Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

Verbr. gegen d. freye Dispos. üb. d. Körp.
Verbrechen ist vollendet, sobald die Person an
den bestimmten Ort wirklich gebracht worden
ist. II. Die Wegführung muss rechtswidrig
seyn, mithin entweder 1) wider Willen der
Entführten oder 2) wider den Willen derer ge-
schehen, deren rechtmässigen Gewalt sie un-
terworfen ist *).

§. 294.

Die Entführung geschieht wider Willen
der Entführten 1) wenn sie durch Betrug von
ihrem Aufenthaltsort weggebracht wird, 2)
wenn der Entführer Gewalt, und zwar entwe-
der physischen Zwang oder Drohung schwe-
rer, augenblicklich zu vollziehender, Uebel
angewendet hat. Blosse Ueberredungskünste,
Schmeicheleyen, Versprechungen u. s. w. be-
gründen keine Entführung wider Willen der
Entführten **).



§. 295.
Allgemeinen schlechterdings nicht beantworten und
verrückt ganz den Gesichtspunkt. Es kommt blos
auf die angegebene Beschaffenheit des Orts an, wo-
nach die ganze Frage blos in concreto beantwortet
werden muss.
*) Nach canonischem Recht wird in volentem keine
Entführung begangen. C. 6. X. de raptoribus, in-
cendiariis
etc. J. H. Boehmer J. E. P. T. V. L. V.
1. 17. §. 114.
**) Viele, wie Koch l. c. §. 363. Meister jun. pr.
jur. crim
. 303. Blümner l. c. pag. 6. 7., be-
haupten, besonders aus §. 2. in fin. C. de rapt. virg.
das Gegentheil. "Si ipsi raptores metu, vel atroci-
tate poenae ab hujusmodi facinore se temperaverint,
nulli
P 2

Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp.
Verbrechen iſt vollendet, ſobald die Perſon an
den beſtimmten Ort wirklich gebracht worden
iſt. II. Die Wegführung muſs rechtswidrig
ſeyn, mithin entweder 1) wider Willen der
Entführten oder 2) wider den Willen derer ge-
ſchehen, deren rechtmäſsigen Gewalt ſie un-
terworfen iſt *).

§. 294.

Die Entführung geſchieht wider Willen
der Entführten 1) wenn ſie durch Betrug von
ihrem Aufenthaltsort weggebracht wird, 2)
wenn der Entführer Gewalt, und zwar entwe-
der phyſiſchen Zwang oder Drohung ſchwe-
rer, augenblicklich zu vollziehender, Uebel
angewendet hat. Bloſse Ueberredungskünſte,
Schmeicheleyen, Verſprechungen u. ſ. w. be-
gründen keine Entführung wider Willen der
Entführten **).



§. 295.
Allgemeinen ſchlechterdings nicht beantworten und
verrückt ganz den Geſichtspunkt. Es kommt blos
auf die angegebene Beſchaffenheit des Orts an, wo-
nach die ganze Frage blos in concreto beantwortet
werden muſs.
*) Nach canoniſchem Recht wird in volentem keine
Entführung begangen. C. 6. X. de raptoribus, in-
cendiariis
etc. J. H. Boehmer J. E. P. T. V. L. V.
1. 17. §. 114.
**) Viele, wie Koch l. c. §. 363. Meiſter jun. pr.
jur. crim
. 303. Blümner l. c. pag. 6. 7., be-
haupten, beſonders aus §. 2. in fin. C. de rapt. virg.
das Gegentheil. „Si ipſi raptores metu, vel atroci-
tate poenae ab hujusmodi facinore ſe temperaverint,
nulli
P 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0255" n="227"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#i">Verbr. gegen d. freye Dispo&#x017F;. üb. d. Körp.</hi></fw><lb/>
Verbrechen i&#x017F;t vollendet, &#x017F;obald die Per&#x017F;on an<lb/>
den be&#x017F;timmten Ort wirklich gebracht worden<lb/>
i&#x017F;t. II. Die Wegführung mu&#x017F;s rechtswidrig<lb/>
&#x017F;eyn, mithin entweder 1) wider Willen der<lb/>
Entführten oder 2) wider den Willen derer ge-<lb/>
&#x017F;chehen, deren rechtmä&#x017F;sigen Gewalt &#x017F;ie un-<lb/>
terworfen i&#x017F;t <note place="foot" n="*)">Nach canoni&#x017F;chem Recht wird in <hi rendition="#i">volentem</hi> keine<lb/>
Entführung begangen. <hi rendition="#i">C</hi>. 6. <hi rendition="#i">X. de raptoribus, in-<lb/>
cendiariis</hi> etc. J. H. <hi rendition="#g">Boehmer</hi> J. E. P. T. V. L. V.<lb/>
1. 17. §. 114.</note>.</p>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§. 294.</head><lb/>
                      <p>Die Entführung ge&#x017F;chieht <hi rendition="#i">wider Willen</hi><lb/>
der Entführten 1) wenn &#x017F;ie durch <hi rendition="#i">Betrug</hi> von<lb/>
ihrem Aufenthaltsort weggebracht wird, 2)<lb/>
wenn der Entführer <hi rendition="#i">Gewalt</hi>, und zwar entwe-<lb/>
der phy&#x017F;i&#x017F;chen Zwang oder Drohung &#x017F;chwe-<lb/>
rer, augenblicklich zu vollziehender, Uebel<lb/>
angewendet hat. Blo&#x017F;se Ueberredungskün&#x017F;te,<lb/>
Schmeicheleyen, Ver&#x017F;prechungen u. &#x017F;. w. be-<lb/>
gründen keine Entführung wider Willen der<lb/>
Entführten <note xml:id="note-0255a" next="#note-0256" place="foot" n="**)">Viele, wie <hi rendition="#g">Koch</hi> l. c. §. 363. <hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter</hi> jun. <hi rendition="#i">pr.<lb/>
jur. crim</hi>. 303. <hi rendition="#g">Blümner</hi> l. c. pag. 6. 7., be-<lb/>
haupten, be&#x017F;onders aus §. 2. <hi rendition="#i">in fin. C. de rapt. virg</hi>.<lb/>
das Gegentheil. &#x201E;Si ip&#x017F;i raptores metu, vel atroci-<lb/>
tate poenae ab hujusmodi facinore &#x017F;e temperaverint,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nulli</fw></note>.</p><lb/>
                      <fw place="bottom" type="sig">P 2</fw>
                      <fw place="bottom" type="catch">§. 295.</fw><lb/>
                      <note xml:id="note-0255" prev="#note-0254" place="foot" n="*)">Allgemeinen &#x017F;chlechterdings nicht beantworten und<lb/>
verrückt ganz den Ge&#x017F;ichtspunkt. Es kommt blos<lb/>
auf die angegebene Be&#x017F;chaffenheit des Orts an, wo-<lb/>
nach die ganze Frage blos in <hi rendition="#i">concreto</hi> beantwortet<lb/>
werden mu&#x017F;s.</note>
                    </div><lb/>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0255] Verbr. gegen d. freye Dispoſ. üb. d. Körp. Verbrechen iſt vollendet, ſobald die Perſon an den beſtimmten Ort wirklich gebracht worden iſt. II. Die Wegführung muſs rechtswidrig ſeyn, mithin entweder 1) wider Willen der Entführten oder 2) wider den Willen derer ge- ſchehen, deren rechtmäſsigen Gewalt ſie un- terworfen iſt *). §. 294. Die Entführung geſchieht wider Willen der Entführten 1) wenn ſie durch Betrug von ihrem Aufenthaltsort weggebracht wird, 2) wenn der Entführer Gewalt, und zwar entwe- der phyſiſchen Zwang oder Drohung ſchwe- rer, augenblicklich zu vollziehender, Uebel angewendet hat. Bloſse Ueberredungskünſte, Schmeicheleyen, Verſprechungen u. ſ. w. be- gründen keine Entführung wider Willen der Entführten **). §. 295. *) *) Nach canoniſchem Recht wird in volentem keine Entführung begangen. C. 6. X. de raptoribus, in- cendiariis etc. J. H. Boehmer J. E. P. T. V. L. V. 1. 17. §. 114. **) Viele, wie Koch l. c. §. 363. Meiſter jun. pr. jur. crim. 303. Blümner l. c. pag. 6. 7., be- haupten, beſonders aus §. 2. in fin. C. de rapt. virg. das Gegentheil. „Si ipſi raptores metu, vel atroci- tate poenae ab hujusmodi facinore ſe temperaverint, nulli *) Allgemeinen ſchlechterdings nicht beantworten und verrückt ganz den Geſichtspunkt. Es kommt blos auf die angegebene Beſchaffenheit des Orts an, wo- nach die ganze Frage blos in concreto beantwortet werden muſs. P 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/255
Zitationshilfe: Feuerbach, Paul Johann Anselm von: Lehrbuch des gemeinen in Deutschland geltenden Peinlichen Rechts. Giessen, 1801, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_recht_1801/255>, abgerufen am 19.11.2024.