eben so gut, als den Römern, die distributiva, und die commutativa justitia bekannt gewesen, auch haben sie die erste bei den erteilungen der eren, be- dinungen etc nach dem wohlverhalten, und der ta- pferkeit vorwalten lassen, wie die angezogene sprüchwörter zu erkennen geben (§ 45 des 1ten th.). Nächstdem hilten sie vil auf gleiches recht unter sich. Das unrecht war bei inen verhasst. Dises, wie auch die ungleichheit der rechte, kan sich aber bei der gesäzgebung, und der iustiz-pflege eräugen: teils an sich, teils in rücksicht auf die benachbar- ten, und fremden; imgleichen aus andern hande- lungen, und gebrechen. Das ungleiche recht ge- gen die auswärtigen, und fremden kan zum wider- vergeltungsrechte (retorsion); nicht minder zu re- pressalien anlaß geben, sihe meine anfangsgründe des gemeinen und Reichsprocesses im th. 1 tit. 243, 244. Solchemnach erbet in Teutschlande, or- dentlicher weisse, kein fremder; welche völkerschaft aber den Teutschen die erbschaft abfolgen lässet, derselben lassen wir sie wider abfolgen. Die ge- rechtigkeit soll, nach der regel, one ansehen der per- son, gleich, auch unparteiisch verwaltet werden; weshalber das bildniß der justiz mit verbundenen augen hin und wider aufgestellet gefunden wird. Wenn aber die rechte selbst einen unterschid zwi- schen den personen machen, und auf das ansehen derselben (prosopolepsia) rücksicht zu nemen ver- ordnen; alsdann wird es für erlaubet gehalten, Jac. Aug. Frankensteinde prosopolepsia in iure licita, Leipz. 1728, 4t.
§ 35
Die Teutsche hilten vil auf die natürliche bil-von der billig- keit, erbarkeit, und dem er- laubten. ligkeit (§ 3). Sie wird zur hand genommen, und angewendet: wo entweder die gesäze ermangeln,
oder
D 2
und der gerechtigkeit.
eben ſo gut, als den Roͤmern, die diſtributiva, und die commutativa juſtitia bekannt geweſen, auch haben ſie die erſte bei den erteilungen der eren, be- dinungen ꝛc nach dem wohlverhalten, und der ta- pferkeit vorwalten laſſen, wie die angezogene ſpruͤchwoͤrter zu erkennen geben (§ 45 des 1ten th.). Naͤchſtdem hilten ſie vil auf gleiches recht unter ſich. Das unrecht war bei inen verhaſſt. Diſes, wie auch die ungleichheit der rechte, kan ſich aber bei der geſaͤzgebung, und der iuſtiz-pflege eraͤugen: teils an ſich, teils in ruͤckſicht auf die benachbar- ten, und fremden; imgleichen aus andern hande- lungen, und gebrechen. Das ungleiche recht ge- gen die auswaͤrtigen, und fremden kan zum wider- vergeltungsrechte (retorſion); nicht minder zu re- preſſalien anlaß geben, ſihe meine anfangsgruͤnde des gemeinen und Reichsproceſſes im th. 1 tit. 243, 244. Solchemnach erbet in Teutſchlande, or- dentlicher weiſſe, kein fremder; welche voͤlkerſchaft aber den Teutſchen die erbſchaft abfolgen laͤſſet, derſelben laſſen wir ſie wider abfolgen. Die ge- rechtigkeit ſoll, nach der regel, one anſehen der per- ſon, gleich, auch unparteiiſch verwaltet werden; weshalber das bildniß der juſtiz mit verbundenen augen hin und wider aufgeſtellet gefunden wird. Wenn aber die rechte ſelbſt einen unterſchid zwi- ſchen den perſonen machen, und auf das anſehen derſelben (proſopolepſia) ruͤckſicht zu nemen ver- ordnen; alsdann wird es fuͤr erlaubet gehalten, Jac. Aug. Frankenſteinde proſopolepſia in iure licita, Leipz. 1728, 4t.
§ 35
Die Teutſche hilten vil auf die natuͤrliche bil-von der billig- keit, erbarkeit, und dem er- laubten. ligkeit (§ 3). Sie wird zur hand genommen, und angewendet: wo entweder die geſaͤze ermangeln,
oder
D 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0075"n="51"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und der gerechtigkeit.</hi></fw><lb/>
eben ſo gut, als den Roͤmern, die diſtributiva, und<lb/>
die commutativa juſtitia bekannt geweſen, auch<lb/>
haben ſie die erſte bei den erteilungen der eren, be-<lb/>
dinungen ꝛc nach dem wohlverhalten, und der ta-<lb/>
pferkeit vorwalten laſſen, wie die angezogene<lb/>ſpruͤchwoͤrter zu erkennen geben (§ 45 des 1ten th.).<lb/>
Naͤchſtdem hilten ſie vil auf gleiches recht unter<lb/>ſich. Das unrecht war bei inen verhaſſt. Diſes,<lb/>
wie auch die ungleichheit der rechte, kan ſich aber<lb/>
bei der geſaͤzgebung, und der iuſtiz-pflege eraͤugen:<lb/>
teils an ſich, teils in ruͤckſicht auf die benachbar-<lb/>
ten, und fremden; imgleichen aus andern hande-<lb/>
lungen, und gebrechen. Das ungleiche recht ge-<lb/>
gen die auswaͤrtigen, und fremden kan zum wider-<lb/>
vergeltungsrechte (retorſion); nicht minder zu re-<lb/>
preſſalien anlaß geben, ſihe meine anfangsgruͤnde<lb/>
des gemeinen und Reichsproceſſes im th. 1 tit. 243,<lb/>
244. Solchemnach erbet in Teutſchlande, or-<lb/>
dentlicher weiſſe, kein fremder; welche voͤlkerſchaft<lb/>
aber den Teutſchen die erbſchaft abfolgen laͤſſet,<lb/>
derſelben laſſen wir ſie wider abfolgen. Die ge-<lb/>
rechtigkeit ſoll, nach der regel, one anſehen der per-<lb/>ſon, gleich, auch unparteiiſch verwaltet werden;<lb/>
weshalber das bildniß der juſtiz mit verbundenen<lb/>
augen hin und wider aufgeſtellet gefunden wird.<lb/>
Wenn aber die rechte ſelbſt einen unterſchid zwi-<lb/>ſchen den perſonen machen, und auf das anſehen<lb/>
derſelben (proſopolepſia) ruͤckſicht zu nemen ver-<lb/>
ordnen; alsdann wird es fuͤr erlaubet gehalten,<lb/><hirendition="#fr">Jac. Aug. Frankenſtein</hi><hirendition="#aq">de proſopolepſia in iure<lb/>
licita,</hi> Leipz. 1728, 4t.</p></div><lb/><divn="2"><head>§ 35</head><lb/><p>Die Teutſche hilten vil auf die natuͤrliche bil-<noteplace="right">von der billig-<lb/>
keit, erbarkeit,<lb/>
und dem er-<lb/>
laubten.</note><lb/>
ligkeit (§ 3). Sie wird zur hand genommen, und<lb/>
angewendet: wo entweder die geſaͤze ermangeln,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">oder</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0075]
und der gerechtigkeit.
eben ſo gut, als den Roͤmern, die diſtributiva, und
die commutativa juſtitia bekannt geweſen, auch
haben ſie die erſte bei den erteilungen der eren, be-
dinungen ꝛc nach dem wohlverhalten, und der ta-
pferkeit vorwalten laſſen, wie die angezogene
ſpruͤchwoͤrter zu erkennen geben (§ 45 des 1ten th.).
Naͤchſtdem hilten ſie vil auf gleiches recht unter
ſich. Das unrecht war bei inen verhaſſt. Diſes,
wie auch die ungleichheit der rechte, kan ſich aber
bei der geſaͤzgebung, und der iuſtiz-pflege eraͤugen:
teils an ſich, teils in ruͤckſicht auf die benachbar-
ten, und fremden; imgleichen aus andern hande-
lungen, und gebrechen. Das ungleiche recht ge-
gen die auswaͤrtigen, und fremden kan zum wider-
vergeltungsrechte (retorſion); nicht minder zu re-
preſſalien anlaß geben, ſihe meine anfangsgruͤnde
des gemeinen und Reichsproceſſes im th. 1 tit. 243,
244. Solchemnach erbet in Teutſchlande, or-
dentlicher weiſſe, kein fremder; welche voͤlkerſchaft
aber den Teutſchen die erbſchaft abfolgen laͤſſet,
derſelben laſſen wir ſie wider abfolgen. Die ge-
rechtigkeit ſoll, nach der regel, one anſehen der per-
ſon, gleich, auch unparteiiſch verwaltet werden;
weshalber das bildniß der juſtiz mit verbundenen
augen hin und wider aufgeſtellet gefunden wird.
Wenn aber die rechte ſelbſt einen unterſchid zwi-
ſchen den perſonen machen, und auf das anſehen
derſelben (proſopolepſia) ruͤckſicht zu nemen ver-
ordnen; alsdann wird es fuͤr erlaubet gehalten,
Jac. Aug. Frankenſtein de proſopolepſia in iure
licita, Leipz. 1728, 4t.
§ 35
Die Teutſche hilten vil auf die natuͤrliche bil-
ligkeit (§ 3). Sie wird zur hand genommen, und
angewendet: wo entweder die geſaͤze ermangeln,
oder
von der billig-
keit, erbarkeit,
und dem er-
laubten.
D 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/75>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.