Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abschnitt. §. 460. Die Prävarication im abgeleiteten Sinn nen "Procurator" in der P. G. O. sind wohl auch zu- gleich Advocaten begriffen. s. Boehmer h. a. §. 2. Kress h. a. §. 1. *2. *) Leyser Sp. 554. m. 16. meynt, dass in diesem Fall der Advocat von den Geheimnissen nicht Ge- brauch machen dürfe, die ihm derjenige, welcher sich ihm als Client antrug, während der Erzählung der Sache mitgetheilt hat. Aber warum denn? Er hat ja noch nicht die Verbindlichkeit mit über- nommen, diese Geheimnisse zu verschweigen. **) Dazu ist der Advocat berechtigt und verpflichtet. L. 14. §. 1. C. de judiciis. ***) Leyser Sp. 554. m. 14. behauptet, dass der Ad-
vocat zwar aufkündigen, aber nicht zur andern Parthey übergehen dürfe. Auch dies ohne Grund. Ist die Aufkündigung geschehen so ist die Verbind- lichkeit aufgehoben. -- Ueberall wird aber voraus- gesetzt, dass diese Aufkündigung nicht in fraudem legis geschehe. II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt. §. 460. Die Prävarication im abgeleiteten Sinn nen „Procurator“ in der P. G. O. ſind wohl auch zu- gleich Advocaten begriffen. ſ. Boehmer h. a. §. 2. Kreſs h. a. §. 1. *2. *) Leyſer Sp. 554. m. 16. meynt, daſs in dieſem Fall der Advocat von den Geheimniſſen nicht Ge- brauch machen dürfe, die ihm derjenige, welcher ſich ihm als Client antrug, während der Erzählung der Sache mitgetheilt hat. Aber warum denn? Er hat ja noch nicht die Verbindlichkeit mit über- nommen, dieſe Geheimniſſe zu verſchweigen. **) Dazu iſt der Advocat berechtigt und verpflichtet. L. 14. §. 1. C. de judiciis. ***) Leyſer Sp. 554. m. 14. behauptet, daſs der Ad-
vocat zwar aufkündigen, aber nicht zur andern Parthey übergehen dürfe. Auch dies ohne Grund. Iſt die Aufkündigung geſchehen ſo iſt die Verbind- lichkeit aufgehoben. — Ueberall wird aber voraus- geſetzt, daſs dieſe Aufkündigung nicht in fraudem legis geſchehe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0400" n="372"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.</hi> </fw><lb/> <div n="7"> <head>§. 460.</head><lb/> <p>Die Prävarication im abgeleiteten Sinn<lb/> ſetzt voraus, 1) daſs man die Verbindlichkeit,<lb/> die Rechte einer Perſon zu ſchützen, übernom-<lb/> men habe. Wenn dieſe Verbindlichkeit noch<lb/> nicht übernommen, oder wieder aufgelöſst iſt,<lb/> ſo fällt das Verbrechen hinweg. Daraus folgt,<lb/> daſs dieſes Verbrechen nicht begangen wird<lb/> 1) von dem <hi rendition="#i">Defenſor</hi> im civiliſtiſchen Sinne, 2)<lb/> dem Advocaten, der in einer andern Sache<lb/> dem Gegner ſeines Clienten dient, oder 3) der<lb/> vor der Erklärung, die Sache zu übernehmen,<lb/> zum Gegentheil übergeht, <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Leyſer</hi> Sp. 554. m. 16. meynt, daſs in dieſem<lb/> Fall der Advocat von den Geheimniſſen nicht Ge-<lb/> brauch machen dürfe, die ihm derjenige, welcher<lb/> ſich ihm als Client antrug, während der Erzählung<lb/> der Sache mitgetheilt hat. Aber warum denn?<lb/> Er hat ja noch nicht die Verbindlichkeit mit über-<lb/> nommen, dieſe Geheimniſſe zu verſchweigen.</note> oder 4) nach<lb/> übernommener Sache, aus Ueberzeugung ihrer<lb/> Ungerechtigkeit ſeine erſte Parthey verläſst <note place="foot" n="**)">Dazu iſt der Advocat berechtigt und verpflichtet.<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 14. §. 1. <hi rendition="#i">C. de judiciis.</hi></note><lb/> und die Gegenparthey ergreift. <note place="foot" n="***)"><hi rendition="#g">Leyſer</hi> Sp. 554. m. 14. behauptet, daſs der Ad-<lb/> vocat zwar aufkündigen, aber nicht zur andern<lb/> Parthey übergehen dürfe. Auch dies ohne Grund.<lb/> Iſt die Aufkündigung geſchehen ſo iſt die Verbind-<lb/> lichkeit aufgehoben. — Ueberall wird aber voraus-<lb/> geſetzt, daſs dieſe Aufkündigung nicht in fraudem<lb/> legis geſchehe.</note> Auch kön-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/><note xml:id="note-0400" prev="#note-0399a" place="foot" n="***)">„Procurator“ in der P. G. O. ſind wohl auch zu-<lb/> gleich Advocaten begriffen. ſ. <hi rendition="#g">Boehmer</hi> h. a. §.<lb/> 2. <hi rendition="#g">Kreſs</hi> h. a. §. 1. *2.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [372/0400]
II. Buch. II. Theil. II. Titel. II. Abſchnitt.
§. 460.
Die Prävarication im abgeleiteten Sinn
ſetzt voraus, 1) daſs man die Verbindlichkeit,
die Rechte einer Perſon zu ſchützen, übernom-
men habe. Wenn dieſe Verbindlichkeit noch
nicht übernommen, oder wieder aufgelöſst iſt,
ſo fällt das Verbrechen hinweg. Daraus folgt,
daſs dieſes Verbrechen nicht begangen wird
1) von dem Defenſor im civiliſtiſchen Sinne, 2)
dem Advocaten, der in einer andern Sache
dem Gegner ſeines Clienten dient, oder 3) der
vor der Erklärung, die Sache zu übernehmen,
zum Gegentheil übergeht, *) oder 4) nach
übernommener Sache, aus Ueberzeugung ihrer
Ungerechtigkeit ſeine erſte Parthey verläſst **)
und die Gegenparthey ergreift. ***) Auch kön-
nen
***)
*) Leyſer Sp. 554. m. 16. meynt, daſs in dieſem
Fall der Advocat von den Geheimniſſen nicht Ge-
brauch machen dürfe, die ihm derjenige, welcher
ſich ihm als Client antrug, während der Erzählung
der Sache mitgetheilt hat. Aber warum denn?
Er hat ja noch nicht die Verbindlichkeit mit über-
nommen, dieſe Geheimniſſe zu verſchweigen.
**) Dazu iſt der Advocat berechtigt und verpflichtet.
L. 14. §. 1. C. de judiciis.
***) Leyſer Sp. 554. m. 14. behauptet, daſs der Ad-
vocat zwar aufkündigen, aber nicht zur andern
Parthey übergehen dürfe. Auch dies ohne Grund.
Iſt die Aufkündigung geſchehen ſo iſt die Verbind-
lichkeit aufgehoben. — Ueberall wird aber voraus-
geſetzt, daſs dieſe Aufkündigung nicht in fraudem
legis geſchehe.
***) „Procurator“ in der P. G. O. ſind wohl auch zu-
gleich Advocaten begriffen. ſ. Boehmer h. a. §.
2. Kreſs h. a. §. 1. *2.
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