Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien. Diese sind: I. ein bestimmtes sinnliches Interessean dem einzelnen gegenwärtig vorgefallenen Verbrechen. Dahin gehört 1) ein Affect, der zu dem gegenwärtigen Verbrechen de- terminiren konnte, wie Feindschaft gegen den Verletzten, *) Liebe gegen das genoth- züchtigte oder entführte Mädchen. 2) Wenn für eine Person aus dem begangenen Ver- brechen ein Vortheil entsprang, der so bedeutend war, um die Furcht vor der Strafe überwinden zu können **). §. 579. II. Eine Neigung zu Verbrechen dersel- men dicien hinzu, welche den Grad der Vermuthung der Indicien bestimmen. Dieses ist bey Beyspielen nothwendig; aber in einer Theorie fehlerhaft. Hier müssen die Thatsachen rein und nackt, ohne alle Beymischung aufgestellt werden. Die Stärke oder Schwäche derselben hängt von der Beurthei- lung derselben nach den folgenden Regeln ab. Eben so müssen auch allgemeine Regeln bestimmen, wann die Indicien ganz wegfallen. *) P. G. O. Art. 37. **) P. G. O. Art. 25. §. 5. Als Beyspiel führt die
P. G. O. Art. 26. an, wenn eine Person mit dem heimlich Ermordeten einen grossen Process hatte. Es gehören noch viele andere Fälle hierher, z. E. wenn die Ehefrau des Ermordeten mit einem Andern, den sie zu heurathen wünschte, im Ehebruch lebt u. s. w. Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien. Dieſe ſind: I. ein beſtimmtes ſinnliches Intereſſean dem einzelnen gegenwärtig vorgefallenen Verbrechen. Dahin gehört 1) ein Affect, der zu dem gegenwärtigen Verbrechen de- terminiren konnte, wie Feindſchaft gegen den Verletzten, *) Liebe gegen das genoth- züchtigte oder entführte Mädchen. 2) Wenn für eine Perſon aus dem begangenen Ver- brechen ein Vortheil entſprang, der ſo bedeutend war, um die Furcht vor der Strafe überwinden zu können **). §. 579. II. Eine Neigung zu Verbrechen derſel- men dicien hinzu, welche den Grad der Vermuthung der Indicien beſtimmen. Dieſes iſt bey Beyſpielen nothwendig; aber in einer Theorie fehlerhaft. Hier müſſen die Thatſachen rein und nackt, ohne alle Beymiſchung aufgeſtellt werden. Die Stärke oder Schwäche derſelben hängt von der Beurthei- lung derſelben nach den folgenden Regeln ab. Eben ſo müſſen auch allgemeine Regeln beſtimmen, wann die Indicien ganz wegfallen. *) P. G. O. Art. 37. **) P. G. O. Art. 25. §. 5. Als Beyſpiel führt die
P. G. O. Art. 26. an, wenn eine Perſon mit dem heimlich Ermordeten einen groſsen Proceſs hatte. Es gehören noch viele andere Fälle hierher, z. E. wenn die Ehefrau des Ermordeten mit einem Andern, den ſie zu heurathen wünſchte, im Ehebruch lebt u. ſ. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0489" n="461"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien.</hi></fw><lb/> Dieſe ſind: I. ein beſtimmtes <hi rendition="#i">ſinnliches Intereſſe<lb/> an dem einzelnen gegenwärtig vorgefallenen</hi><lb/> Verbrechen. Dahin gehört 1) ein <hi rendition="#i">Affect</hi>,<lb/> der zu dem gegenwärtigen Verbrechen de-<lb/> terminiren konnte, wie <hi rendition="#i">Feindſchaft</hi> gegen<lb/> den Verletzten, <note place="foot" n="*)">P. G. O. Art. 37.</note> <hi rendition="#i">Liebe</hi> gegen das genoth-<lb/> züchtigte oder entführte Mädchen. 2) Wenn<lb/> für eine Perſon aus dem begangenen Ver-<lb/> brechen ein <hi rendition="#g">Vortheil</hi> entſprang, der ſo<lb/> bedeutend war, um die Furcht vor der Strafe<lb/> überwinden zu können <note place="foot" n="**)">P. G. O. Art. 25. §. 5. Als Beyſpiel führt die<lb/> P. G. O. Art. 26. an, wenn eine Perſon mit dem<lb/> heimlich Ermordeten einen groſsen Proceſs hatte.<lb/> Es gehören noch viele andere Fälle hierher, z. E.<lb/> wenn die Ehefrau des Ermordeten mit einem<lb/> Andern, den ſie zu heurathen wünſchte, im<lb/> Ehebruch lebt u. ſ. w.</note>.</p> </div><lb/> <div n="8"> <head>§. 579.</head><lb/> <p>II. Eine <hi rendition="#i">Neigung</hi> zu Verbrechen derſel-<lb/> ben <hi rendition="#i">Art</hi>, welches gegenwärtig begangen<lb/> worden iſt. Dieſe Neigung iſt anzunehmen<lb/> 1) wenn eine Perſon ſchon ehemals Verbre-<lb/> chen derſelben Art begangen oder unternom-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">men</fw><lb/><note xml:id="note-0489" prev="#note-0488a" place="foot" n="*)">dicien hinzu, welche den Grad der Vermuthung<lb/> der Indicien beſtimmen. Dieſes iſt bey <hi rendition="#i">Beyſpielen</hi><lb/> nothwendig; aber in einer Theorie fehlerhaft.<lb/> Hier müſſen die Thatſachen rein und nackt, ohne<lb/> alle Beymiſchung aufgeſtellt werden. Die Stärke<lb/> oder Schwäche derſelben hängt von der Beurthei-<lb/> lung derſelben nach den folgenden Regeln ab. Eben<lb/> ſo müſſen auch allgemeine Regeln beſtimmen,<lb/> wann die Indicien ganz wegfallen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [461/0489]
Von d. Gründ. d. Vermuth. od. von Indicien.
Dieſe ſind: I. ein beſtimmtes ſinnliches Intereſſe
an dem einzelnen gegenwärtig vorgefallenen
Verbrechen. Dahin gehört 1) ein Affect,
der zu dem gegenwärtigen Verbrechen de-
terminiren konnte, wie Feindſchaft gegen
den Verletzten, *) Liebe gegen das genoth-
züchtigte oder entführte Mädchen. 2) Wenn
für eine Perſon aus dem begangenen Ver-
brechen ein Vortheil entſprang, der ſo
bedeutend war, um die Furcht vor der Strafe
überwinden zu können **).
§. 579.
II. Eine Neigung zu Verbrechen derſel-
ben Art, welches gegenwärtig begangen
worden iſt. Dieſe Neigung iſt anzunehmen
1) wenn eine Perſon ſchon ehemals Verbre-
chen derſelben Art begangen oder unternom-
men
*)
*) P. G. O. Art. 37.
**) P. G. O. Art. 25. §. 5. Als Beyſpiel führt die
P. G. O. Art. 26. an, wenn eine Perſon mit dem
heimlich Ermordeten einen groſsen Proceſs hatte.
Es gehören noch viele andere Fälle hierher, z. E.
wenn die Ehefrau des Ermordeten mit einem
Andern, den ſie zu heurathen wünſchte, im
Ehebruch lebt u. ſ. w.
*) dicien hinzu, welche den Grad der Vermuthung
der Indicien beſtimmen. Dieſes iſt bey Beyſpielen
nothwendig; aber in einer Theorie fehlerhaft.
Hier müſſen die Thatſachen rein und nackt, ohne
alle Beymiſchung aufgeſtellt werden. Die Stärke
oder Schwäche derſelben hängt von der Beurthei-
lung derſelben nach den folgenden Regeln ab. Eben
ſo müſſen auch allgemeine Regeln beſtimmen,
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Zitationshilfe: | Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/489>, abgerufen am 22.02.2025. |