nichts Andres sei als Gefühl, nichts sei, was dem Herzen widerspricht. Der Glaube an die Allmacht ist der Glaube an die Irrealität der Außenwelt, der Objectivität, -- der Glaube an die absolute Realität des Gemüths. Das Wesen der Allmacht drückt nichts aus als das Wesen des Gemüths. Die Allmacht ist die Macht, vor der kein Gesetz, keine Determination gilt und besteht, aber diese Macht ist eben das Gemüth, welches jede Determination, jedes Gesetz als Schranke empfindet und deßwegen aufhebt. Die Allmacht thut nichts weiter, als daß sie den innersten Willen des Ge- müths vollstreckt, realisirt. Im Gebete wendet sich der Mensch an die Allmacht der Güte -- das heißt also nichts andres als: im Gebete betet der Mensch sein eignes Herz an, schaut er das Wesen seines Gemüths als das ab- solute Wesen an.
Das Geheimniß des Glaubens -- das Geheimniß des Wunders.
Der Glaube an die Macht des Gebets -- und nur da, wo dem Gebete eine Macht und zwar eine objective Macht zugeschrieben wird, ist noch das Gebet eine religiöse Wahr- heit -- ist eins mit dem Glauben an die Wundermacht und der Glaube an Wunder eins mit dem Wesen des Glaubens überhaupt. Nur der Glaube betet; nur das Gebet des Glau- bens hat Kraft. Der Glaube ist aber nichts andres als die Zuversicht zur Realität des Subjectiven im Gegen- satz zu den Schranken, d. i. Gesetzen der Natur und Ver- nunft, d. h. der natürlichen Vernunft. Das specifische Ob- ject des Glaubens ist daher das Wunder -- Glaube ist
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nichts Andres ſei als Gefühl, nichts ſei, was dem Herzen widerſpricht. Der Glaube an die Allmacht iſt der Glaube an die Irrealität der Außenwelt, der Objectivität, — der Glaube an die abſolute Realität des Gemüths. Das Weſen der Allmacht drückt nichts aus als das Weſen des Gemüths. Die Allmacht iſt die Macht, vor der kein Geſetz, keine Determination gilt und beſteht, aber dieſe Macht iſt eben das Gemüth, welches jede Determination, jedes Geſetz als Schranke empfindet und deßwegen aufhebt. Die Allmacht thut nichts weiter, als daß ſie den innerſten Willen des Ge- müths vollſtreckt, realiſirt. Im Gebete wendet ſich der Menſch an die Allmacht der Güte — das heißt alſo nichts andres als: im Gebete betet der Menſch ſein eignes Herz an, ſchaut er das Weſen ſeines Gemüths als das ab- ſolute Weſen an.
Das Geheimniß des Glaubens — das Geheimniß des Wunders.
Der Glaube an die Macht des Gebets — und nur da, wo dem Gebete eine Macht und zwar eine objective Macht zugeſchrieben wird, iſt noch das Gebet eine religiöſe Wahr- heit — iſt eins mit dem Glauben an die Wundermacht und der Glaube an Wunder eins mit dem Weſen des Glaubens überhaupt. Nur der Glaube betet; nur das Gebet des Glau- bens hat Kraft. Der Glaube iſt aber nichts andres als die Zuverſicht zur Realität des Subjectiven im Gegen- ſatz zu den Schranken, d. i. Geſetzen der Natur und Ver- nunft, d. h. der natürlichen Vernunft. Das ſpecifiſche Ob- ject des Glaubens iſt daher das Wunder — Glaube iſt
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nichts Andres ſei als Gefühl, nichts ſei, was dem
Herzen widerſpricht. Der Glaube an die Allmacht iſt der
Glaube an die Irrealität der Außenwelt, der Objectivität, —
der Glaube an die abſolute Realität des Gemüths. Das
Weſen der Allmacht drückt nichts aus als das Weſen des
Gemüths. Die Allmacht iſt die Macht, vor der kein Geſetz,
keine Determination gilt und beſteht, aber dieſe Macht iſt eben
das Gemüth, welches jede Determination, jedes Geſetz als
Schranke empfindet und deßwegen aufhebt. Die Allmacht thut
nichts weiter, als daß ſie den innerſten Willen des Ge-
müths vollſtreckt, realiſirt. Im Gebete wendet ſich der
Menſch an die Allmacht der Güte — das heißt alſo nichts
andres als: im Gebete betet der Menſch ſein eignes
Herz an, ſchaut er das Weſen ſeines Gemüths als das ab-
ſolute Weſen an.
Das Geheimniß des Glaubens — das Geheimniß des
Wunders.
Der Glaube an die Macht des Gebets — und nur da,
wo dem Gebete eine Macht und zwar eine objective Macht
zugeſchrieben wird, iſt noch das Gebet eine religiöſe Wahr-
heit — iſt eins mit dem Glauben an die Wundermacht und
der Glaube an Wunder eins mit dem Weſen des Glaubens
überhaupt. Nur der Glaube betet; nur das Gebet des Glau-
bens hat Kraft. Der Glaube iſt aber nichts andres als die
Zuverſicht zur Realität des Subjectiven im Gegen-
ſatz zu den Schranken, d. i. Geſetzen der Natur und Ver-
nunft, d. h. der natürlichen Vernunft. Das ſpecifiſche Ob-
ject des Glaubens iſt daher das Wunder — Glaube iſt
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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/181>, abgerufen am 21.11.2024.
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