Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite
Verbr. gegen d. freye Dispos. üb. d. Körp.
§. 302.

Die Nothzucht setzt voraus, I. als Gegen-
stand eine unverläumdete *) Weibsperson,
die noch nicht durch Handlungen erklärt hat,
dass sie ihren Körper als Werkzeug der Wol-
lust eines jeden betrachte. An einer Hure kann
daher keine Nothzucht begangen werden.
Denn bey ihr fällt der eigentliche Grund der
gesetzlichen Auszeichnung dieses Verbrechens
hinweg. Ihre Persönlichkeit wird dadurch
nicht verletzt, dass man sie in Ansehung der
Geschlechtsbefriedigung als Sache behandelt,
da sie sich selbst zur Sache hingegeben hat.
Die Nothzucht kann also nur begangen wer-
den, entweder an einer Person, die noch nie
gesetzwidrig den Geschlechtstrieb befriedigt
hat, oder an einer bloss Geschwächten, oder
an einer Person, die ehemals als Hure gelebt,
aber nachher völlig und notorisch ihre Lebens-
art geändert hat **).

Anm. Kann an einer Mannsperson von einer Weibsperson
ein stuprum viol. begangen werden? cf. Quistorps
Beyträge Nr. 3.



§. 303.
stens im Fall des Beyschlafs an einer Trunkenen
oder Schlafenden, vorausgesetzt, dass sie absichtlich
von dem Stuprator in diesen Zustand versetzt wor-
den ist, wie Boehmer ad Carpzov. Q. 79. obs.
2. et ad Art. 119. §. 4. -- Quistorp Thl. l. §.
490. Westphal CR. S. 232. -- Kochl. c, §.
290. Anm. -- Die Gesetze geben aber der Noth-
zucht das Prädicat, mit Gewalt und wider ihren
Willen."
*) Art. 119. C. C. C. "eyner unverläumdeten chefrawen,
witwenn -- oder Jungkfrawen."
**) cf. Boehmer ad h. a. §. 1. Kleins Gr. d. p.
R
. §. 404.
Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
§. 302.

Die Nothzucht ſetzt voraus, I. als Gegen-
ſtand eine unverläumdete *) Weibsperſon,
die noch nicht durch Handlungen erklärt hat,
daſs ſie ihren Körper als Werkzeug der Wol-
luſt eines jeden betrachte. An einer Hure kann
daher keine Nothzucht begangen werden.
Denn bey ihr fällt der eigentliche Grund der
geſetzlichen Auszeichnung dieſes Verbrechens
hinweg. Ihre Perſönlichkeit wird dadurch
nicht verletzt, daſs man ſie in Anſehung der
Geſchlechtsbefriedigung als Sache behandelt,
da ſie ſich ſelbſt zur Sache hingegeben hat.
Die Nothzucht kann alſo nur begangen wer-
den, entweder an einer Perſon, die noch nie
geſetzwidrig den Geſchlechtstrieb befriedigt
hat, oder an einer bloſs Geſchwächten, oder
an einer Perſon, die ehemals als Hure gelebt,
aber nachher völlig und notoriſch ihre Lebens-
art geändert hat **).

Anm. Kann an einer Mannsperſon von einer Weibsperſon
ein ſtuprum viol. begangen werden? cf. Quiſtorps
Beyträge Nr. 3.



§. 303.
ſtens im Fall des Beyſchlafs an einer Trunkenen
oder Schlafenden, vorausgeſetzt, daſs ſie abſichtlich
von dem Stuprator in dieſen Zuſtand verſetzt wor-
den iſt, wie Boehmer ad Carpzov. Q. 79. obs.
2. et ad Art. 119. §. 4. — Quiſtorp Thl. l. §.
490. Weſtphal CR. S. 232. — Kochl. c, §.
290. Anm. — Die Geſetze geben aber der Noth-
zucht das Prädicat, mit Gewalt und wider ihren
Willen.“
*) Art. 119. C. C. C. „eyner unverläumdeten chefrawen,
witwenn — oder Jungkfrawen.“
**) cf. Boehmer ad h. a. §. 1. Kleins Gr. d. p.
R
. §. 404.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0263" n="235"/>
                    <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#i">Verbr. gegen d. freye Dispo&#x017F;. üb. d. Körp.</hi> </fw><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 302.</head><lb/>
                      <p>Die <hi rendition="#g">Nothzucht</hi> &#x017F;etzt voraus, I. als Gegen-<lb/>
&#x017F;tand eine unverläumdete <note place="foot" n="*)">Art. 119. C. C. C. &#x201E;eyner <hi rendition="#i">unverläumdeten</hi> chefrawen,<lb/>
witwenn &#x2014; oder Jungkfrawen.&#x201C;</note> Weibsper&#x017F;on,<lb/>
die noch nicht durch Handlungen erklärt hat,<lb/>
da&#x017F;s &#x017F;ie ihren Körper als Werkzeug der Wol-<lb/>
lu&#x017F;t eines <hi rendition="#i">jeden</hi> betrachte. An einer <hi rendition="#i">Hure</hi> kann<lb/>
daher keine Nothzucht begangen werden.<lb/>
Denn bey ihr fällt der eigentliche Grund der<lb/>
ge&#x017F;etzlichen Auszeichnung die&#x017F;es Verbrechens<lb/>
hinweg. Ihre Per&#x017F;önlichkeit wird dadurch<lb/>
nicht verletzt, da&#x017F;s man &#x017F;ie in An&#x017F;ehung der<lb/>
Ge&#x017F;chlechtsbefriedigung als Sache behandelt,<lb/>
da &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zur Sache hingegeben hat.<lb/>
Die Nothzucht kann al&#x017F;o nur begangen wer-<lb/>
den, entweder an einer Per&#x017F;on, die noch nie<lb/>
ge&#x017F;etzwidrig den Ge&#x017F;chlechtstrieb befriedigt<lb/>
hat, oder an einer blo&#x017F;s Ge&#x017F;chwächten, oder<lb/>
an einer Per&#x017F;on, die ehemals als Hure gelebt,<lb/>
aber nachher völlig und notori&#x017F;ch ihre Lebens-<lb/>
art geändert hat <note place="foot" n="**)">cf. <hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad h. a. §. 1. <hi rendition="#g">Kleins</hi> <hi rendition="#i">Gr. d. p.<lb/>
R</hi>. §. 404.</note>.</p><lb/>
                      <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">Anm</hi>. Kann an einer Mannsper&#x017F;on von einer Weibsper&#x017F;on<lb/>
ein &#x017F;tuprum viol. begangen werden? cf. <hi rendition="#g">Qui&#x017F;torps</hi><lb/>
Beyträge Nr. 3.</hi> </p><lb/>
                      <fw place="bottom" type="catch">§. 303.</fw><lb/>
                      <note xml:id="note-0263" prev="#note-0262a" place="foot" n="***)">&#x017F;tens im Fall des Bey&#x017F;chlafs an einer Trunkenen<lb/>
oder Schlafenden, vorausge&#x017F;etzt, da&#x017F;s &#x017F;ie ab&#x017F;ichtlich<lb/>
von dem Stuprator in die&#x017F;en Zu&#x017F;tand ver&#x017F;etzt wor-<lb/>
den i&#x017F;t, wie <hi rendition="#g">Boehmer</hi> ad <hi rendition="#g">Carpzov</hi>. Q. 79. obs.<lb/>
2. et ad Art. 119. §. 4. &#x2014; <hi rendition="#g">Qui&#x017F;torp</hi> Thl. l. §.<lb/>
490. <hi rendition="#g">We&#x017F;tphal</hi> CR. S. 232. &#x2014; <hi rendition="#g">Kochl</hi>. c, §.<lb/>
290. Anm. &#x2014; Die Ge&#x017F;etze geben aber der Noth-<lb/>
zucht das Prädicat, mit <hi rendition="#g">Gewalt und</hi> wider ihren<lb/>
Willen.&#x201C;</note>
                    </div><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235/0263] Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp. §. 302. Die Nothzucht ſetzt voraus, I. als Gegen- ſtand eine unverläumdete *) Weibsperſon, die noch nicht durch Handlungen erklärt hat, daſs ſie ihren Körper als Werkzeug der Wol- luſt eines jeden betrachte. An einer Hure kann daher keine Nothzucht begangen werden. Denn bey ihr fällt der eigentliche Grund der geſetzlichen Auszeichnung dieſes Verbrechens hinweg. Ihre Perſönlichkeit wird dadurch nicht verletzt, daſs man ſie in Anſehung der Geſchlechtsbefriedigung als Sache behandelt, da ſie ſich ſelbſt zur Sache hingegeben hat. Die Nothzucht kann alſo nur begangen wer- den, entweder an einer Perſon, die noch nie geſetzwidrig den Geſchlechtstrieb befriedigt hat, oder an einer bloſs Geſchwächten, oder an einer Perſon, die ehemals als Hure gelebt, aber nachher völlig und notoriſch ihre Lebens- art geändert hat **). Anm. Kann an einer Mannsperſon von einer Weibsperſon ein ſtuprum viol. begangen werden? cf. Quiſtorps Beyträge Nr. 3. §. 303. ***) *) Art. 119. C. C. C. „eyner unverläumdeten chefrawen, witwenn — oder Jungkfrawen.“ **) cf. Boehmer ad h. a. §. 1. Kleins Gr. d. p. R. §. 404. ***) ſtens im Fall des Beyſchlafs an einer Trunkenen oder Schlafenden, vorausgeſetzt, daſs ſie abſichtlich von dem Stuprator in dieſen Zuſtand verſetzt wor- den iſt, wie Boehmer ad Carpzov. Q. 79. obs. 2. et ad Art. 119. §. 4. — Quiſtorp Thl. l. §. 490. Weſtphal CR. S. 232. — Kochl. c, §. 290. Anm. — Die Geſetze geben aber der Noth- zucht das Prädicat, mit Gewalt und wider ihren Willen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/263
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/263>, abgerufen am 19.11.2024.