, oder Verdacht, endlich zu peinlicher<lb/> „Strafe ſoll verurtheilt werden, ſondern allein<lb/> „peinlich mag man darauf fragen, ſo die Anzei-<lb/> „gung genugſam iſt. Denn ſoll jemand endlich<lb/> „zu peinlicher Strafe verurtheilt werden, daſs muſs<lb/> „aus <hi rendition="#i">eigen Bekennen oder Beweiſung (wie an andern</hi><lb/> „<hi rendition="#i">Enden dieſer Ordnung klärlich funden wird) geſcheben</hi>,<lb/> „<hi rendition="#i">und nicht auf Vermuthung oder Anzeigung.</hi> c. <hi rendition="#g">Grol-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">„<hi rendition="#g">man</hi></fw></note>, ohne<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Rück-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [472/0500]
III. Buch. I. Titel. I. Abſchn. II. Abtheil.
Begriff von Beweis im engern Sinn beſtimmt;
der unvollſtändige ſetzt voraus, daſs
nicht alle Gründe für die Wahrheit der That-
ſache exiſtiren.
1. Probatio ſemiplena — maior — minor.
2. Künſtlicher — natürlicher Beweis.
§. 595.
In Anſehung des Beweiſes in peinlichen
Sachen überhaupt gelten folgende Grundſätze:
I. ein vollſtändiger Beweis allein kann eine
verdammende oder vollkommen abſolvirende Sen-
tenz begründen. Dort muſs voller Beweis der
Schuld, hier voller Beweis der Unſchuld vor-
handen ſeyn *). II. Die volle juridiſche Ge-
wiſsheit der Schuld kann nur durch einen nicht-
künſtlichen Beweis begründet werden **), ohne
Rück-
*) Daſs auch bloſse Vermuthungen für den Ange-
ſchuldigten zur Entkräftung eines juridiſchen Be-
weiſes der Schuld und zur Ausſchlieſsung der
ordentlichen Strafe hinreichen ſollten, behaupten
die Praktiker. Klein p. R §. 101. Einige ſtützen
ſich auf P. G. O. Art. 28. die von etwas ganz ande-
rem ſpricht.
**) P. G. O. Art. 22. „Es iſt zu merken, daſs nie-
„mand auf einigerley Anzeigung, Argwohns Wahr-
„zeichen, oder Verdacht, endlich zu peinlicher
„Strafe ſoll verurtheilt werden, ſondern allein
„peinlich mag man darauf fragen, ſo die Anzei-
„gung genugſam iſt. Denn ſoll jemand endlich
„zu peinlicher Strafe verurtheilt werden, daſs muſs
„aus eigen Bekennen oder Beweiſung (wie an andern
„Enden dieſer Ordnung klärlich funden wird) geſcheben,
„und nicht auf Vermuthung oder Anzeigung. c. Grol-
„man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/500 |
Zitationshilfe: | Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/500>, abgerufen am 22.02.2025. |