c. Die burgundische Hoftracht und der Luxus der Niederlande.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts war es der Hof von Burgund, welcher in allen Angelegenheiten der Mode und der höfischen Sitte den Ton angab. Sein Einfluß er- streckte sich nicht bloß auf die mit ihm verbundenen Niederlande, sondern von hier aus durch ganz Deutschland, in den Trachten sowohl wie in Kunst und Industrie. "Heutiges Tages," sagt eine damalige Chronik, "muß alles der niederländischen, welschen Pracht und Unmäßigkeit gleich geschehen."
Eigentlich ist Burgund hierin nur der Nachfolger von Frank- reich, das schon vor der bayrischen Isabella, der Gemahlin Karls VI. (vermählt 1385) eine nicht unbedeutende Herrschaft auf diesem Gebiete behauptet hatte. Isabella selbst, die pracht- liebende Königin, erhöhte noch die Putzsucht und war selbst erfin- derisch in der Mode. Damals glichen die französischen Ritter ihren Nachkommen, den Helden von Roßbach, indem sie ins Feld zo- gen, ausgerüstet mit allem Putz, der nothwendig ist, vor den Damen am königlichen Hof zu erscheinen, mit perlgestickten Ge- wändern, mit allen Kleinigkeiten und Utensilien, um die voll- ständige Toilette, namentlich auch des Haares, stets in schönster Ordnung zu erhalten. Da brach das Unglück der langen englischen Kriege herein, und endlich kam die reiz- und glanzlose Regirung Ludwigs XI., des Bürgerkönigs, der allem ritterlich-höfischen Prunk abhold war. Hiermit gingen Frankreichs Lorbeeren und seine Hegemonie auf diesem Gebiete für zwei Jahrhunderte ver- loren.
Burgund war der erste Erbe. Der Glanz seines Hofes, der Reichthum der niederländischen Provinzen und das hohe geistige Leben, welches in ihnen blühte, sind bekannt genug. Die lange und kluge Regirung Philipps des Guten rief alle Kräfte wach, die kurze Herrlichkeit Karls des Kühnen, den die vornehmsten Höfe der Welt beneideten und den sie doch nicht zu erreichen ver- mochten, bezeichnet den Höhepunkt, aber auch den raschen Sturz.
II. Das Mittelalter.
c. Die burgundiſche Hoftracht und der Luxus der Niederlande.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts war es der Hof von Burgund, welcher in allen Angelegenheiten der Mode und der höfiſchen Sitte den Ton angab. Sein Einfluß er- ſtreckte ſich nicht bloß auf die mit ihm verbundenen Niederlande, ſondern von hier aus durch ganz Deutſchland, in den Trachten ſowohl wie in Kunſt und Induſtrie. „Heutiges Tages,“ ſagt eine damalige Chronik, „muß alles der niederländiſchen, welſchen Pracht und Unmäßigkeit gleich geſchehen.“
Eigentlich iſt Burgund hierin nur der Nachfolger von Frank- reich, das ſchon vor der bayriſchen Iſabella, der Gemahlin Karls VI. (vermählt 1385) eine nicht unbedeutende Herrſchaft auf dieſem Gebiete behauptet hatte. Iſabella ſelbſt, die pracht- liebende Königin, erhöhte noch die Putzſucht und war ſelbſt erfin- deriſch in der Mode. Damals glichen die franzöſiſchen Ritter ihren Nachkommen, den Helden von Roßbach, indem ſie ins Feld zo- gen, ausgerüſtet mit allem Putz, der nothwendig iſt, vor den Damen am königlichen Hof zu erſcheinen, mit perlgeſtickten Ge- wändern, mit allen Kleinigkeiten und Utenſilien, um die voll- ſtändige Toilette, namentlich auch des Haares, ſtets in ſchönſter Ordnung zu erhalten. Da brach das Unglück der langen engliſchen Kriege herein, und endlich kam die reiz- und glanzloſe Regirung Ludwigs XI., des Bürgerkönigs, der allem ritterlich-höfiſchen Prunk abhold war. Hiermit gingen Frankreichs Lorbeeren und ſeine Hegemonie auf dieſem Gebiete für zwei Jahrhunderte ver- loren.
Burgund war der erſte Erbe. Der Glanz ſeines Hofes, der Reichthum der niederländiſchen Provinzen und das hohe geiſtige Leben, welches in ihnen blühte, ſind bekannt genug. Die lange und kluge Regirung Philipps des Guten rief alle Kräfte wach, die kurze Herrlichkeit Karls des Kühnen, den die vornehmſten Höfe der Welt beneideten und den ſie doch nicht zu erreichen ver- mochten, bezeichnet den Höhepunkt, aber auch den raſchen Sturz.
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II. Das Mittelalter.
c. Die burgundiſche Hoftracht und der Luxus der Niederlande.
Um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts war es der
Hof von Burgund, welcher in allen Angelegenheiten der
Mode und der höfiſchen Sitte den Ton angab. Sein Einfluß er-
ſtreckte ſich nicht bloß auf die mit ihm verbundenen Niederlande,
ſondern von hier aus durch ganz Deutſchland, in den Trachten
ſowohl wie in Kunſt und Induſtrie. „Heutiges Tages,“ ſagt eine
damalige Chronik, „muß alles der niederländiſchen, welſchen
Pracht und Unmäßigkeit gleich geſchehen.“
Eigentlich iſt Burgund hierin nur der Nachfolger von Frank-
reich, das ſchon vor der bayriſchen Iſabella, der Gemahlin
Karls VI. (vermählt 1385) eine nicht unbedeutende Herrſchaft
auf dieſem Gebiete behauptet hatte. Iſabella ſelbſt, die pracht-
liebende Königin, erhöhte noch die Putzſucht und war ſelbſt erfin-
deriſch in der Mode. Damals glichen die franzöſiſchen Ritter ihren
Nachkommen, den Helden von Roßbach, indem ſie ins Feld zo-
gen, ausgerüſtet mit allem Putz, der nothwendig iſt, vor den
Damen am königlichen Hof zu erſcheinen, mit perlgeſtickten Ge-
wändern, mit allen Kleinigkeiten und Utenſilien, um die voll-
ſtändige Toilette, namentlich auch des Haares, ſtets in ſchönſter
Ordnung zu erhalten. Da brach das Unglück der langen engliſchen
Kriege herein, und endlich kam die reiz- und glanzloſe Regirung
Ludwigs XI., des Bürgerkönigs, der allem ritterlich-höfiſchen
Prunk abhold war. Hiermit gingen Frankreichs Lorbeeren und
ſeine Hegemonie auf dieſem Gebiete für zwei Jahrhunderte ver-
loren.
Burgund war der erſte Erbe. Der Glanz ſeines Hofes, der
Reichthum der niederländiſchen Provinzen und das hohe geiſtige
Leben, welches in ihnen blühte, ſind bekannt genug. Die lange
und kluge Regirung Philipps des Guten rief alle Kräfte wach,
die kurze Herrlichkeit Karls des Kühnen, den die vornehmſten
Höfe der Welt beneideten und den ſie doch nicht zu erreichen ver-
mochten, bezeichnet den Höhepunkt, aber auch den raſchen Sturz.
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/278>, abgerufen am 08.07.2024.
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