Erstes Kapitel. Die Reformation an Haupt und Gliedern. 1500--1550.
Nunmehr angekommen auf dem großen Wendepunkt der Geschichte, wo mit dem Entwicklungsausgange der modernen Ideen auch die moderne Tracht ihren Anfang nimmt, Schritt vor Schritt, aller Launen der Mode ungeachtet, mit ihrem eigenen Charakter den der Geschichte begleitend, da möchte es nicht un- angemessen erscheinen, einen flüchtigen Blick zurückzuwerfen auf die Vergangenheit und das Werden aus den Urformen, die Höhe und Blüthe, sowie die vielgestaltige Entartung raschen Laufes zu überfliegen. Wenn wir uns aus dem Vergleich der Entwick- lung mit dem Gewordenen den Standpunkt klar machen, auf welchem das Costüm an der scharfen Scheide zwischen dem Mit- telalter und der Neuzeit sich befindet, so werden wir es dann leichter den Weg durch die letzten Jahrhunderte herabführen kön- nen, bis wir schließlich die Verbindung mit der Gegenwart her- gestellt haben.
Tausendjährig war der Kampf gewesen, den die alte nationale Tracht der Deutschen mit dem römischen Costüm zu führen gehabt hatte. Endlich war er mit dem Beginn des neuen Jahrtausends vollendet, doch schien nicht der Sieg auf nationaler Seite zu lie- gen. Gleichwie damals im ganzen christlichen Abendlande, nicht
Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 1
Drittes Buch. Die Neuzeit.
Erſtes Kapitel. Die Reformation an Haupt und Gliedern. 1500—1550.
Nunmehr angekommen auf dem großen Wendepunkt der Geſchichte, wo mit dem Entwicklungsausgange der modernen Ideen auch die moderne Tracht ihren Anfang nimmt, Schritt vor Schritt, aller Launen der Mode ungeachtet, mit ihrem eigenen Charakter den der Geſchichte begleitend, da möchte es nicht un- angemeſſen erſcheinen, einen flüchtigen Blick zurückzuwerfen auf die Vergangenheit und das Werden aus den Urformen, die Höhe und Blüthe, ſowie die vielgeſtaltige Entartung raſchen Laufes zu überfliegen. Wenn wir uns aus dem Vergleich der Entwick- lung mit dem Gewordenen den Standpunkt klar machen, auf welchem das Coſtüm an der ſcharfen Scheide zwiſchen dem Mit- telalter und der Neuzeit ſich befindet, ſo werden wir es dann leichter den Weg durch die letzten Jahrhunderte herabführen kön- nen, bis wir ſchließlich die Verbindung mit der Gegenwart her- geſtellt haben.
Tauſendjährig war der Kampf geweſen, den die alte nationale Tracht der Deutſchen mit dem römiſchen Coſtüm zu führen gehabt hatte. Endlich war er mit dem Beginn des neuen Jahrtauſends vollendet, doch ſchien nicht der Sieg auf nationaler Seite zu lie- gen. Gleichwie damals im ganzen chriſtlichen Abendlande, nicht
Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 1
<TEI><text><pbfacs="#f0013"n="[1]"/><body><divn="1"><head><hirendition="#b">Drittes Buch.<lb/><hirendition="#g">Die Neuzeit</hi>.</hi></head><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Erſtes Kapitel.</hi><lb/><hirendition="#g">Die Reformation an Haupt und Gliedern</hi>.<lb/>
1500—1550.</head><lb/><p>Nunmehr angekommen auf dem großen Wendepunkt der<lb/>
Geſchichte, wo mit dem Entwicklungsausgange der modernen<lb/>
Ideen auch die moderne Tracht ihren Anfang nimmt, Schritt vor<lb/>
Schritt, aller Launen der Mode ungeachtet, mit ihrem eigenen<lb/>
Charakter den der Geſchichte begleitend, da möchte es nicht un-<lb/>
angemeſſen erſcheinen, einen flüchtigen Blick zurückzuwerfen auf<lb/>
die Vergangenheit und das Werden aus den Urformen, die Höhe<lb/>
und Blüthe, ſowie die vielgeſtaltige Entartung raſchen Laufes<lb/>
zu überfliegen. Wenn wir uns aus dem Vergleich der Entwick-<lb/>
lung mit dem Gewordenen den Standpunkt klar machen, auf<lb/>
welchem das Coſtüm an der ſcharfen Scheide zwiſchen dem Mit-<lb/>
telalter und der Neuzeit ſich befindet, ſo werden wir es dann<lb/>
leichter den Weg durch die letzten Jahrhunderte herabführen kön-<lb/>
nen, bis wir ſchließlich die Verbindung mit der Gegenwart her-<lb/>
geſtellt haben.</p><lb/><p>Tauſendjährig war der Kampf geweſen, den die alte nationale<lb/>
Tracht der Deutſchen mit dem römiſchen Coſtüm zu führen gehabt<lb/>
hatte. Endlich war er mit dem Beginn des neuen Jahrtauſends<lb/>
vollendet, doch ſchien nicht der Sieg auf nationaler Seite zu lie-<lb/>
gen. Gleichwie damals im ganzen chriſtlichen Abendlande, nicht<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Falke</hi>, Trachten- und Modenwelt. <hirendition="#aq">II.</hi> 1</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[1]/0013]
Drittes Buch.
Die Neuzeit.
Erſtes Kapitel.
Die Reformation an Haupt und Gliedern.
1500—1550.
Nunmehr angekommen auf dem großen Wendepunkt der
Geſchichte, wo mit dem Entwicklungsausgange der modernen
Ideen auch die moderne Tracht ihren Anfang nimmt, Schritt vor
Schritt, aller Launen der Mode ungeachtet, mit ihrem eigenen
Charakter den der Geſchichte begleitend, da möchte es nicht un-
angemeſſen erſcheinen, einen flüchtigen Blick zurückzuwerfen auf
die Vergangenheit und das Werden aus den Urformen, die Höhe
und Blüthe, ſowie die vielgeſtaltige Entartung raſchen Laufes
zu überfliegen. Wenn wir uns aus dem Vergleich der Entwick-
lung mit dem Gewordenen den Standpunkt klar machen, auf
welchem das Coſtüm an der ſcharfen Scheide zwiſchen dem Mit-
telalter und der Neuzeit ſich befindet, ſo werden wir es dann
leichter den Weg durch die letzten Jahrhunderte herabführen kön-
nen, bis wir ſchließlich die Verbindung mit der Gegenwart her-
geſtellt haben.
Tauſendjährig war der Kampf geweſen, den die alte nationale
Tracht der Deutſchen mit dem römiſchen Coſtüm zu führen gehabt
hatte. Endlich war er mit dem Beginn des neuen Jahrtauſends
vollendet, doch ſchien nicht der Sieg auf nationaler Seite zu lie-
gen. Gleichwie damals im ganzen chriſtlichen Abendlande, nicht
Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 1
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/13>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.