z. e. in Eschwege etc etc, auch dorfs-und gemeinde- vormunden; dergleichen sich auch in Sachsen vil- fältig finden lassen.
§ 955
Man findet öfters die redensart von vätern:von der väter- lichen vor- mundschaft. in natürlicher vormundschaft (§ 954), wenn be- sonders ein mann kinder hat, und die frau ihm gestorben ist; gleichwohl derselbe wider heiratet, und den nüßbrauch über der kinder vermögen hat; so pflegen sie diser redensart sich zu bedinen. Es fraget sich aber: ob eine väterliche vormundschaft es gebe? die antwort ist: eigentlich nicht; vilmehr ist es ein mißbrauch im reden. Denn ein vater muß ja seine kinder one vormundschaft verteidigen, und den nüßbrauch hat er bald aus der gemein- schaft der güter, bald wegen erzihung, auch un- terhaltung der kinder, teils vermöge der rechte, teils der gedinge, auch anderer gebarungen.
§ 956
Jn rücksicht auf die religion hat es vilen streitvon den zwi- stigkeiten über die religion des vormundes. bei den vormunden von je her gegeben. Johann Casimir, Pfalzgraf bei Rhein, war reformirter religion, und vormund über den Friderichen, den 4ten, zu Pfalz, einen evangelisch-lutherischen herrn. Als nun derselbe Johann Casimir ver- starb, und der nächste vätter Richard, zu Pfalz, die vormundschaft begerete, widersprachen ihm die untertanen. Geörge Reinhard, graf zu Orten- burg, verliß einen unmündigen son: Geörgen Phi- lippen. Die witbe wollte darum ires ehegemales bruder: Christian, nicht zulassen, weil er catho- lisch war. Die sache gedihe an den K. und R. hofraht, welcher für den graf Christian sprach; allein die frau witbe wendete sich an das corpus
evan-
M m 5
u. obervorm., auch krigiſchen vorm.
z. e. in Eſchwege ꝛc ꝛc, auch dorfs-und gemeinde- vormunden; dergleichen ſich auch in Sachſen vil- faͤltig finden laſſen.
§ 955
Man findet oͤfters die redensart von vaͤtern:von der vaͤter- lichen vor- mundſchaft. in natuͤrlicher vormundſchaft (§ 954), wenn be- ſonders ein mann kinder hat, und die frau ihm geſtorben iſt; gleichwohl derſelbe wider heiratet, und den nuͤßbrauch uͤber der kinder vermoͤgen hat; ſo pflegen ſie diſer redensart ſich zu bedinen. Es fraget ſich aber: ob eine vaͤterliche vormundſchaft es gebe? die antwort iſt: eigentlich nicht; vilmehr iſt es ein mißbrauch im reden. Denn ein vater muß ja ſeine kinder one vormundſchaft verteidigen, und den nuͤßbrauch hat er bald aus der gemein- ſchaft der guͤter, bald wegen erzihung, auch un- terhaltung der kinder, teils vermoͤge der rechte, teils der gedinge, auch anderer gebarungen.
§ 956
Jn ruͤckſicht auf die religion hat es vilen ſtreitvon den zwi- ſtigkeiten uͤber die religion des vormundes. bei den vormunden von je her gegeben. Johann Caſimir, Pfalzgraf bei Rhein, war reformirter religion, und vormund uͤber den Friderichen, den 4ten, zu Pfalz, einen evangeliſch-lutheriſchen herrn. Als nun derſelbe Johann Caſimir ver- ſtarb, und der naͤchſte vaͤtter Richard, zu Pfalz, die vormundſchaft begerete, widerſprachen ihm die untertanen. Geoͤrge Reinhard, graf zu Orten- burg, verliß einen unmuͤndigen ſon: Geoͤrgen Phi- lippen. Die witbe wollte darum ires ehegemales bruder: Chriſtian, nicht zulaſſen, weil er catho- liſch war. Die ſache gedihe an den K. und R. hofraht, welcher fuͤr den graf Chriſtian ſprach; allein die frau witbe wendete ſich an das corpus
evan-
M m 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0577"n="553"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">u. obervorm., auch krigiſchen vorm.</hi></fw><lb/>
z. e. in Eſchwege ꝛc ꝛc, auch dorfs-und gemeinde-<lb/>
vormunden; dergleichen ſich auch in Sachſen vil-<lb/>
faͤltig finden laſſen.</p></div><lb/><divn="2"><head>§ 955</head><lb/><p>Man findet oͤfters die redensart von vaͤtern:<noteplace="right">von der vaͤter-<lb/>
lichen vor-<lb/>
mundſchaft.</note><lb/>
in natuͤrlicher vormundſchaft (§ 954), wenn be-<lb/>ſonders ein mann kinder hat, und die frau ihm<lb/>
geſtorben iſt; gleichwohl derſelbe wider heiratet,<lb/>
und den nuͤßbrauch uͤber der kinder vermoͤgen hat;<lb/>ſo pflegen ſie diſer redensart ſich zu bedinen. Es<lb/>
fraget ſich aber: ob eine vaͤterliche vormundſchaft<lb/>
es gebe? die antwort iſt: eigentlich nicht; vilmehr<lb/>
iſt es ein mißbrauch im reden. Denn ein vater<lb/>
muß ja ſeine kinder one vormundſchaft verteidigen,<lb/>
und den nuͤßbrauch hat er bald aus der gemein-<lb/>ſchaft der guͤter, bald wegen erzihung, auch un-<lb/>
terhaltung der kinder, teils vermoͤge der rechte,<lb/>
teils der gedinge, auch anderer gebarungen.</p></div><lb/><divn="2"><head>§ 956</head><lb/><p>Jn ruͤckſicht auf die religion hat es vilen ſtreit<noteplace="right">von den zwi-<lb/>ſtigkeiten uͤber<lb/>
die religion des<lb/>
vormundes.</note><lb/>
bei den vormunden von je her gegeben. Johann<lb/>
Caſimir, Pfalzgraf bei Rhein, war reformirter<lb/>
religion, und vormund uͤber den Friderichen, den<lb/>
4ten, zu Pfalz, einen evangeliſch-lutheriſchen<lb/>
herrn. Als nun derſelbe Johann Caſimir ver-<lb/>ſtarb, und der naͤchſte vaͤtter Richard, zu Pfalz,<lb/>
die vormundſchaft begerete, widerſprachen ihm die<lb/>
untertanen. Geoͤrge Reinhard, graf zu Orten-<lb/>
burg, verliß einen unmuͤndigen ſon: Geoͤrgen Phi-<lb/>
lippen. Die witbe wollte darum ires ehegemales<lb/>
bruder: <hirendition="#fr">Chriſtian,</hi> nicht zulaſſen, weil er catho-<lb/>
liſch war. Die ſache gedihe an den K. und R.<lb/>
hofraht, welcher fuͤr den graf Chriſtian ſprach;<lb/>
allein die frau witbe wendete ſich an das corpus<lb/><fwplace="bottom"type="sig">M m 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">evan-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[553/0577]
u. obervorm., auch krigiſchen vorm.
z. e. in Eſchwege ꝛc ꝛc, auch dorfs-und gemeinde-
vormunden; dergleichen ſich auch in Sachſen vil-
faͤltig finden laſſen.
§ 955
Man findet oͤfters die redensart von vaͤtern:
in natuͤrlicher vormundſchaft (§ 954), wenn be-
ſonders ein mann kinder hat, und die frau ihm
geſtorben iſt; gleichwohl derſelbe wider heiratet,
und den nuͤßbrauch uͤber der kinder vermoͤgen hat;
ſo pflegen ſie diſer redensart ſich zu bedinen. Es
fraget ſich aber: ob eine vaͤterliche vormundſchaft
es gebe? die antwort iſt: eigentlich nicht; vilmehr
iſt es ein mißbrauch im reden. Denn ein vater
muß ja ſeine kinder one vormundſchaft verteidigen,
und den nuͤßbrauch hat er bald aus der gemein-
ſchaft der guͤter, bald wegen erzihung, auch un-
terhaltung der kinder, teils vermoͤge der rechte,
teils der gedinge, auch anderer gebarungen.
von der vaͤter-
lichen vor-
mundſchaft.
§ 956
Jn ruͤckſicht auf die religion hat es vilen ſtreit
bei den vormunden von je her gegeben. Johann
Caſimir, Pfalzgraf bei Rhein, war reformirter
religion, und vormund uͤber den Friderichen, den
4ten, zu Pfalz, einen evangeliſch-lutheriſchen
herrn. Als nun derſelbe Johann Caſimir ver-
ſtarb, und der naͤchſte vaͤtter Richard, zu Pfalz,
die vormundſchaft begerete, widerſprachen ihm die
untertanen. Geoͤrge Reinhard, graf zu Orten-
burg, verliß einen unmuͤndigen ſon: Geoͤrgen Phi-
lippen. Die witbe wollte darum ires ehegemales
bruder: Chriſtian, nicht zulaſſen, weil er catho-
liſch war. Die ſache gedihe an den K. und R.
hofraht, welcher fuͤr den graf Chriſtian ſprach;
allein die frau witbe wendete ſich an das corpus
evan-
von den zwi-
ſtigkeiten uͤber
die religion des
vormundes.
M m 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Estor, Johann Georg: Der Teutschen rechtsgelahrheit. Bd. 3. Frankfurt (Main), 1767, S. 553. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/estor_rechtsgelehrsamkeit03_1767/577>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.